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Gotische Textura

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NinaS

Kleine Frage: Wenn jemand zwischen 1450 und 1480 in unserem Kulturkreis, sagen wir eher im süddeutschen Raum, in ein Scriptorium gegangen ist, um dort ein Dokument schreiben zu lassen, zum Beispiel ein amtliches, einen Vertrag oder auch einen Brief – gehe ich richtig in der Annahme, dass dort dann allgemein in gotischer Textura geschrieben wurde?

Wenn man ein solches Dokument nun nachempfinden möchte und keine gotische Textura ordentlich schreiben kann, keine Zeit hat, es noch schnell zu lernen, und kein Geld, es jemanden machen zu lassen, der es kann, – sprich: wenn man eine digitale Type dafür braucht, ist so etwas in dem Stil hier dann die richtige Richtung?

FF Johannes G

Gutenberg Textura

1456 Gutenberg Bold

1462 Bamberg

Wilhelm Klingspor Gotisch (da sind mir die Versalien fast schon zuviel)

Stimmt die Richtung ungefähr, und habt Ihr noch bessere Vorschläge? Am liebsten wäre mir etwas, wo man den handschriftlichen Duktus noch spürt, und möglichst mit vielen Alternates, damit es einem nicht gleich «Ich bin eine digitale Type!!!» ins Gesicht schreit. :wink:

Danke für Tipps!

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Pachulke

Ich weiß nicht, ob es hilfreich ist, wenn ich sage, welche der Schriften ich jedenfalls nicht nehmen würde. Die Johannes G sieht verdächtig nach ziemlich junger Modeschrift aus (die Versalien!), die 1456 Gutenberg überhaupt ganz grauslig (wie ein schlecht vectorisierter Freefont), bei der 1462 Bamberg habe ich weder ? noch Ligaturen gefunden — alle drei erstgenannten haben auch mehr oder weniger i-Punkte, für die man die Breitfeder aus der Hand legen müßte und eine Spitzfeder greifen, was mir nicht sehr authentisch erscheint. Und die gute alte Klingspor scheint mir für »Schreibstube« wesentlich zu steril zu sein.

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NinaS

:) Danke für Deinen Input! (Ja, war hilfreich.) Das lässt jetzt genau noch die Gutenberg Textura übrig. Hältst Du die für einigermaßen sinnreich?

Hach, vielleicht probier ichs doch nochmal von Hand … dann wars halt der Lehrling/Anfänger in der Schreibstube :wink:

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Pachulke

Ich muß ehrlich sagen, daß 1450 – 1480 so ein enger Korridor ist, daß ich mich da gar nicht festlegen möchte, so präcise weiß ich da nicht bescheid. Kommen denn außer Gotisch auch Kanzleischriften in Frage?

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NinaS
Kommen denn außer Gotisch auch Kanzleischriften in Frage?

Gute Frage – kamen die nicht eher erst im 16. Jahrhundert auf? So ganz schriftgeschichtensicher bin ich da eben auch nicht …

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Perplex
Kommen denn außer Gotisch auch Kanzleischriften in Frage?

Gute Frage – kamen die nicht eher erst im 16. Jahrhundert auf? So ganz schriftgeschichtensicher bin ich da eben auch nicht …

Im 14. Jahrhundert wurde nebst der Textur auch diverse andere Schriften geschrieben:

- die gotische Kursive (Weiterentwicklung der späten karolingischen Schrift, ca. 14 Jh.)

- die gotische Urkundenschrift (ca. 14. Jh.)

vorher waren dann noch die:

- frühgotische Minuskel und Majuskel (ca. 13 Jh.)

und später:

- gotische Kursive Majuskel/Minuskel (15 Jh.)

- Schwabacher (Bastard, 15 Jh.)

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Norbert P

... olle Schriften mit nicht so digitalem Look:

http://www.fontcraft.com/scriptorium/medieval/

Jetzt musst du nur noch rausfinden, was "korrekt" wäre ...

PS: Ich hab allerdings keine Ahnung, was die taugen bzw. wie gut die digitalisiert und ausgebaut sind. Ich kenn die Seite auch nur, weil ich Rackham so gerne mag.

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Pachulke

Na ja, nicht alles, was heute als »Gutenberg Textura« verkauft wird, muß auch authentische Gutenberg-Textura sein. Außerdem: deren Charakteristikum war ja gerade, daß es eine Druckschrift war und keine handgeschriebene Schrift. Aber grob wird das schon hinkommen.

gutenbgke1.jpg

(Schriftbeispiel Göttinger Gutenberg-Bibel)

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NinaS
[Gutenberg-Textura]: deren Charakteristikum war ja gerade, daß es eine Druckschrift war und keine handgeschriebene Schrift.

Hmm, aber hat er bei der Gestaltung der Drucktype nicht versucht, so nah wie möglich die damals übliche Handschrift nachzuahmen?

Schriftgeschichte ist ganz schön kompliziert. @Norbert P: Ich weiß ja eben nicht, was korrekt wäre, das ist mein Hauptproblem … @Perplex, dicken Dank für die Info! Was nun in diesem Fall am wahrscheinlichsten wäre, also welche Schrift da zum Einsatz hätte kommen können, weißt Du auch nicht?

Ich glaub, ich frag hier mal einen Mediävisten an der Uni, die haben ja auch immer wieder mit so Handschriften zu tun … oder schau mal, ob die in der Unibibliothek sogar sowas haben. Danke Euch für den Input!

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Gast Zainer

Zu dieser Zeit würde es keinem Schreiber - außer vielleicht einem Mönch, der die Bibel abschreibt - einfallen, eine Textura zu wählen. Zeittypisch sind Bastarda-Schriften. Auf die schnelle kenne ich da keine deutschen - versuch es aber mal mit

1420 Gothic Script Normal oder

1475 Bastarde Manual Normal.

Die sind zwar deutlich französisch aber auf jedenfall zeittypischer als die Textura.

wenn ich imagefiles zum arbeiten bekomme stelle ich noch bilder von Augsburger Handschriften von 1450 und 1470 rein.

Wolfgang

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NinaS
Zu dieser Zeit würde es keinem Schreiber - außer vielleicht einem Mönch, der die Bibel abschreibt - einfallen, eine Textura zu wählen. Zeittypisch sind Bastarda-Schriften.

Superklasse, danke für den Input! Das war die Art von Info, die ich brauchte …

Was sagst Du zu Kanzleischriften? Zu spät?

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Perplex

@Perplex, dicken Dank für die Info! Was nun in diesem Fall am wahrscheinlichsten wäre, also welche Schrift da zum Einsatz hätte kommen können, weißt Du auch nicht?

!

Da kann ich Wolfgang nur beipflichten, es waren wohl am ehesten diese Art von Bastard-Schriften, die er hier gezeigt hat. Dazu hab ich auch das hier gefunden:

http://www.lutzschmitt.de/pub/Lutz_Schmitt-Typografie_Mittelalter.pdf

Auf Seite 21 findet man ebenfalls schöne Beispiele. Unter 2.5 und 3.2 findet man Erläuterungen zu gotischen Schriften, mit dem Hinweis, dass die Textur vorwiegend für sakrale Zwecke verwendet wurde.

Hier ein kleiner Kurs in Schriftgeschichte mit Hinweise zur Bastarda:

http://tkb.design.fh-aachen.de/03_03_01_schrifthisto.php

Und hier ganz nach unten scrollen:

http://www.phil-gesch.uni-hamburg.de/edition/Palaeographie/38diegotischeminuskel.html

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hey

Digitale Bastardas (das scheint mir auch die angemessene Schriftwahl für Deine Anwendung zu sein) gibt es gar nicht so viele. Einige ganz interessante, wenn auch technisch nicht perfekte Beiträge hat Pia Frauss geliefert, die dankenswerterweise auch ausführlich zum Hintergrund ihrer Schriften schreibt:

http://www.pia-frauss.de/fonts/ww.htm

http://www.pia-frauss.de/fonts/xn.htm

http://www.pia-frauss.de/fonts/ebr.htm

Sie hat aber auch anderes, grob zeitlich passendes:

http://www.pia-frauss.de/fonts/xb.htm

Für den Einstieg in Sachen mittelalterliche Schriftgeschichte sind diese Paläographie-Seiten nützlich:

http://medievalwriting.50megs.com/writing.htm

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NinaS

Klasse, herzlichen Dank Euch für die Schriftenvorschläge und auch die spannenden Links. Wieder was Dickes gelernt :D

Poms, die Givry ist eine «bâtarde flamande», aber schön ist sie! Die Civilité ist auch toll, wenn auch nicht ganz derselbe Kulturkreis. Da wär ich jetzt allerdings großzügig, das Ding richtet sich nicht unbedingt an die typophilsten Zeitgenossen, den regionalen Unterschied kann man glaub ich ein Stück weit vernachlässigen. Allerdings schade, dass es die Civilité nicht einzeln gibt; zur Lizenzierung der ganzen «Historical Allsorts» werd ich das Büro kaum bewegen können :(

Diejenigen, die man by Myfonts unter dem Stichwort Civilité findet, sind mir entweder zu sauber oder zu unsauber.

Und: Was vice versa?

hey, die von Pia Frauss sind toll. Hast Du Erfahrung mit ihren Schriften? Was meinst Du mit «technisch nicht perfekt»? :shock:

Perplex: Der PDF-Link ist interessant. Spannend auch, dass gerade mit der Umstellung auf Papier die Textura nicht mehr so gut funktioniert hat. Der arme Gutenberg: Passt seine Drucktype möglichst genau der geschriebenen Schrift an, und dann ändert sich die geschriebene Schrift. :)

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