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Schrift für Gutachten

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spectator

Als Hochschullehrer muss ich sehr viele Gutachten schreiben; als Geisteswissenschaftler komme ich dabei gut ohne viele Sonderzeichen oder Formelsatz aus. Die Briefbögen gibt die Hochschule vor, leider auch den Satzspiegel, mit suboptimal schmalen Seitenrändern, so dass man von einer vollgepackten DIN-A-4-Seite mit ca. 16 cm langen Zeilen ausgehen muss.

 

Als Typophiler frage ich mich, welche Serifenschrift die hier einschlägige Anmutung mitbringt. Ein paar Ausschlusskritierien stehen mir deutlicher vor Augen als eine postive Antwort: Die Schrift soll nicht zu leicht, zu verspielt-hübsch oder sonstwie "extravagant" sein. Sie muss sachlich und nüchtern sein, aber wenn sie nichts als das ist, strahlt sie nicht leicht die Autorität aus, die Gutachten m.E. ausstrahlen sollen (helle oder eng laufende Schriften haben mich in dieser Hinsicht nicht zu überzeugen vermocht). Und obwohl ich (manche) Slab-Serife sehr mag, scheinen sie mir letztlich ungeeignet zu sein.

 

Nicht ganz unwichtig ist mir eine gut kontrastierende, aber trotzdem nicht überlebhafte Kursive. Besonders unsicher und offen für entsprechende Ratschläge bin ich in zwei Punkten: (i) x-Höhe: Geringe x-Höhen (bzw. ansehnliche Ober- und Unterlängen) wirken oft etwas distinguierter und eleganter, sind dafür aber oft minder entschieden bzw. zu "freundlich" (die meisten Gutachten überbringen ja keine Jubelbotschaften). Höhere x-Höhen kommen mir bei längeren, mehrseitigen Gutachten etwas mühsam zu lesen vor. (ii) Verdient (im Sinne Willbergs) eher eine statische oder eine dynamische Antiqua den Vorzug? Eigentlich mag ich letztere (sozusagen als Privatmann) lieber, habe aber den Eindruck, dass erstere eher die Bestimmtheit vermitteln, die mir ein zentrales Merkmal eines Gutachtens zu sein scheint.

 

Habe u.a. mit folgenden Schriften, welche alle gewisse Vorzüge haben, experimentiert, ohne jedoch eine rundum befriedigende Lösung gefunden zu haben:

Borges, Cala, Century Supra, Diogenes, DTL Dorian, Farnham, Fazeta, Franziska, Freight Text, Lapture, Lyon, Marat, Marbach, Meret, Miller Text, Neue Swift, Nexus Serif, Pensum, Portrait, Proforma, Publico Text, Quadraat, Scala, Stuart, TheAntiqua, Verdigris, Whitman.

 

Mir ist klar, dass ich hier nur ein Minderheitenproblem artikuliere. Vielleicht reizt es die hier versammelten Experten dennoch. Ich bin jedenfalls für jeden kenntnisreichen und durchdachten Rat dankbar!

bearbeitet von spectator
redaktionelle Verbesserung
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R::bert

Herzlich willkommen! 

vor 29 Minuten schrieb spectator:

Habe u.a. mit folgenden Schriften, welche alle gewisse Vorzüge haben, experimentiert, ohne jedoch eine rundum befriedigende Lösung gefunden zu haben:

Borges, Cala, Century Supra, Diogenes, DTL Dorian, Farnham, Fazeta, Franziska, Freight Text, Lapture, Lyon, Marat, Marbach, Meret, Miller Text, Neue Swift, Nexus Serif, Pensum, Portrait, Proforma, Publico Text, Quadraat, Scala, Stuart, TheAntiqua, Verdigris, Whitman.

 

Da hast Du Dir ja schon ein paar exquisite Kandidaten herausgesucht, welche allerdings auch ein sehr großes Spektrum abdecken (Quadraat als Extrem der humanistischen Gattung und Miller eher der klassizistische Gegenpart). Darf ich fragen, welche Dir am ehesten »liegen« bzw. als geeignet erscheinen? Eigentlich wäre eine Nummerierung (von ansprechend bis ausgeschlossen) inkl. Abbidlung oder zumindest Verlinkung hilfreich (ich kann mir nicht vorstellen, dass hier jeder Mitleser gleich alle Schriften vor Augen hat – ich muss zumindest bei einigen passen), bevor wir hier irgendwas Neues in die Runde werfen.

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R::bert
vor 25 Minuten schrieb spectator:

Die Briefbögen gibt die Hochschule vor, leider auch den Satzspiegel, mit suboptimal schmalen Seitenrändern, so dass man von einer vollgepackten DIN-A-4-Seite mit ca. 16 cm langen Zeilen rechnen muss.

Das klingt natürlich nicht gerade nach lesefreundlichen Voraussetzungen und würde mich persönlich schon mal davon abhalten nach schmallaufenden Fonts zu schauen. Gibt es auch eine Vorgabe bezüglich Satzart?

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KlausWehling

Ich probierte es mal mit der bei Windows (ab 8.x?) mitgelieferten »Sitka«. Sie ist gut ausgebaut und verfügt über einige »Spezialschnitte«, wie z.B. »Sitka Small« mit dem sich hervorragend lesbare Fußnoten etc. setzen lassen.

 

Beste Grüße 

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spectator

@R::bert

Ich wollte mit meiner Schriften-Aufzählung eigentlich nur die Bandbreite illustrieren, mit der ich gesucht habe. Ich hatte nicht im Sinn, dass man diese ganze Auswahl in Augenschein nimmt - zumal, wie gesagt, jede von ihnen gewisse Stärken und Schwächen hat. Ich hatte einfach gehofft,  dass ein Schriftenkenner, der meine Frage liest, sozusagen spontan eine oder mehrere Schriften nennen kann, die meinen Kriterien entsprechen.

 

Was meinst du mit "Satzart"? Ich wähle Flattersatz und einen Zeilenabstand 15. Dazu passen Schriftgrößen, die meist um 11 herum liegen.

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spectator

@Klaus Wehling

Vielen Dank für den Hinweis! Damit wäre die Frage nach der x-Höhe implizit beantwortet - allerdings bleiben meine Bedenken für längere Texte bestehen. Zudem schwebt mir doch ein stärkerer Kontrast zwischen Regular und Italic vor. - Dennoch konnte ich mit der Sitka eine Wissenslücke schließen.

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spectator

@Klaus Wehling

Ein zweiter Blick macht mir den Sitka-Tipp noch ein wenig wertvoller: Unter den Glyphen gibt's auch griechische, welche ich hin und wieder benötige. Und auch die Laufweite und der Grauwert kommen meinen Vorstellungen sehr entgegen. Die Anmutung der Sitka enthält überdies die unaufgeregte Selbstverständlichkeit, die mir vorschwebt. Nochmals vielen Dank!

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Þorsten
vor 6 Stunden schrieb spectator:

[Den Satzspiegel] gibt die Hochschule vor

Na ja, solche Sachen werden oft behauptet, aber selten überprüft. (Und es ergibt ja auch wenig bis keinen Sinn, den Satzspiegel starr vorzuschreiben, aber Autoren bei Schriftart und sogar -größe freie Hand zu lassen.) Also versuch einfach mal, behutsam an den vermeintlichen Vorgaben zu schrauben! Wenn das Ergebnis ansprechend ist, wird das vermutlich niemandem auffallen.

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R::bert
vor 7 Stunden schrieb spectator:

Ich wollte mit meiner Schriften-Aufzählung eigentlich nur die Bandbreite illustrieren, mit der ich gesucht habe. Ich hatte nicht im Sinn, dass man diese ganze Auswahl in Augenschein nimmt - zumal, wie gesagt, jede von ihnen gewisse Stärken und Schwächen hat.

Konnte ich mir schon denken. Die Erfahrung und Unmenge an Fonts zeigen aber, dass es meistens nicht zielführend ist, einfach weitere Schriften vorzuschlagen, ohne mehr Details zu den Anforderungen zu erfahren – zum Beispiel, was für Dich die »gewissen Stärken und Schwächen« waren.

 

vor 7 Stunden schrieb spectator:

Ich hatte einfach gehofft,  dass ein Schriftenkenner, der meine Frage liest, sozusagen spontan eine oder mehrere Schriften nennen kann, die meinen Kriterien entsprechen.

Und meine Hoffnung war, dass wir hier gemeinsam noch etwas dazulernen können, quasi Didaktik statt Fast-Food – so wie man das im Lehramt eben gern praktiziert. ;-) 

 

vor 8 Stunden schrieb spectator:

Die Schrift soll nicht zu leicht, zu verspielt-hübsch oder sonstwie "extravagant" sein. Sie muss sachlich und nüchtern sein, …

Zur von der Handschrift abgeleiteten Gattung gehören die Humanistischen Schriften (wie die Pensum, FF Quadraat oder Borges). Daher wirken sie üblicherweise auch dynamischer (siehe auch geneigte Schattenachse). Klassizistische Schriften dagegen (wie die Diogenes, Miller oder Whitman) haben eher ein geometrisch-konstruiertes Grundgerüst und in der Regel eine vergleichsweise statisch-ruhige Anmutung (siehe auch senkrechte Schattenachse). Daher finde ich diese Kategorie eher für Dein Vorhaben geeignet. Allerdings gibt es auch hier »Graustufen«, wie die Lyon, Meret oder Franziska bei denen Elemente aus beiden Welten miteinander verschmelzen – da wäre die Lyon als sachlich-neutrale Times-Alternative mit optischen Größen gar keine schlechte Wahl, wie ich finde. 

 

Für Mengensatz tendiere ich persönlich zu einer moderaten x-Höhe, daher hätte ich Dir alles in allem zur Noe-Familie (ebenfalls mit optischen Größen) geraten. Allerdings kenne ich zum Beispiel eine Bibelausgabe, die in der FF Milo mit großer x-Höhe gesetzt wurde – auch sehr angenehm. Dazu sollte man dann aber einen größeren Durchschuss wählen um den fehlenden Raum durch die kürzeren Ober- und Unterlängen auszugleichen. Insofern halte ich auch die Sitka für eine gute Wahl, welche von der Noe ja auch formal gar nicht so weit entfernt ist.

 

Trotzdem sollte Dir im Vorfeld klar sein, was der Font sonst noch alles können muss. Welche Ziffernvarianten brauchst Du, sind Kapitälchen oder ein Versaleszett nötig, fallen Brüche an, etc.? Von daher hätte ich mich gern Schritt für Schritt vorgetastet. Aber wenn schon alles passt, umso besser!

 

Die Stiftung Warentest nutzt übrigens die TheAntiqua, eine der wenigen Fonts, welche in unserem Wiki von mehreren Nutzern mit 5 Sternen bewertet wurde. Sie wurde mit der statischen Univers kombiniert, was auch zu einer sachlich-seriösen Wirkung führen kann.

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Liuscorne

Es gibt viele Gelegenheiten, als Hochschullehrer den grauen typografischen Alltag an der Uni ein wenig aufzuhellen. Gutachten gehören meiner Meinung nach eher nicht dazu. Meine spontane Reaktion war jedenfalls: Times New Roman 11/15; Vorgaben der Uni bezüglich Seitenrändern ignorieren; fertig. Mehr "Sachlichkeit" und "unaufgeregte Selbstverständlichkeit" geht nicht. All die geschmäcklerischen Erwägungen halte ich für verfehlt. Und Aussagen, die Schrift in einem Gutachten müsse Autorität oder Entschiedenheit ausstrahlen, finde ich sogar einigermaßen albern.

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R::bert
vor 11 Minuten schrieb Liuscorne:

Meine spontane Reaktion war jedenfalls: Times New Roman 11/15

:Lach: Das ging mir ehrlich gesagt auch durch den Kopf! 

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spectator
vor 2 Stunden schrieb R::bert:

Konnte ich mir schon denken. Die Erfahrung und Unmenge an Fonts zeigen aber, dass es meistens nicht zielführend ist, einfach weitere Schriften vorzuschlagen, ohne mehr Details zu den Anforderungen zu erfahren – zum Beispiel, was für Dich die »gewissen Stärken und Schwächen« waren.

 

Und meine Hoffnung war, dass wir hier gemeinsam noch etwas dazulernen können, quasi Didaktik statt Fast-Food – so wie man das im Lehramt eben gern praktiziert. ;-) 

 

Zur von der Handschrift abgeleiteten Gattung gehören die Humanistischen Schriften (wie die Pensum, FF Quadraat oder Borges). Daher wirken sie üblicherweise auch dynamischer (siehe auch geneigte Schattenachse). Klassizistische Schriften dagegen (wie die Diogenes, Miller oder Whitman) haben eher ein geometrisch-konstruiertes Grundgerüst und in der Regel eine vergleichsweise statisch-ruhige Anmutung (siehe auch senkrechte Schattenachse). Daher finde ich diese Kategorie eher für Dein Vorhaben geeignet. Allerdings gibt es auch hier »Graustufen«, wie die Lyon, Meret oder Franziska bei denen Elemente aus beiden Welten miteinander verschmelzen – da wäre die Lyon als sachlich-neutrale Times-Alternative mit optischen Größen gar keine schlechte Wahl, wie ich finde. 

 

Für Mengensatz tendiere ich persönlich zu einer moderaten x-Höhe, daher hätte ich Dir alles in allem zur Noe-Familie (ebenfalls mit optischen Größen) geraten. Allerdings kenne ich zum Beispiel eine Bibelausgabe, die in der FF Milo mit großer x-Höhe gesetzt wurde – auch sehr angenehm. Dazu sollte man dann aber einen größeren Durchschuss wählen um den fehlenden Raum durch die kürzeren Ober- und Unterlängen auszugleichen. Insofern halte ich auch die Sitka für eine gute Wahl, welche von der Noe ja auch formal gar nicht so weit entfernt ist.

 

Trotzdem sollte Dir im Vorfeld klar sein, was der Font sonst noch alles können muss. Welche Ziffernvarianten brauchst Du, sind Kapitälchen oder ein Versaleszett nötig, fallen Brüche an, etc.? Von daher hätte ich mich gern Schritt für Schritt vorgetastet. Aber wenn schon alles passt, umso besser!

 

Die Stiftung Warentest nutzt übrigens die TheAntiqua, eine der wenigen Fonts, welche in unserem Wiki von mehreren Nutzern mit 5 Sternen bewertet wurde. Sie wurde mit der statischen Univers kombiniert, was auch zu einer sachlich-seriösen Wirkung führen kann.

 

Ganz, ganz herzlichen Dank, lieber R::bert!! Deine Antwort ist von der Art, wie ich sie mir erhofft habe (und du nimmst überdies sowohl mein Anliegen als auch meine einzuhaltenden Vorgaben ernst, was offenbar hier nicht allen gelingt). Du bestätigst mit einer Kompetenz, über die ich selbst nicht verfüge, meine Ahnung, dass die statische Anmutung eher in die von mir gewünschte Richtung geht.

 

Den Hinweis auf die Noe nehme ich gerne zum Anlass, sie zu erkunden. TheAntiqua habe ich mit durchaus erfreulichem Effekt schon ausprobiert, werde aber nach deinen Ausführungen noch einmal die Lyon in Betracht ziehen. Meret und Franziska mag ich beide sehr, finde aber die erstere in langen Zeilen ein bisschen zu schmal laufend, und die letztere hat ein paar Slab-Elemente, die mir für meinen Zweck nicht ganz geheuer sind ...

 

"Was der Font sonst noch alles können muss ..." - sehr aufmerksam von dir! Da liegen aber keine großen Hindernisse (was ich vielleicht nicht klar genug angedeutet habe); spezielle Glyphen brauche ich nur sehr selten und würde gegebenenfalls auch mal auf einen anderen Font ausweichen, dessen Anmutung vielleicht nicht hundertprozentig meinen Wünschen entspricht.

 

Dass man von mir viel lernen könnte, bezweifle ich, da ich in typographischen Angelegenheiten einem Opernliebhaber ähnele, der keine Noten lesen kann ... Auch muss ich gestehen, dass mich manchmal eine Vorliebe für eine Schrift einfach hinreißt. So habe ich gerade ein längeres Gutachten mit der Verdigris fertiggestellt, und es gefällt mir trotz ihrer Dynamik gut (mit der Pensum, Quadraat und der Borges hätte es mir ähnlich gehen können). Das soll aber nicht heißen, dass du tauben Ohren gepredigt hast - ich habe viel von deiner Antwort gelernt. Deine Mühe hat sich für mich gelohnt - nochmals DANKE!

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spectator
vor 10 Minuten schrieb HenningH:

Auch, wenn es nicht mehr helfen sollte: Mir geht bei den Vorgaben die Palatino durch den Kopf.

vor 10 Stunden schrieb spectator:

 

@HenningH

Die Palatino wäre auch in meinen Augen eine gelungene Wahl, wenn mir ihre Regular nicht zu hell und ihre Medium nicht zu dunkel wäre. Mir ist klar, dass man das auch anders sehen kann, aber mir geht es eben so. Da die Palatino recht breit läuft, empfinde ich ihre Dynamik als moderat und finde ihre Anmutung daher so souverän und gelassen, dass ich deine Empfehlung bestens nachvollziehen kann.

Danke für deine Mühe! 

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Phoibos

Magst Du noch "Geisteswissenschaftler" präzisieren? Es gibt ja durchaus unterschiedliche Lesegewohnheiten in den verschiedenen Disziplinen. Und denen würde ich mich ein Stück weit annähern. Und wer sind die Adressaten für die Gutachten? Auch deren Lesegewohnheiten sollte imo berücksichtigt werden. 
Ansonsten als Totschlagvorschlag würde ich die Garamond Premier Pro in den Raum werfen. Die kann eigentlich alles, ist edel ohne aufgesetzt zu werden und weithin akzeptiert als "Mutter aller Serifenschriften" (jaja, stimmt historisch nicht, aber was einem König gut genug war...).

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Dieter Stockert
vor 8 Stunden schrieb spectator:

spezielle Glyphen brauche ich nur sehr selten und würde gegebenenfalls auch mal auf einen anderen Font ausweichen, dessen Anmutung vielleicht nicht hundertprozentig meinen Wünschen entspricht.

 

Meinst Du damit, dass Du in diesem Fall das ganze Gutachten in der Ausweichschrift setzen würdest oder nur die einzelnen benötigten Buchstaben? Letzteres geht eigentlich gar nicht. Und fallweise für das ganze Gutachten auf eine andere Schrift umzusteigen würde mir überhaupt nicht behagen, wozu hätte ich mir dann wegen der Schriftwahl so viele Gedanken gemacht. Lieber eine Schrift, die ich die von der Anmutung her nur zu 95 Prozent mag, die aber 100 Prozent der Anwendungsfälle abdeckt.

Noch ein Wort zu den speziellen Glyphen: Für Gutachten würde ich in der Regel Versal-Eszett, Kapitälchen, verschiedene Ziffernsets und echte hoch- und tiefgestellt Ziffern unbedingt voraussetzen.

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Martin Z. Schröder

Mir kommt das eher wie eine Buchkunstdiskussion vor. Mir sind noch bei keiner Drucksache derart viele Schriften durch den Kopf gegangen. Man kommt für alles mit weniger aus. Das liegt daran, daß mir Typografie als Hobby neu ist, vermute ich. Als Typograf würde ich nicht zur Times, aber zur Schreibmaschinenschrift raten. Es muß nicht die Courier sein, da gibt es hübschere. Man vermeidet damit, daß man die schönen Schriften schließlich auch setzen muß, damit es nicht bloß verhunzte Werkzeuge werden. Man muß mit einer Schrift umgehen können. Wie mit einem Musikinstrument. Das ist für ein Hobby viel verlangt. Als würde man sich als Musikfreund überlegen, von welchem Hersteller man sich eine Geige kauft, ohne darauf spielen zu können. Und dann doch darauf spielt. So wie das den Musiker schmerzt, schmerzt es den Typografen, eine edle Schrift ohne gekonnte Anwendung zu sehen. Man kann die Vergleiche mit Beruf und Werkzeug noch fortführen: Maler und Pinsel, Zahnärzte und Bohrer, Verkehrspolizist und Verkehrsstab, Soldat und Panzer.

 

Ich schreibe Texte, die als Manuskript außer Haus gehen, in Schreibmaschinenschrift, um mir die Arbeit zu ersparen, die Gedankenstriche richtig zu setzen und die Anführungen usw. Außerdem erleichtert es die Umfangsberechnung: 30 Zeilen à 60 Anschläge macht 1800 Zeichen. Gute Schriften sind in bloßen Textverarbeitungsprogrammen überflüssig, weil sie ohne verständigen Satz eher schlimmer aussehen als Standards. Und wenn man sich das Layout vorgeben läßt, Zeilenlänge, Laufweite, Durchschuß nicht durcharbeitet, ist eine ausführliche Schriftdiskussion verfehlt.

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spectator
vor 8 Stunden schrieb Phoibos:

Magst Du noch "Geisteswissenschaftler" präzisieren? Es gibt ja durchaus unterschiedliche Lesegewohnheiten in den verschiedenen Disziplinen. Und denen würde ich mich ein Stück weit annähern. Und wer sind die Adressaten für die Gutachten? Auch deren Lesegewohnheiten sollte imo berücksichtigt werden. 
Ansonsten als Totschlagvorschlag würde ich die Garamond Premier Pro in den Raum werfen. Die kann eigentlich alles, ist edel ohne aufgesetzt zu werden und weithin akzeptiert als "Mutter aller Serifenschriften" (jaja, stimmt historisch nicht, aber was einem König gut genug war...).

Mein Fach ist die Philosophie.

 

Der Großteil meiner Gutachten hat genau einen Adressaten: den Studierenden, der die zu begutachtende Arbeit geschrieben hat. Das sind überwiegend 12-20seitige Hausarbeiten, zu denen ich jeweils 1-2seitige Kurzgutachten anfertige. Hierauf verwende ich viel Mühe, und ich möchte gerne, dass sich das auch in der äußeren Gestalt des Gutachtens vermittelt. Vielen Gutachten von Kollegen sieht man bereits an, dass sie lieblos und mit oberflächlicher Routiniertheit geschrieben wurden. Nur wenn sich die Studierenden ernstgenommen fühlen, werden sie auch für die Kritik offen sein, die zu übermitteln einer der Zwecke solcher Gutachten ist.

 

Eine Reihe von Gutachten werden nicht nur von den Begutachteten, sondern auch von Kollegen gelesen, nämlich dann, wenn - wie im Falle von Abschlussarbeiten oder -klausuren - die Prüfungsordnungen mehr als einen Prüfer vorschreibt. Diese Gutachten sind meist deutlich länger und können auch über zehn Seiten lang werden.

 

Die letzte (und kleinste) Gruppe von Gutachten sind solche, die entweder Bewerbungen von Studierenden um ausländische Studienplätze unterstützen oder auf Anfrage anderer Universitäten entstehen, die für die Berufung von Professoren (also von Kollegen) gutachterliche Stellungnahmen einholen. Auch hier sollte sich die Bedeutsamkeit und Relevanz des Anlasses nicht nur in der wissenschaftlichen, sondern auch in der typographischen Sorgfalt niederschlagen, mit der man derartige Anforderungen meistert.

 

In der Tat habe ich auch die Garamond Premier Pro schon mit ansehnlichem Erfolg verwendet. Ich stimme dir zu, dass man mit ihr wenig falsch machen kann. Versuchsweise habe ich statt ihrer auch Hofrichters Cala benutzt, die ich ein wenig frischer, sozusagen mit leichterem historischem Gepäck, finde.

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spectator
vor 1 Stunde schrieb Dieter Stockert:

Meinst Du damit, dass Du in diesem Fall das ganze Gutachten in der Ausweichschrift setzen würdest oder nur die einzelnen benötigten Buchstaben? Letzteres geht eigentlich gar nicht. Und fallweise für das ganze Gutachten auf eine andere Schrift umzusteigen würde mir überhaupt nicht behagen, wozu hätte ich mir dann wegen der Schriftwahl so viele Gedanken gemacht. Lieber eine Schrift, die ich die von der Anmutung her nur zu 95 Prozent mag, die aber 100 Prozent der Anwendungsfälle abdeckt.

Noch ein Wort zu den speziellen Glyphen: Für Gutachten würde ich in der Regel Versal-Eszett, Kapitälchen, verschiedene Ziffernsets und echte hoch- und tiefgestellt Ziffern unbedingt voraussetzen.

Im Grunde meine ich entweder eine Handvoll logischer Sonderzeichen, die nur selten und vereinzelt vorkommen und die deshalb auch aus einem fremden Font stammen können, oder ein paar altgriechische Wendungen, für die ich gerne die Garamond Premier Pro heranziehe, auch wenn mich das Ergebnis "nur zu 95 Prozent" überzeugt.

 

Meine Gutachten werden ja nicht nebeneinander gelegt oder von immer denselben Leuten gelesen. Eine kleine Varianz in der Fontverwendung ist hier ganz unschädlich.

 

Kapitälchen und hoch- und tiefgestellte Ziffern sind sicherlich ein nice-to-have, kommen aber nicht oft zum Einsatz. Und was das Versal-Eszett angeht, war ich noch nie in Verlegenheit, es einzusetzen.

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spectator
vor 10 Minuten schrieb Martin Z. Schröder:

Mir kommt das eher wie eine Buchkunstdiskussion vor. Mir sind noch bei keiner Drucksache derart viele Schriften durch den Kopf gegangen. Man kommt für alles mit weniger aus. Das liegt daran, daß mir Typografie als Hobby neu ist, vermute ich. Als Typograf würde ich nicht zur Times, aber zur Schreibmaschinenschrift raten. Es muß nicht die Courier sein, da gibt es hübschere. Man vermeidet damit, daß man die schönen Schriften schließlich auch setzen muß, damit es nicht bloß verhunzte Werkzeuge werden. Man muß mit einer Schrift umgehen können. Wie mit einem Musikinstrument. Das ist für ein Hobby viel verlangt. Als würde man sich als Musikfreund überlegen, von welchem Hersteller man sich eine Geige kauft, ohne darauf spielen zu können. Und dann doch darauf spielt. So wie das den Musiker schmerzt, schmerzt es den Typografen, eine edle Schrift ohne gekonnte Anwendung zu sehen. Man kann die Vergleiche mit Beruf und Werkzeug noch fortführen: Maler und Pinsel, Zahnärzte und Bohrer, Verkehrspolizist und Verkehrsstab, Soldat und Panzer.

 

Ich schreibe Texte, die als Manuskript außer Haus gehen, in Schreibmaschinenschrift, um mir die Arbeit zu ersparen, die Gedankenstriche richtig zu setzen und die Anführungen usw. Außerdem erleichtert es die Umfangsberechnung: 30 Zeilen à 60 Anschläge macht 1800 Zeichen. Gute Schriften sind in bloßen Textverarbeitungsprogrammen überflüssig, weil sie ohne verständigen Satz eher schlimmer aussehen als Standards. Und wenn man sich das Layout vorgeben läßt, Zeilenlänge, Laufweite, Durchschuß nicht durcharbeitet, ist eine ausführliche Schriftdiskussion verfehlt.

Ich muss zugeben: Das ist ein origineller Vorschlag, den ich noch nie erwogen habe und über den ich nachdenken werde!

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Phoibos
vor 18 Minuten schrieb spectator:

Philosophie

Auch wenn jetzt einige die Augen verdrehen werden, empfinde ich es in diesem Fach als geradezu zwingende Voraussetzung, dass dann die Schrift auch polytonisches Griechisch beherrscht, da die europäische Philosophie ja mehrheitlich nur eine Reihe von Fußnoten zu Platon ist. 

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Dieter Stockert

Für diese Art von Gutachten finde ich Dein Vorgehen etwas ›overdressed‹. Es handelt sich hier um Texte, die wohl nur einmal und von einem äußerst begrenzten Leserkreis zur Kenntnis genommen werden und die nicht zur Veröffentlichung zum Beispiel in einem Essayband bestimmt sind. Und da finde ich den Vorschlag von Martin mit der Schreibmaschinenschrift gar nicht so weit hergeholt (auch wenn ich mit seinem Satz »Gute Schriften sind in bloßen Textverarbeitungsprogrammen überflüssig, weil sie ohne verständigen Satz eher schlimmer aussehen als Standards« überhaupt nicht einverstanden bin). Ich würde mich wohl in diese Richtung orientieren. Dazu passt dann ja auch, dass Du, wie Du geschrieben hast, Flattersatz wählst. Autorität ausstrahlen bräuchte die Schrift für mich nicht, da sollte der Inhalt für sich selbst sprechen. Und wenn so etwas dann auch liebevoll (und mit richtigen Anführungen, Gedankenstrichen usw.) gesetzt ist, wird es sich wohltuend von den mit »oberflächlicher Routiniertheit« geschriebenen Erzeugnissen anderer Kollegen abheben. Ich könnte mir da etwa die Peckham, Sanchez Niu oder TT Slabs in eher leichteren Schnitten vorstellen, aber da müsste man erst schauen, ob es die erforderlichen Sonderzeichen und griechischen Buchstaben in einer anderen dazu passenden Schrift gibt – die Garamond geht dann ja gar nicht.

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spectator
vor 14 Minuten schrieb Phoibos:

Auch wenn jetzt einige die Augen verdrehen werden, empfinde ich es in diesem Fach als geradezu zwingende Voraussetzung, dass dann die Schrift auch polytonisches Griechisch beherrscht, da die europäische Philosophie ja mehrheitlich nur eine Reihe von Fußnoten zu Platon ist. 

Volle Zustimmung! Leider gibt es kaum noch Anlässe zu solchen Gutachten, da immer weniger Studierende der Philosophie die alten Sprachen gelernt haben.

  • traurig 1
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spectator
vor 14 Minuten schrieb Dieter Stockert:

Autorität ausstrahlen bräuchte die Schrift für mich nicht, da sollte der Inhalt für sich selbst sprechen.

Ich sehe hier kein Entweder-Oder: Selbstverständlich sollte der Inhalt Autorität ausstrahlen. Aber es spricht nichts dagegen, dass die typographische Gestalt des Gutachtens dies spiegelt und damit verstärkt - und nicht konterkariert oder unbeteiligt nebenherläuft. Ich sehe die Typographie ähnlich, wie Aristoteles die Rhetorik eingeschätzt hat: Sie kann die Wahrheit verstellen und vernebeln (das war der Punkt, den sein Lehrer Platon immer stark gemacht hat), sie kann aber auch der Wahrheit dienen, indem sie nämlich den gleichgültigen oder widerständigen Hörer dafür gewinnt, sich der Wahrheit zu öffnen.

vor 14 Minuten schrieb Dieter Stockert:

 

Ich könnte mir da etwa die Peckham, Sanchez Niu oder TT Slabs in eher leichteren Schnitten vorstellen, aber da müsste man erst schauen, ob es die erforderlichen Sonderzeichen und griechischen Buchstaben in einer anderen dazu passenden Schrift gibt – die Garamond geht dann ja gar nicht.

Ich habe mit meiner Frage einen Stein ins Wasser geworfen und muss jetzt mit dem Pluralismus der Antworten leben ... Ich respektiere die Ernsthaftigkeit deiner Vorschläge, kann mich aber dennoch - ganz subjektiv - nicht leicht mit Slab-artigen Fonts für Gutachten anfreunden (in vielen Fällen schon wegen der x-Höhe). Für andere Schriftgenres verwende ich sie sehr gerne. Vielleicht mache ich dennoch mal den Versuch, eine Chaparral, PMN Caecilia oder Camingo Slab einzusetzen ... wer weiß, vielleicht bin ich ja offener, als ich denke.

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R::bert
vor 3 Stunden schrieb Martin Z. Schröder:

Ich schreibe Texte, die als Manuskript außer Haus gehen, in Schreibmaschinenschrift, um mir die Arbeit zu ersparen, die Gedankenstriche richtig zu setzen und die Anführungen usw. Außerdem erleichtert es die Umfangsberechnung: 30 Zeilen à 60 Anschläge macht 1800 Zeichen. Gute Schriften sind in bloßen Textverarbeitungsprogrammen überflüssig, weil sie ohne verständigen Satz eher schlimmer aussehen als Standards.

Das kann ich für Deine konkrete Situation gut nachvollziehen, machst Du Dich durch diesen pragmatischen Kniff ja auch nicht angreifbar für schlechten Satz – das würde ich als spezialisierter Typograf auch umgehen wollen.

Dieser Logik (wie von Dir hier des Öfteren angeregt) folgend, müssten jedoch vielmehr Texte so übermittelt werden. Wenn ich mir aber vorstelle nur noch unformatierte E-Mails, Gesprächsprotokolle, Briefings, Konzepte, Gutachten und dergleichen in Courier lesen zu müssen, fände ich das eine ziemliche Zumutung:

  • Dicktengleiche Texte halte ich für deutlich schwerer lesbar
  • Variation in Schriftgrößen und -schnitten wäre quasi untersagt, was eine Hierarchie bzw. Strukturierung nahezu ausschließt
  • Schreibmaschinentext braucht deutlich mehr Raum und damit auch Papier, will man diese ausdrucken

Insofern kann dieser Ansatz zweifelsohne originell wirken, aber als allgemeingültig deklariert halte ich ihn für rückwärtsgewandt, da schlecht gesetzte Texte in Times dennoch lese-, menschen- und ggf. auch umweltfreundlicher sind, wie ich finde. 

 

Nachtrag:

Aber verstehe mich bitte nicht falsch Martin, ich fand Deinen Einwurf gerade auch im Hinblick auf das Thema »Werkzeug und Fertigkeit« bedenkenswert – auch wenn immer noch offen bleibt ob ein Autodidakt nicht mindestens genauso professionell setzen kann wie manch vermeintlicher Profi.

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