Um die Frage der Parameter guter Leserlichkeit von Schriften stehen sich seit Jahrzehnten zwei Lager gegenüber: die professionellen Schriftgestalter und -anwender, die sich auf die Tradition und Erfahrung ihres Berufszweiges stützen, und die Wissenschaftler, die auf ihre Methodik bauen, doch oft wenig von den typografischen Gestaltungsprinzipien der Schrift und Schriftanwendung verstehen. Ein fruchtbarer Dialog zwischen diesen beiden Lagern ist leider bislang selten. Die dänische Schriftgestalterin Sofie Beier hat in ihrer Arbeit in den letzten Jahren genau diesen Spagat gewagt und ihre Ergebnisse präsentiert sie nun in ihrem englischsprachigen Fachbuch »Reading Letters«.
Sofie Beier hat ihre Doktorarbeit zum Thema »Typeface legibility: towards defining familiarity« am Royal College of Art in London geschrieben und sich dabei auch intensiv mit den wissenschaftlichen Studien zur Leserlichkeit von Schrift auseinandergesetzt. Die Ansätze, Methodiken und Ergebnisse dieser Studien finden sich im ersten Teil des Buches anschaulich erläutert wieder. Ultimative Antworten, wie das menschliche Lesen nun funktioniert, sucht man auch hier freilich vergebens. Die in der Wissenschaft derzeit diskutierten Thesen und Effekte werden lediglich sachlich und neutral gegenübergestellt.
Da Sofie Beier selbst Schriftgestalterin ist, nehmen in der Folge des Buches die typografischen Grundprinzipien und Parameter des Schriftentwurfs eine zentrale Rolle ein. So widmet sich das Buch ausführlich der Herkunft verschiedener Schriftstile aus dem Schreiben und den daraus resultierenden Folgen für die Leserlichkeit. Außerdem werden spezielle Anwendungen und Satzarten diskutiert, etwa …
- Schriftanwendung für Lesetexte
- Schriften für das Lesen auf große Entfernung
- der Unterschied zwischen Großschreibung und gemischtem Satz
- Sans oder Serif – was ist leserlicher?
- der Einsatz von Mediäval- und Versalziffern
- die besondere Rolle der Kursiven
- die Wichtigkeit des Buchstabenabstandes
Trotz des eher wissenschaftlichen Ansatzes kommt das Buch reich und anschaulich bebildert daher. Das Buch richtet sich sowohl an Schriftgestalter als auch an Schriftanwender, die mehr über die Zusammenhänge der Lesbarkeit von Schrift erfahren möchten, um ihre Schriftentwürfe oder -anwendungen leserlicher gestalten zu können.
Das Buch bietet in dieser Hinsicht jedoch eher ein generelles Verständnis der Zusammenhänge und ist kein Lehr- oder Nachschlagewerk im klassischen Sinne. Die Autorin spricht also keine klaren Empfehlungen für bestimmte Schriftarten oder Satzparameter aus, sondern klärt über die Prinzipien auf, wie sich sich aus historisch/gestalterischer Sicht darstellen bzw. entwickelt haben und wie sie aus wissenschaftlicher Sicht aktuell zu bewerten sind.
Fazit: Ein empfehlenswerte Lektüre für alle, die tiefer in das Mysterium Leserlichkeit eintauchen wollen und mit englischen Fachtexten keine Probleme haben.
bearbeitet von Ralf Herrmann
Untertitel: designing for legibility
Autor(en): Sofie Beier
veröffentlicht: 2012
Verlag: Bis Publishers
Sprache: englisch
ISBN: 978-9063692711