Jump to content
Ständig interessante neue Typo-Inhalte auf Instagram. Abonniere @typography.guru.

Druckereien mit Schwerpunkt Bleisatz?

Empfohlene Beiträge

jonnestorius

Liebes Forum,

 

gibt es irgendwo im Netz eine Liste deutscher Druckereien, die noch schwerpunktmäßig mit Blei- und Holzlettern arbeiten und bei denen man im Rahmen eines Praktikums o.ä. »in die Lehre« gehen könnte?

Würde mich sehr gerne in den nächsten Semesterferien intensiver mit dem Thema beschäftigen, und spontan fällt mir nur Offizin Haag-Drugulin ein – die leider nicht grade nebenan sind.

 

Herzliche Grüße,

Johannes

Link zu diesem Kommentar
Phoibos

Mir fällt auf Anhieb nur unser Mitforist Martin Z. Schröder in Berlin ein, in Hamburg könntest Du jeden Montag die offene Werkstatt im Museum der Arbeit besuchen. 

Link zu diesem Kommentar
Kathrinvdm

In Hamburg müsste es auch noch die Druckerei »Schwarze Kunst« geben, betrieben von Klaus Raasch. Auf die Schnelle habe ich nur den Link zu seinem Blog gefunden – vielleicht einfach mal nachfragen?

Link zu diesem Kommentar
Kathrinvdm

Oh – danke für die Korrektur! Ist zugegebenermaßen auch schon lange her, dass ich dort mal zu Besuch war.

Link zu diesem Kommentar
jonnestorius

 

Manchmal sieht man doch den Wald vor lauter Bäume nicht. Vielen Dank für den Link – ist dort die Offizin Haag-Drugulin nicht dabei, weil es sich eher um einen Verlag handelt? Interessant ist auch die Ost-West-Aufteilung, Norden und Süden sind ja offenbar kaum vertreten (oder eben nur in dieser Liste).

 

Danke auch für die anderen Nachrichten. Im Großraum Ostwestfalen scheint es scheinbar keine entsprechenden Druckereien zu geben, daher würde mich besonders Hamburg interessieren (Unterkunftsmöglichkeit).

Link zu diesem Kommentar
Martin Z. Schröder

Die aufgelisteten Betriebe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz machen ausweislich ihrer Internetseiten gar keinen Bleisatz, sondern ausschließlich Prägedruck nach digitalen Vorlagen.

  • Gefällt 1
Link zu diesem Kommentar
gutenberger

Ich würde an Deiner Stelle nicht unbedingt nach Druckereien mit Bleisatz suchen - die gibt es praktisch so gut wie gar nicht mehr. Wenn du etwas Bleisatzpraxis schnuppern willst, wäre es m.E. schlauer, nach noch produzierenden Handpressendruckern, Werkstätten von künstlerischen Schulen oder Museen zu schauen. Da hättest Du erstens bessere Chancen in Deiner Nähe was zu finden, zweitens vielleicht wirklich was zu lernen und drittens möglicherweise sogar was eigenes machen zu können ...

  • Gefällt 1
Link zu diesem Kommentar
Lars Kähler

Erik Spiekermann in Berlin hätte vielleicht Zeit für einen echten Praktikanten der »Schwarzen Kunst«* – hat er selbige auf seine alten Tage** doch höchstselbstpersönlich mühselig erlernen müssen …    :party:

 

* Gibt’s die noch? Ja? – Ja!

 

** SCNR … !

Link zu diesem Kommentar
jonnestorius

Lieber Martin, ich habe soeben eine vergnügt-faszinierte halbe Stunde auf deiner Internetseite verbracht – vielen Dank dafür. Dass die angesprochenen Betriebe keinen Bleisatz machen, habe ich vermutet, war mir aber ehrlich gesagt nicht sicher.

 

Wenn du etwas Bleisatzpraxis schnuppern willst, wäre es m.E. schlauer, nach noch produzierenden Handpressendruckern, Werkstätten von künstlerischen Schulen oder Museen zu schauen. Da hättest Du erstens bessere Chancen in Deiner Nähe was zu finden, zweitens vielleicht wirklich was zu lernen und drittens möglicherweise sogar was eigenes machen zu können ...

 

Es muss ja nicht zwingend in der Nähe sein – ich würde u.U. sogar guten Gewissens ein Urlaubssemester einlegen, Strafzahlung leisten für Überziehung der gesetzlich erlaubten Höchststudiendauer… :nicken:

Hauptproblem ist offenbar eher, einen Drucker alter Schule zu finden, der Zeit, Muße und Geduld genug hat, ein Greenhorn zu unterrichten – denn das bin ich ja diesbezüglich, Typomanie hin oder her.

Im Verlauf der Diskussion ist mir aber auch klar geworden: Mir geht es zwar in erster Linie um den Handsatz, aber davon ausgehend auch um den manuellen Druckprozess an sich – sei es vom Bleisatz, vom Klischee oder von anderen Verfahren. Ich möchte lernen, woher ich fachlich komme.

 

Im Studium kommt das zu kurz, andere Dinge sind wichtiger als elementare Grundlagen (es gibt natürlich Ausnahmen, beispielsweise Zürich, dort wird noch Handsatz gelehrt). Für mich war einer der Augenöffner die Aussage Erik Spiekermanns, dass im Handsatz ganz automatisch auch der Weißraum berührt wird. Es ist keine leere Fläche in Indesign mehr, sondern besteht ebenso aus Metall wie die Lettern selbst.

Und: Blickt man in Eriks Reiseplan, ist er für eine Lehre leider zuviel unterwegs ;-).

  • Gefällt 1
Link zu diesem Kommentar
gutenberger

 

Und: Blickt man in Eriks Reiseplan, ist er für eine Lehre leider zuviel unterwegs

Und: würde die sich vermutlich auch sehr gut bezahlen lassen ...

Link zu diesem Kommentar
Martin Z. Schröder

Erik Spiekermann gibt Workshops. Die Hochschulen tun sich schwer mit Bleisatz. An der FH Potsdam gibt es eine kleine Setzerei, an deren Einrichtung ich beteiligt war und dort auch eine Weile unterrichtete. Soviel ich weiß, ist die Werkstatt in Betrieb. Die Media-Design-Hochschule in Berlin hat eine Werkstatt (die ich auch mit eingerichtet habe), zur Zeit gibt es es dort keinen Betrieb, der Fortgang ist etwas ungewiß. Die Münchener Niederlassung betreibt ihre Werkstatt dagegen sehr rege, dort unterrichtet Peter Gericke. Im Hamburger Museum der Arbeit gibt es einen regelmäßigen Workshop-Betrieb für Schüler, Volkshochschüler und Studenten. Ich glaube, das Leipziger Museum für Druckkunst kooperiert mit der Hochschule für Grafik und Buchkunst.

Wahrscheinlich sehe ich den Wald vor Bäumen nicht: Warum spielt es für die Arbeit und den Entwurf eine Rolle, daß man den Weißraum im Buchdruck materiell verarbeitet?

 

In meinem Unterricht habe ich besonderes Augenmerk auf den Versalausgleich gerichtet. Das ist Bestandteil aller meiner Einführungskurse für Erwachsene, weil sich die Anstrengung, feine Seidenpapierspäne zwischen kleine Buchstaben zu stecken und das immer wieder zu korrigieren, auf die digitale Arbeit auswirkt. Wer das vorher gar nicht gemacht hat, lernt die Versalzeile neu zu sehen und zu beurteilen, und wer es vorher schon gemacht hat, lernt zu schätzen, wieviel Aufwand früher von guten Setzern damit betrieben wurde. Fortgeschrittene Schüler lernen, wie man im Bleisatz einen glatten Satz (Blocksatz) herstellt, wofür ein umfangreiches Regelwerk besteht, weil die Wortzwischenräume nach typografischen Kriterien verengert oder erweitert werden. Die Erfahrung für das digitale Arbeiten besteht auch hier in einem kritischeren Blick. Die dritte Erfahrung, die man aus dem Bleisatz mitnehmen kann, ist das Arbeiten unter eingeschränkten Bedingungen. Man muß viel mehr planen als bei der digitalen Arbeit, weil man Satzbreiten und Schriftgrößen nur unter großem Aufwand ändern kann. Der Bleisatz zwingt dazu, vor Beginn des Satzes das fertige Bild der Arbeit vor Augen zu haben.

Um gute Typografie zu machen, ist das Handwerk nicht nötig. Es gab vor dem Bleisatz gute kalligrafische Arbeit, es gab während der Bleisatzzeit gute Grafiker und Typografen, die keine Setzerausbildung hatten, und es gibt heute gute digitale Typografie von Leuten, die nie eine Letter in der Hand gehalten haben.

Ein Vorzug des Handwerkes ist die Unabhängigkeit im Arbeitsprozeß, die einen am Ende mit Freude erfüllt. Man entwirft, setzt, berechnet und schneidet Papier und druckt selbst, und am Ende ist man der Besitzer eines eigenen Werkes, in dem es keine versteckten elektronischen Prozesse gegeben hat. Es ist gewissermaßen eine Selbstermächtigung, die man zwar an sich kennt, wenn man sich ein Essen kocht oder Gemüse anbaut oder die Wohnung putzt oder sein Fahrrad repariert, aber dieses Erleben im eigenen Metier ist für den Typografen ein besonderer Genuß. Es ist übrigens auch für den Lehrer immer ein lohnender Moment, wenn der Schüler seinen ersten guten Druck in der Hand hält und man seinem Gesicht ansehen kann, daß er gerade ganz bei sich und seinem Werk ist. Am meisten hat mich das mal an einem 10jährigen Schüler berührt, der über Monate seine eigenen Gedichte setzte, druckte und mit einer Fadenknotenheftung zusammenband. Dann saß er erschöpft und glücklich mit einem kleinen Stapel seiner Hefte neben der Druckpresse.

  • Gefällt 5
Link zu diesem Kommentar
StefanB

Im Studium kommt das zu kurz, andere Dinge sind wichtiger als elementare Grundlagen (es gibt natürlich Ausnahmen, beispielsweise Zürich, dort wird noch Handsatz gelehrt)

Ich würde den Bleisatz im 21. Jahrhundert nicht mehr als »elementare Grundlage« bezeichnen. Sicherlich ist der Umgang mit Schrift und Typografie für einen Gestalter von großer Bedeutung, aber das hat mit der (Druck-)Technik nur mittelbar zut tun.
Link zu diesem Kommentar
jonnestorius

Wahrscheinlich sehe ich den Wald vor Bäumen nicht: Warum spielt es für die Arbeit und den Entwurf eine Rolle, daß man den Weißraum im Buchdruck materiell verarbeitet?

 

Lieber Martin, verzeih’ meine womöglich etwas zu unkonkret hingeworfene Aussage. Ich meinte damit eher eine bestimmte Erfahrung, die du selbst als »Rückauswirkung« formulierst.

Ansonsten beschreibst du – fast etwas erschreckend – in deinen »Drei Erfahrungen« Wort für Wort, was ich in meiner Ausbildung als Lücke empfinde. Ich kann dem nichts mehr hinzufügen und es nur genauso stehen lassen. Punkt.

 

Ich würde den Bleisatz im 21. Jahrhundert nicht mehr als »elementare Grundlage« bezeichnen. Sicherlich ist der Umgang mit Schrift und Typografie für einen Gestalter von großer Bedeutung, aber das hat mit der (Druck-)Technik nur mittelbar zut tun.

Martin hat es ja auch schon angesprochen: sicherlich ist für gute Typografie das Handwerk, die »elementaren Grundlagen«, nicht nötig.

Ich wage den Vergleich zu den Fotografen, weil er sich praktisch aufdrängt: die Arbeit in der Dunkelkammer zu beherrschen macht aus Fotografen keine besseren Fotografen (Henri Cartier-Bresson hat weder Filme entwickelt noch selbst Abzüge gemacht). Auch nicht in der Digitalfotografie. Aber: wer mit einer analogen Kamera Zonensystem, Kontrastumfang oder Tonwertwiedergabe beherrscht, der geht mit seiner digitalen Kamera und den Möglichkeiten der digitalen Dunkelkammer anders um. Die Fotos mögen damit nicht besser werden, aber der Fotograf ist für sich selbst auf eine andere Art Teil des gestalterischen Prozesses.

  • Gefällt 2
Link zu diesem Kommentar
Lars Kähler

Das Druckprinzip bestimmt die Typografie, nicht umgekehrt. Denkt bitte zurück an die Zeit, als mit der Einführung des Fotosatzes eine Barriere des Bleisatzes nach der anderen fiel. Entscheidend waren dabei aber nicht die neuen Möglichkeiten in Sachen Typografie, die nun möglich waren, sondern die Marktdurchdringung des Offsets.

 

In puncto Geschwindigkeit und damit Kosten von Anfang an überlegen, machte er sich durch die Standardisierung des Verfahrens und auch die heutzutage erreichbare Volltondichte endgültig konkurrenzlos. Heutzutage haben Buchdruck und Handsatz nur marginale wirtschaftliche Bedeutung, ein Nischenprodukt eben. Bücher, wenn überhaupt noch gelesen, werden im Offset gedruckt.

 

Nichtsdestotrotz sollte man sich gern auf die Wurzeln dieses stolzen Handwerks besinnen. Es leuchtet mir ein, dass die vielbeschworene Haptik in der Tat eine elementare Rolle spielt. Wer einmal eine Englische Schreibschrift im Original gesehen hat, erstarrt vor Ehrfurcht und Respekt. Es ist überwältigend. Diese ganzen Überhänge, Ligaturen und Sonderbuchstaben haben im DTP eigentlich erst mit der Einführung der Zapfino eine adäquate Entsprechung gefunden.

 

Versalausgleich ist zwar im Handsatz eine mühevolle Angelegenheit, war aber dennoch selbstverständlich, weil der zugrundeliegende Qualitätsanspruch gar nicht in Frage gestellt wurde. Niemand außer gelernten Schriftsetzern war überhaupt berechtigt oder auch nur in der Lage, Buchstaben aneinanderzureihen und dann auf dem Satzschiff auszuschließen.

 

Der Qualitätseinbruch, den DTP in den ersten Jahren mit PageMaker und auch Quark satztechnisch verbrochen hatte, ist heute mit InDesign längst überwunden. Die erreichbare Satzqualität ist der des Handsatzes himmelhoch überlegen – auch im Versalausgleich.

 

Und doch – es gibt sie auch heute noch: diese wunderbare Faszination, die von original gedruckter Handsatztypografie ausgeht und die sich dem Kenner auf den ersten Blick erschließt. Der »Quetschrand«, eigentlich ein Fehler bzw. eine Schwäche des Druckverfahrens, führt dazu, dass die Buchstaben auf Grund der höheren Farbdichte an den Kanten besser lesbar sind.

 

Ich halte es für eine gute Idee, diesem Thema ein ganzes Semester zu spendieren, wenn es geht, das ist immer noch sehr wenig Zeit dafür, eigentlich viel zu wenig. Aber etwas mehr als ein paar selbstgedruckte Gedichte wirst Du damit schon erreichen können. Welchen Studiengang hast Du denn eigentlich wo belegt? Bist Du örtlich wirklich flexibel?

  • Gefällt 2
Link zu diesem Kommentar
Martin Z. Schröder

Bücher, wenn überhaupt noch gelesen, werden im Offset gedruckt.

Auch Bücher werden zunehmend digital in guter Qualität gedruckt, der Offset ist auf rasantem Rückmarsch.

 

Wer einmal eine Englische Schreibschrift im Original gesehen hat, erstarrt vor Ehrfurcht und Respekt. Es ist überwältigend. Diese ganzen Überhänge, Ligaturen und Sonderbuchstaben haben im DTP eigentlich erst mit der Einführung der Zapfino eine adäquate Entsprechung gefunden.

Das »Original« ist die handgeschriebene Anglaise. Als Bleiletter ist die Schrift zwar hochempfindlich, aber eben auch nur Imitat von Kalligrafie und als Satzschrift immer nur schwache Kopie.

 

Versalausgleich ist zwar im Handsatz eine mühevolle Angelegenheit, war aber dennoch selbstverständlich, weil der zugrundeliegende Qualitätsanspruch gar nicht in Frage gestellt wurde.

 

Der Qualitätseinbruch, den DTP in den ersten Jahren mit PageMaker und auch Quark satztechnisch verbrochen hatte, ist heute mit InDesign längst überwunden. Die erreichbare Satzqualität ist der des Handsatzes himmelhoch überlegen – auch im Versalausgleich.

Leider gab es auch im Bleisatz oft genug schlechte Arbeit, der Versalausgleich war nicht selbstverständlich für alle. Eine Überlegenheit von einem technischen Satzverfahren im Versalausgleich gibt es nicht. Überlegen ist der digitale Satz beim Unterschneiden, wenn man beispielsweise mit fetten Schriften dichte ornamentale Satzbilder erzeugen möchte. Das geht im Bleisatz nur sehr eingeschränkt.

Link zu diesem Kommentar
jonnestorius

Gut geschrieben, Lars, und sicher den Kern der »Problematik« treffend. Man kann es bestimmt im analogen wie im digitalen Bereich mit dem richten Maß an Gespür und Feinsinn zu Meisterschaft bringen, auch ohne Kenntnisse vom jeweils anderen Bereich. Darüber muss man nicht diskutieren, glaube ich, jeder hat da eine eigene Meinung.

Die eigene Befriedigung durch die Arbeit ist aber ein Aspekt, bei dem sich offenbar beide Bereiche nicht so einfach trennen lassen.

 

Ich halte es für eine gute Idee, diesem Thema ein ganzes Semester zu spendieren, wenn es geht, das ist immer noch sehr wenig Zeit dafür, eigentlich viel zu wenig. Aber etwas mehr als ein paar selbstgedruckte Gedichte wirst Du damit schon erreichen können. Welchen Studiengang hast Du denn eigentlich wo belegt? Bist Du örtlich wirklich flexibel?

Ich studiere im Master Kommunikationsdesign an der FH Bielefeld, Schwerpunkt Typografie, und war davor in Mainz. Wie viel Zeit ich dem Thema spendieren kann, dass muss ich erst noch klären. Am liebsten wäre mir natürlich eine dauerhafte Tätigkeit »nebenher« und vor Ort, aber die Möglichkeiten – ohne jemanden diskreditieren zu wollen – sind hier sehr gering. Soweit es also finanziell machbar ist, bin ich flexibel.

Link zu diesem Kommentar
StefanB

Der »Quetschrand«, eigentlich ein Fehler bzw. eine Schwäche des Druckverfahrens, führt dazu, dass die Buchstaben auf Grund der höheren Farbdichte an den Kanten besser lesbar sind.

Ich habe es jetzt mehrmals gelesen und verstehe immer noch nicht, wie der Quetschrand, der die klaren Buchstabenformen deformiert, einen positiven Einfluss auf die Lesbarkeit haben soll. Magst du uns das vielleicht erklären?

Link zu diesem Kommentar
Martin Z. Schröder

Ich habe es jetzt mehrmals gelesen und verstehe immer noch nicht, wie der Quetschrand, der die klaren Buchstabenformen deformiert, einen positiven Einfluss auf die Lesbarkeit haben sollte. Magst du uns das vielleicht erklären?

Nach der Theorie wird durch diese Unregelmäßigkeiten und die ganz leichte Dreidimensionalität durch die schwache Einprägung der Lettern das Auge beim Lesen weniger ermüdet. Prüfen kann man das kaum, und diese Wirkung steht wahrscheinlich nach allen anderen Aspekten der Lesefreundlichkeit eines Textes. Wenn man allerdings eine wirklich gute Drucksache in der Hand hat, an der alles stimmt, dann kann der Buchdruck ein i-Tüpfelchen sein, das einem das Herz höherspringen läßt.

Link zu diesem Kommentar
StefanB

Nach der Theorie wird durch diese Unregelmäßigkeiten und die ganz leichte Dreidimensionalität durch die schwache Einprägung der Lettern das Auge beim Lesen weniger ermüdet.

Okay, den Ansatz kann ich nachvollziehen. Er scheint mir allerdings auf sehr wackeligen Beinen zu stehen und dürfte auf die Lesbarkeit tatsächlich nur einen äußerst marginalen (d. h. nicht messbaren) Einfluss haben.

 

Wenn man allerdings eine wirklich gute Drucksache in der Hand hat, an der alles stimmt, dann kann der Buchdruck ein i-Tüpfelchen sein, das einem das Herz höherspringen läßt.

Dem kann ich nichts hinzufügen.
Link zu diesem Kommentar
gutenberger

Naja, das ist ja alles gut und schön, aber im Grunde interessiert das doch heute nur noch eine verschwindend geringe Minderheit und ein paar aussterbende Bibliophile. Gut gemachter Computersatz ist dem Bleisatz ökonomisch und ästhetisch nun mal haushoch überlegen und dadurch ist Bleihandsatz im Grunde heutzutage nur noch was für Selbstfindungstrips, Freunde handwerklicher oder historischer Beschäftigung reinster Art, Bibliophile konservativer Anschauung, Künstler und ähnliche Randgruppen. So ist das eben einfach mit dem Fortschritt, egal ob man das nun toll findet oder nicht.

Meiner Erfahrung nach ist der Reiz am Bleisatz und Buchdruck zumindest bei den meisten meiner Praktik- und Kursanten eine Mischung aus der Freude am ursprünglichen handwerklichen Selbermachen (also dem "richtig arbeiten mit schmutzigen Fingern" statt nur Tastaturen zu bedienen) und dem Spaß am Ausleben einer gewissen Kreativität, der aber klare Regeln und Grenzen durch die Technologie gesetzt sind. Und das ist der eigentliche Unterschied zum Computer: Du hast eben nicht tausende Schriften mit abermillionen Gestaltungsmöglichkeiten, sondern musst halt aus einem in der Regel sehr limitierten Haufen Blei oder Holz was machen ... Das kommt vielen erstaunlicherweise entgegen, vermutlich weil das Spielfeld überschaubarer ist. Und gerade die Leute, die normalerweise am Computer mit Design oder gar Typografie beschäftigt sind, erfreuen sich im Laufe der Arbeit genau an dieser Einschränkung ihrer gewohnten Möglichkeiten am meisten ... weil sie das natürlich ganz anders herausfordert und zu anderen Lösungen zwingt, die sie vom Computer gar nicht kennen. Plötzlich können sie sich am eigentlich "Unvollkommenen" begeistern - eine eigentlich unpassende Schrift, ein angestoßener oder schlecht gedruckter Buchstabe, ein Spieß oder ein fehlender Buchstabe, der ersetzt werden muss ...
Und genau das ist es ja auch, was die meisten Grafikdesigner an "Letterpress" so toll finden und nutzen: Das Anders-Sein. Zuviel Druck. Angestoßene Holzlettern. Schriften, die man digital kaum sieht. Und so weiter ... Mir geht es auch so: am Computer arbeite ich eher klassisch, in Blei und Buchdruck viel lieber experimentell.
In Bleisatz/Buchdruck mit klassischen Qualitätsvorstellungen mit modernen Technologien konkurrieren zu wollen, kann nur noch in ganz kleinen Nieschen und im Grunde auch nur unter Zuhilfenahme eben dieser neuen Technologien gemacht werden. Niemand kann mit 50 Jahren alten Schriften auf 70 Jahre alten Maschinen dauerhaft qualitativ und ökonomisch sinnvoll mithalten und sich auch nicht (zumindest dauerhaft, in einzelnen Sternstunden klappt es sicher schon noch gelegentlich) mit den richtig guten Buchdruckereien aus dem 20. Jahrhundert vergleichen. Das geht nur unter Zuhilfenahme von Computersatz, Klischee- oder Nyloprintnutzung etc. oder man hat noch andere Einnahmequellen wie einen Lehr- oder Museumsbetrieb oder einen Sponsor oder anderweitig verdientem Geld.
Ich finde es aber gar nicht schlimm, dass ein unvollkommener Handabzug an der Nudel beispielsweise selbst bei normalen Dorf-Schülerinnen, die keine grafische Karriere anstreben, eine gewisse Begeisterung auslöst, weil sie das erstens wirklich selber (und nicht irgendein elektronischer Kasten) gemacht haben und zweitens das Ergebnis ganz anders aussieht als das, was jeder Laie aus dem Tintenstrahler oder Laserdrucker zieht - so unvollkommen, so "wild und gefährlich" bekommen das Laien am Computer ja gar nicht hin und Profis müssen dafür hart arbeiten ... Und das muss man den Dorfschülern nicht mal erklären, das sehen die ganz alleine! Ist doch schön, dass eine aussterbende Technologie nun wenigstens so noch eine Rolle spielen kann.
Womit ich nichts gesagt habe gegen diese halt leider immer kleiner werdende Minderheit, die noch richtig guten Buchdruck schätzt und fördert ... aber von denen können halt nur ein paar Visitenkartendrucker leben und das sicherlich auch nicht mehr ewig. Insofern ist die "Letterpresswelle" mit ihren ganz anderen ästhetischen und handwerklichen Positionen schon ein frischer Wind, der einem Sterbenden nochmal ein paar nette Momente beschert. Das wird nichts dran ändern, dass es in zehn oder zwanzig Jahren kaum noch jemanden geben wird, der noch "richtig Buchdruck" kann. Dann gibts vermutlich nur noch ein paar Museen mehr und eventuell überleben auch ein paar künstlerische Druckwerkstätten für Holz- und Linolschnitt, wo noch ein bissel Schrift in der Ecke zu Anschauungszwecken rumgammelt ... 
Man braucht ja nur mal zu schauen, was es noch VOR zehn oder zwanzig Jahren alles im Buchdruck-Bleisatzbereich gegeben hat! Kleiner Trost: 500 Jahre sind ja auch keine ganz schlechte Lebens-Zeit für eine Technologie ... da sind andere wesentlich schneller und "gründlicher" gestorben.

  • Gefällt 6
Link zu diesem Kommentar
Lars Kähler

<http://www.silverhaze.net/stefanklaassen/drucktechnik/bilder_web/hochdruck/Quetschrand.png>

 

zeigt sehr deutlich, wie sich dieser Quetschrand optisch bemerkbar macht: Durch das Hinausdrücken der Farbe an den Kanten wird eine eine erhöhte Menge an Pigment aufgebracht, wodurch an den Umrisskanten der Bleisatzletter eine gut lesbare Kontur entsteht.

Link zu diesem Kommentar
  • 3 Wochen später...
Boston Presse

Kein Bleisatz aber Handpressendruck mit historischen Maschinen  macht Karl-Heinrich Redecker in 32049 Herford.Außerdem werden nach Absprache Tages-Schulungen angeboten.

Link zu diesem Kommentar
gutenberger

Sehr hilfreich, wenn explizit nach Druckereien mit Schwerpunkt Bleisatz gefragt wird ... reine Nyloprint- oder "Letterpressdrucker" gibt es noch viel mehr.

Link zu diesem Kommentar

Erstelle ein Benutzerkonto oder melde dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Benutzerkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Benutzerkonto erstellen

Neues Benutzerkonto für unsere Community erstellen. Es ist einfach!

Neues Benutzerkonto erstellen

Einloggen

Du hast bereits ein Benutzerkonto? Melde dich hier an.

Jetzt anmelden

Unsere Partner

Entdecke hunderte Font-Sonderangebote.
FDI Type Foundry besuchen
Mit über 130.000 Fonts der größte Schriften-Shop im Internet.
Hier beginnt deine kreative Reise.
Unterstütze den Fortbestand der Community und sichere Dir Zugang zu einem ständig wachsenden Angebot an exklusiven Inhalten.
×
×
  • Neu erstellen...

🍪 Hinweis:

Wir benutzen funktionale Cookies.