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Definition Kartenschriften

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Manche Bleisatzschriften werden als Kartenschriften kategorisiert oder tragen diese Bezeichnung sogar im Namen. Ich denke da immer zuerst an Landkarten, aber scheinbar bezog sich das ja früher eher auf Visitenkarten, Postkarten (?) und ähnliches. 

Wie würde man »Kartenschriften« also definieren? Gibt es vielleicht sogar eine Quelle aus älterer Literatur dazu? Und was unterscheidet Kartenschriften dann vom Überbegriff(?) Akzidenzschriften? 

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Erwin Krump

Ohne mich jetzt auf Quellen zu berufen:


 


Kartenschriften weisen meist einen Kupferstich- bzw. Lithografie-Charakter auf. Dazu gehörten u. a. schraffierte Schriften, Schriften im klassizistischen Stil, Kanzlei-Gotisch, Schriften mit oft ausgeprägten Serifen und ähnliche Schriften. Diese gab es jeweils auch oft in schraffiertem Stil.


 


Nach Erfindung des Kupferstiches bzw. der Lithografie wurden alle möglichen Karten in diesen Druckverfahren hergestellt. 


 


Mit den entsprechenden Schriften griff man nun im Bleisatz auf diesen Stil zurück um ähnliche Ergebnisse im Hochdruck zu erzielen und kostengünstiger zu produzieren.


 


Schriften dieser Art eigneten sich in erster Linie für Karten und weniger allgemein für Akzidenzen.


 


Es  werden auch heute noch in kleinen Spezial-Druckerein Karten gestochen und im Stich-Tiefdruck hergestellt.


 


Dazu in Richard L. Neil, Satztechnisches Taschenlexikon, Wien 1925: 


„Karte ist eine abgekürzte Bezeichnung. Es kann damit eine Visit-, Adress-, Korrespondenz- oder Postkarte, Ansichtskarte-, Geschäfts-, Mitglieds-, Vermählungs-, Verlobungs- oder Eintrittskarte o. dgl. gemeint sein.“


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Erwin Krump

Über "Karten" gibt es einen sehr guten Artikel im Jahrbuch des OÖ. Musealvereines. Hier nur ein kleiner Auszug aus dem Beitrag. (Quelle: Ingeborg Micko: Nimm mit Huld die kleine Gabe – Freundschafts- und Glückwunschkarten des Biedermeier im Stadtmuseum Wels. In: Festschrift für Walter Aspernig zum 70. Geburtstag, Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines – Gesellschaft für Landeskunde, 157. Band, Linz 2012 = 36. Jahrbuch des Musealvereines Wels, Wels 2009/2010/2011):


 


„… Die ersten Nachrichten über Glückwunsch- und Freundschaftskarten finden sich bereits 1779 in einer Anzeige im Wiener Diarium, worin „auserlesene ernst- und scherzhafte Neujahrswünsche“ angeboten wurden. Geschäftstüchtige Kunsthändler, allen voran Johann Hieronymus Löschenkohl, nahmen sich der neuen Mode an, die durch die aus Frankreich stammenden Visitbillets inspiriert waren. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts war es in Frankreich und hier zunächst in aristokratischen, wenig später auch in bürgerlichen Kreisen Sitte geworden, Höflichkeitsbesuche abzustatten. Dabei waren die ersten Karten, die als Visitenkarten oder „Billets de visite“ abgegeben wurden, Spielkarten mit geschriebenen oder gedruckten Namen. Daraus entwickelten sich die Besuchskarten, die den Namen des Inhabers trugen, umrahmt von einfachen Kartuschen bis hin zu bildlichen Szenen und Allegorien. Diese Mode fiel zusammen mit dem Aufkommen der in Frankreich erneuerten alten Sitte, zum neuen Jahr Glückwunschkarten auszutauschen. Bereits im 15. Jahrhundert verschenkte man Holzschnitte als Neujahrsbildchen, die bis zur Reformation stets mit dem Bild des Jesusknaben bedruckt waren. Die Verleger populärer Gebrauchsgrafik erkannten in diesem wiederbelebten Brauch einen vielversprechenden Markt und erweiterten ihr Warenangebot um spezielle Glückwunschbillets …“


 


„… Die in Frankreich zur großen Mode gewordenen Glückwunschkarten schlugen in Wien ein und setzten sich wie sonst nirgendwo durch. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachten mehr als 80 Verleger in Europa Glückwunschkarten heraus, davon 40 allein in Wien. Weitere Verlagsorte waren unter anderen Paris, Prag, Berlin, Nürnberg, Augsburg oder München. Zur Bedeutung Wiens als Produktionsort und Handelsplatz von Gebrauchsgrafik trugen Kaiserin Maria Theresia (1717–1780) 1766 mit der Gründung der k.k. Kupferstecher-Akademie und Kaiser Joseph II. (1741–1790) mit dem 1784 erlassenen Einfuhrverbot für bestimmte ausländische Waren und der teilweisen Aufhebung des Zunftzwangs bei …“

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RobertMichael

Kann bei meinen Mustern bestätigen was Erwin sagt, Kartenschriften sind meistens schraffierte Schriften und Schriften im klassizistischen Stil oder Schreibschriften.

 

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catfonts

Ich würd‘s auch behalten, höchstens einem Kollegen, der einen pfleglichen Umgang garantiert zum Scannen ausborgen (aber nur gegen Pfand, denn verliehene Drucksachen sieht man zumeist nie wieder, ich habe selbst bei einem guten Freund in einem von mir geliehenen Buch dann sein Exlibris gefunden)

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Alles sehr spannend! :-)

Ob ein Zusammenhang zu Landkarten nun eindeutig auszuschließen oder einzuschließen ist, weiß ich aber immer noch nicht. Schon erstaunlich wie schnell solche gängigen Fachbegriffe in Vergessenheit geraten können. 

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gutenberger

Ralf, mir ging es auch jahrelang so, dass ich immer zuerst an Landkarten gedacht habe, aber irgendwann belehrte mich ein älterer Kollege in dem Sinn, wie Herr Krump das so schön beschreibt. Ein Indiz, dass Kartenschriften nicht als Landkartenschriften zu verstehen waren, ist vielleicht, das unter dem Begriff "Kartenschrift" nach meinem Kenntnisstand niemals linkskursive Schriften verzeichnet worden sind, die ja nun eindeutig und eigentlich ausschließlich für Landkarten geschaffen waren.

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RobertMichael

Das linke Muster von Emil Gursch war eines meiner ersten Schriftmuster in meiner Sammlung bis dahin dachte ich auch immer es handelt sich bei Kartenschriften um Landkartenschriften. Hier noch ein kleiner Nachschlag.

 

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Martin Z. Schröder

Wurden Landkarten denn jemals mit Bleisatzschriften bedruckt? Waren die Schriftzüge nicht immer in die Vorlagen eingeschrieben? Ich habe noch keinen Bleisatz für Landkarten gesehen.

Der Begriff der Kartenschrift umfaßt irgendwann alle Arten von Schriften, die nicht für Werksatz verwendet wurden, es war ein reiner Reklame-Begriff. Man sieht das an den Mustern aus der Gießerei Gursch. Ich habe eine häßliche Serifenlose in Blei namens Kartenschrift Fedora. Noch nie eingesetzt.

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catfonts

Hatten wir nicht schon vor gar nicht so langer Zeit die kartografischen Schriften, wie Römisch Venus und Kursivschrift, wie auch den kartografischen Bleisatz, der Typometrie am Wickel?

 

Also:

kartografische Schriften = Schriften für (Land) Karten, also für die Karten, die eher großformatige, dünne Papierbögen sind.

 

Kartenschriften = Schriften für eher kleinformatige Akzidenzen auf eher dkräftigem  Papier oder Karton, alsi Visiten, Einladungs- Tisch und Grußkarten.

 

Unter den Akzidenzschriften die mit eher elegantem Duktus und für eher kleine Schriftgrade, im Gegendatz zu den eher Effekthaschenden Werbe-, Display- und Plakatschriften.

So gesehen sind die Kartenschriften typisch für Privat-Akzidenzen.

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Pachulke

Nun ja, bei alem Respekt vor der Leistung, die in der Entwicklung und Anwendung typometrischer Elemente liegt, war das wohl ein recht begrenzter Sonderfall und am Ende dann eine Sackgasse der Typographie.

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Martin Z. Schröder

Dieser Versuch des Landkartensatzes endete vor der Erfindung der Visitkarte, wenn ich es richtig sehe. Kartenschriften für Landkarten hat es wohl nie im allgemeinen Gebrauch gegeben, unter Kartenschrift verstand man also immer Schriften, die für Akzidenzen besonders geeignet sind. Und das war nach Gusto der Schriftgießereien alles vom Schnörkelmonstrum bis zur Industrietype, was nicht im Werksatz allgemein bekannt war.

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Dieser Versuch des Landkartensatzes endete vor der Erfindung der Visitkarte, wenn ich es richtig sehe.

 

Schon klar. Dass Kartenschriften keine Schriften für Landkarten sind, war ja von Anfang an klar. Mich interessiert aber weiterhin die Frage nach der genauen Definition. Wenn es um »besonders gut für Akzidenzen« gegangen sein soll, hätte man ja auch »Akzidenzschriften« sagen können. 

Erwin hat noch den Gedanken eingeworfen, dass es sich um den Schriftstil von Landkarten drehen könnte. Glaube ich zwar nicht, aber klipp und klar widerlegen kann ich es auch nicht. 

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Microboy

Auf die schnelle habe ich nur zwei reine Kartenschriften-Muster gefunden … die Bezeichnung taucht aber auch häufig in Einzelproben auf.

 

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Martin Z. Schröder

Der Begriff Kartenschrift ist reine Marketingsprache, mehr steckt nicht dahinter. Oft waren es ornamentale, schattierte und Schnörkelschriften, die dem Drucker schmackhaft gemacht werden sollten. Natürlich kann man ebenso gute und wahrscheinlich bessere Akzidenzen setzen mit Schriften, die nicht als Kartenschriften beworben wurden, also den Klassikern. Garamond, Caslon, Didot usw. wurden nicht als Kartenschriften beworben. Aber eben durchaus auch Serifenlose, die der Vertreter der Gießerei dem Drucker verkaufen wollte. Weil sie etwas anders (meistens schlechter) als die gebräuchlichen waren, erzählte man dem Drucker, sie seien für Akzidenzen (das waren vor allem Karten für etliche Anlässe) besser geeignet als die Ware, die er im Kasten liegen hatte und die der Gießerei kein Geld mehr einbrachte.

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