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Schaftstiefelgrotesk?

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Philipp
Ich habe etliche der Schriften und kann dazu sagen, daß die Schriften randscharf diditalisiert sind

Gut zu wissen. Weiß auch jemand, wie das mit der Qualität und Rechtslage der Schriften von fraktur.de aussieht?

Aber vorsicht, die Bruchschriften haben eine eigentümliche Belegung, speziell für Fraktursatz mit lang s und Ligaturen (lch auf c, rundes s auf +, langes s auf s, c auf $, st auf # usw.)

Welche Belegung ist in dem Bereich nicht eigentümlich, da kocht doch jeder sein eigenes Süppchen?

Solange die Lizenz gestattet, daß ich es mir umsortiere und OT-Ligaturen definiere, ist es mir recht.

Das merken die Leute schon, dass irgendetwas nicht so recht passen will

Treffend illustriert, was ich ausdrücken wollte -- danke! :D

(Hm, machen wir jetzt Festpspiele daraus? Hoffentlich überfordert wir die Schüler nicht mit der Organisation ... :wink: )

letterfetish.gif

schlecht gekernt – ich weiss :?

Ich mag diese Alpengipfelpanoramalinie an der Grundlinie bei diesem Spacing! :)

Sollte ich auch ein Statement in der Diskussion dahinter sehen?

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Flosemann

Philipp hat folgendes geschrieben:

Gut zu wissen. Weiß auch jemand, wie das mit der Qualität und Rechtslage der Schriften von fraktur.de aussieht?

Es gibt nur wenige „eigene“ Schriften von Fraktur.de (der VFL GbR). Es wird dort aber angeboten, die vorhandenen Schriften der Kunden (Nachweis der Lizenz oder Kaufbelege) gegen eine Gebühr in die spezielle „F-Belegung“ umzuwandeln, eine einheitliche Belegung, die dann mit dem Umwandlungsprogramm „Frakturmeister“ aus normaler Schreibung einwandfreien Fraktursatz macht, einschließlich lang s / rund s und Ligaturen. Die Qualität der F-Schriften hängt daher davon ab, wie gut ode schlecht die Ausgangsschrift ist.

Auch hier ist Vorsicht geboten, da z.B. Gerhard Helzel in seinen Geschäftsbedingungen das Umtauschen seiner Schriften in andere Belegungen (speziell in die F-Belegung) ausdrücklich verbietet. Andere Schriftenhersteller haben wohl auch ähnliche Bedingungen.

Es gibt bei Fraktur.de wohl eine Vereinbarung mit Dieter Steffmann, daß seine Schriften, die ja freeware sind, auch alle in der F-Belegung erhältlich sind (?)

"Eigendigitalisierungen“ sind u.a. Post-Fraktur mager und fett jeweils mit Zierversalien, Rhapsodie mit Zierversalien, Weiß-Gotisch und -Rundgotisch, Schönsperger Fraktur.

Ich hoffe, damit eine Entscheidungshilfe gegeben zu haben.

Flosemann

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Flosemann

Noch ein Nachtrag zu Fraktur.de und dem Frakturmeister. Dieses Programm wandelt die Schreibweise in der Zwischenablage um und kann daher mit jedem Textprogramm (und den entsprechenden Schriften)benutzt werden. Der „Ligaturix“ (für DS-Schriften von Fraktur.com) arbeitet nur mit Word zusammen.

Und noch ein Wort zu den Schriften: Auch sie sind randscharf digitalisiert. Sie haben alle die gleiche Ausstattung an Ligaturen, auch wenn es im Originalschnitt diese Ligaturen nicht gab. Für Puristen sind daher eher die Helzelschriften zu empfehlen, da diese nur nach den Originaltypen gefertigt sind. Außerdem gibt es hier teilweise die gleiche Schrift in mehreren Schnitten (kleiner mit breiteren Buchstaben und größerer Laufweite, größer mit schmaleren Buchstaben und geringerer Laufweite).

Flosemann

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Philipp

Super, dankeschön!

Purist bin ich sicherlich nicht; gegen zusätzliche Glyphen habe ich absolut nichts, wenn sie so gemacht sind, daß man sie für Original halten kann, wenn man die Originalsätze nicht kennt.

Irgendwelche Windows-Tools sind mir auf dem Mac egal; ich habe meine angepaßte Tastaturbelegung und es reicht mir, wenn die Lizenz mir erlaubt, den Font für die private Nutzung anzupassen (eben OT-Ligaturen definieren, wo diese fehlen ...).

Noch eine letzte Frage: weißt Du, ob FVL die Schriften anhand der kleinen oder der großen Schnitte digitalisiert hat?

Noch einmal besten Dank!

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Hypathia
Es wäre besser gewesen, Du hättest ein neutraleres Wort genommen. Die Bezeichnung Schaftstiefelgrotesk ist ein K®ampfbegriff und wird nur polemisch verwendet. Mir bekannt ist auch kein Aufsatz, der dies mit Argumenten aus der Form heraus begründet. Ich kann da nichts Militärisches oder Nazihaftes erkennen, wenn man ausblendet, dass Fraktur oder Gotisch gerne verwendet wird, um Nazis zu symbolisieren, und dadurch erst im Nachhnein ein falsches Bild entstanden ist.

Hallo Philipp,

Wieso eigentlich nicht?

Erstens, die Bezeichnung »Schaftstiefel« hat schon seine Berechtigung. Diese Schrift ist nicht identisch mit den Frakturen, die zuvor verwendet wurden. Die extreme Reduzierung auf fette gerade, vorzugsweise senkrechte linien, alle gleich dick, sowie die bis zum Exzess getriebene Abwesenheit jedweder Rundungen, et cetera, erinnern stark an die Form der Schäfte von Wehrmachtsstiefel und hat typographisch ungefähr den Charme einer SS-Rune.

Zweitens, die meisten Schriften aus dieser Familie sind merkwürdigerweise in der Zeit der NS-herrschaft entstanden, vorzugsweise in den 30er Jahren, gemacht von Menschen, die genau wußten was den NS-Herren gefällt und wie sie sich bei diesen anbiedern können. Und zumindest bis 1940 hat das ja auch vortefflich funktioniert.

Drittens, daß diese Schriften im Zorn gemacht wurden, erkennt man ja auch schon an deren Namen. Die prominenteste Vertreterin dieser Schriften ist wohl die »Tannenberg«, allein schon bei diesem Namen springt mir das Messer in der Tasche auf! Tannenberg war kein großer deutscher Dichter, kein Musiker und auch kein Wissenschaftler, sondern war eine Schlacht aus dem Jahre 1914 (erster Weltkrieg). Nach dieser Schlacht wurde nicht nur diese Schrift, sondern auch die »Operation Tannenberg« benannt, mit der unter Beteiligung der SS der 2. Weltkrieg angezettelt wurde. Und schließlich wurde ebenfalls ein Führerhauptquartier nach Tannenberg genannt. Mit einem Wort: dieser Name stinkt nach Aas und Luder!

Viertens, der Seitenhieb auf die angebliche Diffamierung der Frakturen als NS-Schrift war, mit Verlaub, suboptimal! Gebildete Menschen wissen selbstverständlich, daß die Frakturen im Jahre 1941 auf Befehl des Führers daselbst und höchstpersönlich zur sogenannten »Schwabacher Judenletter« umbenannt und verboten wurden. Frakturen als NS-Schriften zu bezeichnen ist eben darum per se ein Unsinn sonder gleichen! Bei dieser einen Schrift aber, da mache ich eine Ausnahme, die ist eine.

Und fünftens, sie gefällt mir nicht. Sie ist einfallslos und langweilig, sie hat überhaupt keinen Charme.

Servus!

Hypathia

2483_dubistdeutschland35_1.jpg

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Bleisetzer

Ganz allgemein gibt es zum Thema "NS-Schriften" hier im Typoforum eine ganze Reihe ausführlicher, kontroverser Diskussionen, die sogar so etwas ähnlichem wie einem einvernehmlichen Resultat geführt haben. Zu finden über die Such-Funktion.

Speziell zum Thema der Stempel-Schrift "Tannenberg" gibt es sehr interssante Original-Literatur aus den Typograhpischen Nachrichten von 1934 und eine diese dort wiedergegebenen Beiträge berücksichtigende Diskussion hier.

Letztendlich möchte ich darum bitten, hier nicht schon wieder politische Diskussionen anzustoßen, indem der Begriff "Tannenberg" hier historisch falsch interpretiert wird. Wohin das führt, haben wir in der letzten Woche erleben müssen. Und ich hoffe doch nicht, daß es hier mit einem "Neuen Teilnehmer" zu einer Neuauflage dieser Diskussion kommen soll?

Georg

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Sandra

Wer die Tannenberg und die andeeren hässlich findet, ist mit Tschichold, Willberg und bestimmt anderen in keiner schlechten gesellschaft. Wenn ich die Schrift sehe, sehe ich auch marschierende Stiefel, mit der schönen Fraktur oder der Schwabacher oder Gotsich usw. hat das nichts mehr zu tun.

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Poms

Von den Gestaltungsmerkmalen einer Schrift reflexartig auf "Politik und Moral" schliessen zu müssen, ist doch kontraproduktiv. - Kantig, spitz, Black/Bold == Schwert, Tod, Rassenhass -

Ist die "Amplitude" ein Symbol für die neokapitalistische Globalisierung und darf darum nicht verwendet werden? Fördert die "Helvetica" das Soldatentum, weil ihre Buchstaben wie ein Regiment auf dem Exerzierplatz aufgestellt sind. Ist die "Futura" unten durch, weil sie auf großdeutschen Werbungen der 1940er Jahre auftauchte?

Ja, diese fein "ziselierten, historisierenden" Frakturschriften, Ende 19 Jahrhundert. Aus welchem emotionalen Pool wurden diese gespeisst. Aus der Feinfühligkeit eines schwärmerischen Herzens oder der preussischen Pickelhaube?

So einfach ist das alles nicht.

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Hypathia

Daß deses Thema kontrovers diskutiert wird, ist zutreffend. Aber das ist nicht nur hier so, das habe ich auch anderenortes schon erlebt. Grundsätzlich aber glaube ich doch, daß wir einig sind, daß die Fraktur nicht per se eine NS-Schrift ist, und sei es nur darum, weil die Frakturen schon alt waren als die NS-Bonzen noch jung waren. Gleichwohl gibt es da eine handvoll Schriften, die sehr wohl in die Zeit passen. Zumeist sind diese Schriften schon rein äußerlich zu erkennen: irgend wie sehen die aus, als seinen die mit dem Kakenkreuz statt mit einer Feder gezeichnet worden zu sein.

Servus!

Hypathia

PS.

Was die Neuauflage irgend welcher Diskussion hier betrifft, so ist das vorzugsweise eine Frage des guten Tons. Ich jedenfalls werde nicht die erste Verbalinjurie hier schreiben. Ich werde warhscheinlich noch nicht einaml mit Verbalinjurien antworten, wenn man mir mit solchen kommt, dafür hat mich meine Mutter nämlich viel zu gut erzogen. Aber hüte Dich vor meinem Zynismus, denn der ist scharf wie ein Rettich.

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FlorianG
Ist die "Amplitude" ein Symbol für die neokapitalistische Globalisierung und darf darum nicht verwendet werden? Fördert die "Helvetica" das Soldatentum, weil ihre Buchstaben wie ein Regiment auf dem Exerzierplatz aufgestellt sind. Ist die "Futura" unten durch, weil sie auf großdeutschen Werbungen der 1940er Jahre auftauchte?

Ja, diese fein "ziselierten, historisierenden" Frakturschriften, Ende 19 Jahrhundert. Aus welchem emotionalen Pool wurden diese gespeisst. Aus der Feinfühligkeit eines schwärmerischen Herzens oder der preussischen Pickelhaube?

Das war sehr anschaulich und einleuchtend! Ich halte es für nur natürlich, dass z. B. Tschichold, der von den Nazis vertrieben wurde, und Willberg, der womöglich noch zu irgend etwas Militärischem eingezogen wurde, mit Abscheu auf die ›Schaftstiefelgrotesken‹ blickten. Aber was man in diesen Schriften an Militärischem sehen will, hängt m. E. doch sehr vom Auge und vor allem vom historischen Wissen des Betrachters ab und weniger von der eigentlichen Form.

Beste Grüße

FlorianG

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Bleisetzer
Ist die "Amplitude" ein Symbol für die neokapitalistische Globalisierung und darf darum nicht verwendet werden? Fördert die "Helvetica" das Soldatentum, weil ihre Buchstaben wie ein Regiment auf dem Exerzierplatz aufgestellt sind. Ist die "Futura" unten durch, weil sie auf großdeutschen Werbungen der 1940er Jahre auftauchte?

Ja, diese fein "ziselierten, historisierenden" Frakturschriften, Ende 19 Jahrhundert. Aus welchem emotionalen Pool wurden diese gespeisst. Aus der Feinfühligkeit eines schwärmerischen Herzens oder der preussischen Pickelhaube?

Das war sehr anschaulich und einleuchtend! Ich halte es für nur natürlich, dass z. B. Tschichold, der von den Nazis vertrieben wurde, und Willberg, der womöglich noch zu irgend etwas Militärischem eingezogen wurde, mit Abscheu auf die ›Schaftstiefelgrotesken‹ blickten. Aber was man in diesen Schriften an Militärischem sehen will, hängt m. E. doch sehr vom Auge und vor allem vom historischen Wissen des Betrachters ab und weniger von der eigentlichen Form.

Beste Grüße

FlorianG

Wenn eine Schrift politisiert wird, dann müssen wir doch auch den Koryphäen der Typographie ihre natürliche Autorität nehmen, wenn sie eine politisch-motivierte Emotion von sich geben, die eben nicht aus ihrem Sachgebiet kommt.

So gesehen besagt es also weniger wenn die Herren Tschichold und Willberg aus subjektiv empfundener Abneigung heraus negativ werten, als wenn ein politisch Interessierter Laie oder ein Historiker sich zu diesem Thema äußert.

Auch ist eine Assoziation des Wortes "Tannenberg" nicht sinnvoll. Der Nationalsozialismus hat alle und alles mißbraucht, auch das Wort "Tannenberg". Der Schriftname jedoch knüpft an an die gewonnene Schlacht bei Tannenberg zu Beginn des Ersten Weltkrieges und nicht an irgendwelche SS-Aktionen. Ließe man eine solchen Vergleich zu, dann wären Vegetarier Nazis, denn der "Führer" aß kein Fleisch. Solche Zusammenhänge herzustellen, ist also für eine jegliche Diskussion kontra-produktiv.

Georg

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Sandra
Ich halte es für nur natürlich, dass z. B. Tschichold, der von den Nazis vertrieben wurde, und Willberg, der womöglich noch zu irgend etwas Militärischem eingezogen wurde, mit Abscheu auf die ›Schaftstiefelgrotesken‹ blickten. Aber was man in diesen Schriften an Militärischem sehen will, hängt m. E. doch sehr vom Auge und vor allem vom historischen Wissen des Betrachters ab und weniger von der eigentlichen Form.

Florian, würdest Du wirklich Tschichold und Willberg unterstellen, dass sie nicht wussten, wer welche Schrift wann und warum eingesetzt hat? Die Nazis haben doch auch schöne Frakturen verwendet, sie haben auch die Futura und ähnliche verwendet, Hitler und Speer waren mehr klassizistisch orientiert als gotisch oder sogar "neugotisch", aber nie haben Willberg oder Tschichold sich deshalb gegen Klassizismus oder Moderne (Bauhaus) geäussert. Sie haben der Schaft...schrift deren Grobheit vorgeworfen. Wo die Serifenlosen oder die Klassizistichen an Eleganz gewinnen weil eine Linie grade zu sein SCHEINT, da sind die Schaftstifelschriften brachial grade. Oder?

Noch eine ganz andere Frage zu den Schaftstiefelgrotesken: Wurden die auch von anderen eingesetzt, wenn es so zeitgemaess gewesen war? Haben die Kommunisten und Sozialisten mit diesen Schriften gearbeitet? Oder war es in der politischen Typografie die Schrift der Rechten?

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Tholan

Noch eine ganz andere Frage zu den Schaftstiefelgrotesken: Wurden die auch von anderen eingesetzt, wenn es so zeitgemaess gewesen war? Haben die Kommunisten und Sozialisten mit diesen Schriften gearbeitet? Oder war es in der politischen Typografie die Schrift der Rechten?

1946 war die „Stuttgarter Erklärung“ der EKD

im „Verordnungs- und Nachrichtenblatt der

evangelischen Kirche in Deutschland“

in der Tannenberg gesetzt.

304_300pxtannenberg_sample_1.jpg

Hier eine absichtlich unkommentierte Gegenüberstellung

von Akzidenz-Grotesk und Tannenberg (gotische Grotesk)

in magerer, halbfetter und kursiver Ausführung.

304_akkzidenzgrotesktannenb_1.jpg

Gruß

Thomas

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Sandra

Lieber Thomas, danke Dir! Meine Frage zielte auf die Dreissiger-Jahre. Wie war es da in der Politik? Nach dem krieg mussten die wohl nehmen, was nicht zerstört war, oder? Und noch eine Frage in dem Zusammenhang: Haben die linken Bauhausleute solche Schriften verwendet? Oder waren die ganz ab von den Grbrochenen?

Grüsse!

Sandra

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Bleisetzer
Noch eine ganz andere Frage zu den Schaftstiefelgrotesken: Wurden die auch von anderen eingesetzt, wenn es so zeitgemaess gewesen war? Haben die Kommunisten und Sozialisten mit diesen Schriften gearbeitet? Oder war es in der politischen Typografie die Schrift der Rechten?

Das ist viel zu klischeehaft gedacht.

Die verwendeten Schriften der Linken und der Rechten in der Zeit von 1918 bis 1945 unterscheiden sich nicht.

Alle Schriftmusterproben von Schriften wie der National oder auch der Tannenberg zeigen Musteranzeigen aus den unterschiedlichsten Branchen: Metallurgie, Industrie, Blumenhändler, Dekorateure - das geht wirklich quer Beet.

Die National stammt von Ludwig & Mayer. Wurde aber parallel von der Schriftguß A.-G. vertrieben. Ich bin im Besitz einer Schriftmuster-Broschüre der National, herausgegeben von der Schriftguß A.-G., in der ein Zettel, zu sehen auf Bild 3, mit einlag:

http://www.bleisetzer.de/cms/front_cont ... &idart=543

Und ich mache der Schriftguß oder L&M oder der Stempel AG überhaupt keinen Vorwurf. Seit es Regime und Regierungen gibt, suchen die Wirtschaftsunternehmen deren Nähe und verhalten sich opportunistisch. Heute nennt man das Lobbyarbeit. Aus welchem Grunde sollten die Schriftgießereien früher anders funktioniert haben? Die Schriftentwerfer nahmen den Zeitgeist auf und setzten ihn in Form einer Schrift um. Nicht anders, als es heute erfolgreiche Schriftenkünstler machen.

Aus heutiger Sicht ist es natürlich sehr einfach - ich meine sogar: simpel - hieraus eine Nazi-Einstellung zu konstruieren.

Meine Meinung:

Der Zweite war nur eine logische Folge des Ersten Weltkrieges. Es konnte nach 1918 gar nicht anders kommen. Nicht nur in Deutschland, sondern in allen europäischen Ländern dachten die Menschen revanchistisch und (immer noch) mehr oder weniger imperialistisch. Und das kam natürlich auch in der Gestaltung durch, also auch in den Schriften. Die Typographen nahmen diese Grundstimmung auf und setzten sie um.

Nichts anderes macht Ihr Mediengestalter heute, wenn Ihr "trendy" zu sein Euch bemüht oder dem "Mainstream" folgt. Ja selbst Euer ewiges Bemühen um Political Correctness ist letztendlich auf dieselbe Ursache zurückzuführen.

Georg

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Bleisetzer
Lieber Thomas, danke Dir! Meine Frage zielte auf die Dreissiger-Jahre. Wie war es da in der Politik? Nach dem krieg mussten die wohl nehmen, was nicht zerstört war, oder? Und noch eine Frage in dem Zusammenhang: Haben die linken Bauhausleute solche Schriften verwendet? Oder waren die ganz ab von den Grbrochenen?

Grüsse!

Sandra

Was gibt Dir denn Veranlassung, von "Die linken Bauhaus-Leute" auszugehen? Das ist doch auch wieder nur Klischee-Denken. Kennst Du Arnolt Bronnen? Der war erst ganz rechts, dann ganz links. Ernst Niekisch? Bolschewist - aber auch Nationalist.

Wenn Du Dir über die 1920er und Teilen der 1930er Jahre ein Urteil bilden willst, dann mußt Du zunächst einmal so ziemlich viel, was Du in der Schule gelernt hast, vergessen, weil es nicht neutral ist. Auch, was Du aus den diversen ZDF-Serien von Guido Knopp meinst hast lernen zu dürfen.

Lies Orginal-Literatur aus dieser Zeit. Lies mal die Hitler-Biographie von Konrad Heiden, geschrieben 1934. Ein Intellektueller, den Du wahrscheinlich aus Deiner jetzigen Sicht "Die linken Bauhaus-Leute" zuordnen würdest.

Georg

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Sandra
(...)Die verwendeten Schriften der Linken und der Rechten in der Zeit von 1918 bis 1945 unterscheiden sich nicht.

(...)

Alle Schriftmusterproben von Schriften wie der National oder auch der Tannenberg zeigen Musteranzeigen aus den unterschiedlichsten Branchen: Metallurgie, Industrie, Blumenhändler, Dekorateure - das geht wirklich quer Beet. (...)

Ich würde gern mal ein sozialdemokartisches Plakat von 1933 mit Schaftstiefelgrotesk sehen. Ich habe so eine Sammlung politischer Plakate, aber die ist aus der DDR, da sind nur linke drin. Die Kommunisten haben manchmal ein bisschen gröbere Schriften in dieser Sammlung, aber die Sozialdemokraten finde ich nur mit Fraktur oder Schreibschriften oder Pinselschriften oder Serifenlose, nie mit Gotischer oder sogar Schaftstiefel. Und auch die Kommunisten haben keine Tannenberg und ähnliche, sondern nur so handgemalte, die nicht ganz so streng gebrochen sind.

Die Musteranzeigen von den Schriftgiessereien, zeigen die auch SPD-Anzeigen oder so was oder nur Produktwerbung? Dass die Giessereien mit allem werben, sagt wenig über die Anwendung, wie sie wirklich war, meine ich. Also konkret noch mal: Welche Partei hat vor 33 Schaftstiefelgrotsk eingesetzt, welche nicht?

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Sandra
Ich hätte „Schaftstiefel" nicht erwähnt, das war aber der Begriff der immer wieder im Forum auftaucht. Außerdem hat Robertmichael das Thema als „neues Thema“ abgekoppelt und die Überschrift eingefügt. Also ist die Beeinflussung leider doch schon da.

Einspruch.

Ich verwende diesen Begriff nie, Thomas auch nicht. Ich spreche immer von den Neu-Gotischen. Als Untergliederung der Gruppe Xa - Gebrochene Schriften - Gotisch. Dieser Begriff entspricht der DIN 16518. Dieses Klassifizierungssystem gibt es übrigens seit Mitte der 1960er Jahre.

Georg

Lieber Georg, woher stammt der begriff "Neu-Gotische"? Es gab doch eine Schrift, die hieß "Neu-Gotisch", sie ist aber eher zierlich und leicht angeschnörkelt und hat senkrechte feine Linien in den versalien wie die Kanzlei-Frakturen, eher eine hübsche. Ich nehme an, dass sie entstand zwischen 1825 und 1875, als die gotischen für Auszeichnungen im Werksatz benötigt wurden. Mich irritiert jetzt, was eigentlich Neugotisch ist.

Alle sind weg samstagabends hier. So ist das, wenn man kleine Kinder hat, da sitzt man dann ganz alleine im Forum rum und wälzt ein paar olle Schriftenbücher.

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Bleisetzer
(...)Die verwendeten Schriften der Linken und der Rechten in der Zeit von 1918 bis 1945 unterscheiden sich nicht.

(...)

Alle Schriftmusterproben von Schriften wie der National oder auch der Tannenberg zeigen Musteranzeigen aus den unterschiedlichsten Branchen: Metallurgie, Industrie, Blumenhändler, Dekorateure - das geht wirklich quer Beet. (...)

Ich würde gern mal ein sozialdemokartisches Plakat von 1933 mit Schaftstiefelgrotesk sehen. Ich habe so eine Sammlung politischer Plakate, aber die ist aus der DDR, da sind nur linke drin. Die Kommunisten haben manchmal ein bisschen gröbere Schriften in dieser Sammlung, aber die Sozialdemokraten finde ich nur mit Fraktur oder Schreibschriften oder Pinselschriften oder Serifenlose, nie mit Gotischer oder sogar Schaftstiefel. Und auch die Kommunisten haben keine Tannenberg und ähnliche, sondern nur so handgemalte, die nicht ganz so streng gebrochen sind.

Die Musteranzeigen von den Schriftgiessereien, zeigen die auch SPD-Anzeigen oder so was oder nur Produktwerbung? Dass die Giessereien mit allem werben, sagt wenig über die Anwendung, wie sie wirklich war, meine ich. Also konkret noch mal: Welche Partei hat vor 33 Schaftstiefelgrotsk eingesetzt, welche nicht?

Nein, natürlich keine Parteienwerbung. Würde Erik Spiekermann für seine Schriften mit Anzeigen für egal welche Partei werben und sich die Sympathie Andersdenkender so verbauen? Wohl kaum. Es sind ausschleißlich Produktanzeigen. Wenn Du magst und ich daran denke, kann ich am Montag ein paar Digitalfotos machen und einstellen. Dich werden die Produkthersteller überraschen, die mit der National und der Tannenberg für sich werben. Und Du kannst fest davon ausgehen, daß diese Unternehmen damals (sehr gerne, da kostenlose Werbung) Ihr Einverständnis erklärt haben zur Veröffentlichung.

Ich hatte Deine Frage nicht auf Parteien direkt bezogen, sondern auf Publikationen. Hier ein paar Buchtitel und die dort verwendeten Schriftarten:

Autobiographie von Ernst Röhm, Geschichte eines Hochverräters - Fraktur

-----

Gustav von Oetinger - In Ketten vom Ruhrgebiet nach St.-Martin de Ré - Antiqua

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Biographie von Kapitän Ehrhardt von F. Freksa - Fraktur

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Gerhard Rossbach - Mein Weg durch die Zeit - Antiqua

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Rolf Brandt: Albert Leo Schlageter - Fraktur

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Ca Ira - Ein Reportageroman - Frakur (Das kam aus dem "linken" Lager)

Das war ein kurzes Durchhuschen meiner privaten Biobliothek.

Es ist tatsächlich kein System bei der Schriftenauswahl zu erkennen.

Und in Bezug auf die Neu-Gotischen ist nichts anderes zu erwarten. Denn ab 1933 waren sämtliche Verlage gleichgeschaltet. Die Reichsschriftkammer hatte die völlige Kontrolle übernommen. Es gab also keine freie Auswahl mehr für die Verleger, weder in Bezug auf Themen, noch auf Gestaltung. Die Reichsschriftkammer hätte einen generellen oder auch nur verstärkten Einsatz der Neu-Gotischen Schriften ohne weiteres anordnen können. Das hat sie aber nicht:

Von Oerzen, 1937: Das Buch vom Deutschen Freikorps-Kämpfer - Fraktur.

Übrigens ein Plagiat. Diese Sammlung wichtiger zeithistorischer Dokumente stammte von Ernst von Salomon, der auch das Original des Buches herausgab. Die NSDAP reklamierte dessen Archiv für sich, um die Freikoprs wahrheitswidrig als "Vorläufer der nationalsozialistischen Bewegung" auszugeben - EvS überbrachte es der Reichswehr in trügerische Sicherheit. Von Oertzen gab die Dokumentation erneut heraus - nachdem er u.a. einen Abschnitt, in dem er selbst schlecht wegkam, strich. Die Fraktur-Schrift hat er beibehalten.

Georg

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Bleisetzer
Lieber Georg, woher stammt der begriff "Neu-Gotische"? Es gab doch eine Schrift, die hieß "Neu-Gotisch", sie ist aber eher zierlich und leicht angeschnörkelt und hat senkrechte feine Linien in den versalien wie die Kanzlei-Frakturen, eher eine hübsche. Ich nehme an, dass sie entstand zwischen 1825 und 1875, als die gotischen für Auszeichnungen im Werksatz benötigt wurden. Mich irritiert jetzt, was eigentlich Neugotisch ist.

Alle sind weg samstagabends hier. So ist das, wenn man kleine Kinder hat, da sitzt man dann ganz alleine im Forum rum und wälzt ein paar olle Schriftenbücher.

Oh, mein Sohn ist 15, meine Tochter 19.

Er ist in der Vorsichhinbrütphase (fürchterlich), sie hat ab nächste Woche Abschlußklausuren, macht gerade Fachabitur.

Ich hocke also auch hier.

Wahrscheinlich sind nur alle die jungen und schönen Singles jetzt auf der Piste und halten verzweifelt Ausschau nach dem Familienglück, das wir beide bereits gefunden haben :-)

Georg

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FlorianG
Die Nazis haben doch auch schöne Frakturen verwendet, sie haben auch die Futura und ähnliche verwendet, Hitler und Speer waren mehr klassizistisch orientiert als gotisch oder sogar "neugotisch", aber nie haben Willberg oder Tschichold sich deshalb gegen Klassizismus oder Moderne (Bauhaus) geäussert.

Liebe Sandra

Zunächst gilt es zu unterscheiden, ob wir vom ›frühen‹ oder vom ›späten‹ Tschichold sprechen. Der ›späte‹, klassizistisch orientierte Tschichold hat sich ganz massiv und polemisch gegen Bauhaus und Moderne ausgesprochen. In dem berühmten Artikel gegen Max Bill macht er, Tschichold, das ›deutsche Wesen‹ (!) sogar für die bedingungslose Aufnahme der ›Neuen Typographie‹, von der er sich ja ganz deutlich distanzierte, verantwortlich:

»Es scheint mir kein Zufall, dass diese Typographie [die Neue T.] fast nur in Deutschland geübt wurde… Entspricht doch ihre unduldsame Haltung ganz besonders dem deutschen Hang zum Unbedingten, ihr militärischer Ordnungswille und ihr Anspruch auf Alleinherrschaft jener fürchterlichen Komponente deutschen Wesens, die Hitlers Herrschaft und den zweiten Weltkrieg ausgelöst hat.« (Tschichold, »Glaube und Wirklichkeit«)

Ich glaube, Tschicholds Haltung ist gut in folgendem Zitat ausgedrückt:

»Es kann … weder eine eigentlich ›neue‹ noch eine sozialistische, faschistische oder kapitalistische Typographie geben, sondern nur guten oder schlechten Satz« (Tschichold, »Wirken sich gesellschaftliche Umstände auf Typographie aus?«)

Also: Tschichold geht es in erster Linie um ›gut‹ oder ›schlecht‹, ›ästhetisch‹ oder ›unästhetisch‹ und nicht um Politik. Und bei diesen subjektiven Werturteilen hat er sich auch zeit seines Lebens öfters widersprochen.

Besten Gruß

FlorianG (… und jetzt ab auf die Piste!!)

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Sandra

Lieber Georg, danke für Deine Informationen. Ich dachte wirklich mehr an Plakate vor 1933. Ich kann mir die SPD nicht mit der Tannenberg vorstellen. Weiss da jemand was?

Und wie ist das mit dem Namen "Neu-Gotische" (meine Frage oben hast Du zwar zitiert, aber nicht beantwortet), antwortest Du mir darauf noch? Das wäre schön.

Und ich hab auch noch was abgetippt:

„Manche Leute glauben, daß sich nicht nur Modeströmungen, die sich für den Stil der Gegenwart ausgeben, sondern auch politische Zustände in der Typographie äußern könnten. Vergleichen wir aber die Typographie selbst so verschiedener Staatsgebilde wie Deutschlands, Rußlands, Italiens und der USA während der politisch hochgespannten Zeit zwischen 1933 und 1945, so können wir schwerlich einen eigentlichen Widerhall der politischen Auffassungen in der Typographie dieser Länder entdecken außer einem nachteiligen Einfluß mancher dieser politischen Gebilde auf die formale Qualität im ganzen.

Die sonderbaren deutschen Modelettern der Hitler-Ära, die scheußliche „National“ etwa und die zumindest abwegig orientierte Post-Antiqua mit ihrer Fraktur werden hoffentlich bald in die Zeugkiste wandern und der Vergessenheit anheimfallen. Die russische Typographie zeigt in allem, was mir in den vergangenen fünfzehn Jahren vor Augen kam, nach den verheißungsvollen Anfängen um 1925, ein geradezu unglaubwürdig niedriges Niveau, das nicht einmal eine Diskussion erlaubt.“

Jan Tschichold im Herbst 1948 in England. Der letzte Satz lautet:

„Es kann daher weder eine eigentlich „neue“ noch eine sozialistische, faschistische oder kapitalistische Typographie geben, sondern nur guten oder schlechten Satz.“

Ich schreibe das, weil hier gesagt wurde, Tschichold könnte politisch argumentiert haben und nicht formal. Eben das gegenteil ist der Fall, wie Ihr hier seht.

Und 1957 schrieb tschichold: „Wirklich gute Typographie ist uneitel, ist weder zu laut noch zu leise und will nichts weiter als sehr gepflegt sein. Wie häufig aber sind Drucksachen, die wie in Schaftstiefeln marschieren und sich militärisch-streng gebärden!“ 1957! in einem Aufsatz mit der Überschrift „Zur Typographie der Gegenwart“!

Tschichold hat die Schaftstiefelgrotesken aus formalen Gründen abgelehnt, nicht wegen seines Exils. Er hat auch davor und danach gegen Rohheit argumentiert.

Weil meine Rabaukis morgen viel zu früh unser Bett entern werden (Sonntag) muss ich mir jetzt mal ne Mütze Schlaf holen.

Gute Nacht!

Sandra

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