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Jan Brede

Hallo

mich würde mal interessieren, wie der Beruf des Schriftsetzers heutzutage aussieht.

Insbesondere in Bezug auf das Setzen von Büchern.

Wie geht das vor sich? Bekommt der Setzer ein Manuskript, liest es und tippt es dann

samt aller typographischer Feinheiten (auch die ich nicht näher eingehen will, da ich sie

nicht kenne;-)) ein?

Oder liefert der Autor das Manuskript in digitaler Form und der Setzer konvertiert es dann

in ein entsprechendes Format/Setzprogramm.

Ich komme auf diese Frage, da ich gerade das Buch "Garamonds Lehrmeister" lesen

und der Beruf dort so herrlich Romantisch rüberkommt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass von dieser Romantik (zumindest kommt es mir dort romantisch vor, auch wenn es harte Arbeit war) heute nicht mehr viel übrig ist....oder liege ich da falsch?

Kann mir jemand einen Einblick in den Beruf des Schrift(Buch)setzers, wie er sich heute darstellt, geben?

Gruss

Jan

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Sebastian Nagel

Ich beschreibe das mal für ein Fachbuch mit durchgängigem Text in mehreren Kapiteln, kleinen Abbildungen, Tabellen, etc. (aber kein illustriertes mehrschichtiges Werk).

Also ich kriege ein Word-Dokument, zu dem ich vorher mit dem Autor vereinbart habe, dass er den Text korrekt logisch strukturiert (Überschriften-Ebenen sind zugewiesen, Formatierungen sind keine vorhanden, Form der Anmerkungen sind vereinbart).

Dieses wird samt Dokumentstrukturierung mit der Word-Importfunktion von Indesign in ein dafür vorbereitetes leeres Dokument (entstanden aus einem Entwurf mit Probetext, Musterseiten, etc.) geholt. Die importierten Absatz-Formatvorlagen werden dann entweder roh formatiert oder schon vorbereiteten in Indesign zugewiesen, damit alles einheitlich aussieht. Meist kann man dann schon mal einen groben Eindruck bekommen ob das alles klappt.

Dann wird das Dokument per automatischem Suchen/Ersetzen auf lokale Formatierungen abgeklappert (kursive Worte etc.), und diesen entsprechende Zeichenvorlagen zugewiesen.

Danach kommen Autoren-Anmerkungen dran, je nach Art gibt es auch hier Formatierungen zuzuweisen.

Dann kommt eine gewachsene Liste an Suchen/Ersetzen-Läufen auf Zeichenebene hinzu, um gleich mal Dinge wie mehrere Leerschläge, Abstände vor Satzzeichen, Gedankenstriche, Abkürzungen wie "z.B." etc. zu finden und für typografisch korrekte Darstellung vorzubereiten. Auch das nach Möglichkeit voll automatisiert, wobei man bei jedem Lauf erst kontrolliert ob die Methode nicht potentiell Information vernichtet.

Dann wird das Dokument mehrfach durchgesehen um eventuelle Störfälle, vergessene Ersetzungsmöglichkeiten, etc. zu finden, bis man dann einen Text vor sich hat, bei dem man ruhigen Gewissens mit dem Umbruch beginnen kann ohne Angst haben zu müssen ihn wieder verwerfen zu müssen weil sich Dinge signifikant ändern.

Jetzt ist die Frage wieviel Aufwand betrieben werden will. Entweder man verwendet den Adobe Absatz-Setzer, überlässt also der Automatik den groben Umbruch, und greift korrigierend ein wenn notwendig (das geht ganz gut bei breiten Spalten und Blocksatz), oder man geht Absatz für Absatz, Zeile für Zeile durch und erzeugt schönen Umbruch mit möglichst wenig bzw. sinngemäßen Trennungen. Hier ist es essenziell wie die Umbruch-Voreinstellungen in der Formatvorlage eingestellt sind, weil sich dadurch entscheidet ob man alle 5 Minuten wütend aus dem Zimmer rennt oder meditativ und zufrieden 10 Stunden vor sich hin werkelt und dabei alles andere vergisst.

Schönen Umbruch erzeugen heißt, bewusst bedingte Trennmarken setzen um die Software zu zwingen dort umzubrechen und nicht wo anders, eventuell Wortabstände leicht zu reduzieren damit gewisse Silben noch in die obere Zeile passen, etc.

Da man dabei das Dokument von oben nach unten durchgeht, fallen einem nicht oder falsch zugewiesene Formate, nicht oder falsch ersetzte Zeichen, etc. mit größter Wahrscheinlichkeit auf, und man kann korrigierend eingreifen. Da man idealerweise immer das erste Vorkommen des Fehlers entdeckt, hat eine nachträgliche Korrektur keinen Einfluss auf bereits umgebrochenen Text, sondern nur auf darauf folgenden, der noch im Rohzustand ist. Auch stößt man oft noch auf Tippfehler oder offensichtliche Rechtschreibfehler, die man, bei kritischen Texten und Fehlern möglichst in Absprache mit dem Autor, korrigiert.

Dazwischen drin gibt es dann noch lustige Dinge wie Tabellen, Abbildungen, Randspalten, Bildunterschriften, (Fußnoten), etc. die platziert und idealerweise im Text verankert werden wollen.

Nach dem Umbruch beginnt man wieder am Anfang des Dokuments, und sieht zu, dass sich die Seitenwechsel möglichst sinnvoll ergeben. Das lässt sich durch Leerzeilen, Abstände vor und nach Tabellen oder Abbildungen, und – je nach Text und Autor erlaubt oder nicht erlaubt – dezente Kürzungen zur Einsparung von Absatz-Ausgangszeilen recht gut bewerkstelligen.

Oft gibt es dann, wenn der Autor oder Lektor den gesetzten Text zurück erhalten noch einen Korrekturgang, allein schon weil sie den Text in neuem Licht sehen und Fehler dadurch wieder auffallen die man vorher schon überlesen hat, was bewirkt dass man manche Dinge nochmal umbrechen muss, was aber immer nur Auswirkungen für den betroffenen Absatz hat und relativ harmlos ist.

Am Ende macht man dann Inhaltsverzeichnisse, Abbildungsverzeichnisse, Quellenvermerke, setzt eventuell querverweisende Seitenzahlen im Text ein (bis dahin Platzhalter), und bereinigt offengebliebene Fragen, Notizen, etc.

Romantisch? Ich finde schon. Setzen dauert lange, ist meditativ, man braucht viel Detailwissen, muss konsequent bleiben ("Gleiches gleich behandeln") und den Überblick wahren können.

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Den Beruf des Schriftsetzers gibt es heute überhaupt nicht mehr.

Was Sebastian beschreibt, ist natürlich die Idealvariante. Bei normalen Büchern wird aber nicht mehr viel Hand angelegt. Das digitale Manuskript (Word-Datei) wird für das Satzsystem des Verlages aufbereitet – der Rest geht quasi vollautomatisch. Und zunehmend wird sogar direkt die Druckvorlage aus Word erstellt.

Ralf

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Pachulke
Den Beruf des Schriftsetzers gibt es heute überhaupt nicht mehr.

Damit habe ich es quasi amtlich, daß ich ein Fossil bin.

Ich bin damals ja im letzten Jahrgang gewesen, der noch Bleisatz gelernt hat, und das zu einer Zeit, als im Westen schon seit vielen Jahren keine Bleisetzer mehr ausgebildet wurden.

Obwohl ich nun seit ca. 18 Jahren am Mac sitze, bin ich immer noch nicht vom Schriftsetzer zum Mediengestalter mutiert. Mein Berufsverständnis und meine Arbeitsweise entspricht tatsächlich mehr Jans als Sebastians Beschreibung. Ich mache vom Manuskripteingang bis zum fertigen Produkt möglichst alles selbst. Kunden, die kein Manuskript, sondern Daten bringen wollen, habe ich früher grundsätzlich weggeschickt, heute ist das freilich nicht mehr hundertprozentig durchzuhalten. Diese Denkweise kommt noch aus einer Zeit, da es zwischen Mac- und DOS-Systemen keine Brücken gab, es also ohnehin gar nicht möglich war, Kundendateien zu übernehmen. Aber eigentlich will ich das auch gar nicht. Der Preis dafür ist, daß ich im wesentlichen auf das Akzidenzfach beschränkt bin, da meine Arbeitsweise für eine Buchproduktion zu unwirtschaftlich ist. Im Akzidenzbereich denke ich aber immer noch, daß der Mehraufwand an Handarbeit dadurch aufgewogen wird, daß man sich den ganzen Ärger erspart, den Kundendaten so mit sich bringen.

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Sebastian Nagel
Mein Berufsverständnis und meine Arbeitsweise entspricht tatsächlich mehr Jans als Sebastians Beschreibung.

Wenn ich das richtig interpretiere: während du das Dokument von Grund auf "aufbaust", "modelliere" ich die Daten die ich bekomme so weit bis die angestrebte Qualität erreicht ist.

Ich habe ja bei meiner Methode oft den Eindruck, zuviel Aufwand zu betreiben, bzw. es beschleicht mich das Gefühl, dass ich meinen Kunden damit in Unkosten stürze. Andererseits habe ich noch keine andere Methode gefunden, einen gewissen Qualitätsanspruch zu wahren – und das ist schon ein Ziel von mir, die allgemein eher schlechter werdende visuelle Qualität meiner Umwelt (was sich meiner Meinung nach vor allem im immer weiteren Weglassen von Details, die nicht für "Wert" befunden werden, ausdrückt) nicht noch mehr zu verwässern sondern eher gegenzusteuern. Und schneller kann ich einfach nicht...

Ralf: Weißt du wie diese verlagsinternen Satzsysteme namentlich heißen? Schon unser Typolehrer hat von diesen gesprochen, und es klingt immer so als hätten die nochmal ihr spezielles Geheimrezept weitab von den Werkzeugen von Mediengestaltern. Sind das einfach verlagsoptimierte TeX-Systeme?

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Ralf: Weißt du wie diese verlagsinternen Satzsysteme namentlich heißen?

3B2, PageOne, Oasys, TUSTEP, PowerPublisher …

Geheimrezepte haben die auch nicht. Es geht einfach darum Textmassen schnell und strukturiert zu setzen – im Gegensatz den InDesign-Kämpfern am Einzelplatz.

Ralf

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RobertMichael
Den Beruf des Schriftsetzers gibt es heute überhaupt nicht mehr.

Damit habe ich es quasi amtlich, daß ich ein Fossil bin.

ich auch :D

habe noch bleisatz 'gelernt' und sitze trotzdem lieber an meinem rechner.

bin einer der letzten schriftsetzer die sich noch schriftsetzter nennen dürfen.

alle nach mir sind mediengestalter.

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Jan Brede

Vielen Dank für die Antworten.

ich befürchte ich muss mein verklärtes Bild des Schriftsetzer-Berufs (ich weiss, gibts nicht mehr) leider revidieren. Es schein sich in der modernen Praxis hauptsächlich um das

"in Form bringen" des Textes zu handeln.

Was mich jedoch noch interessiert: In wie weit ist der Setzer mit dem jeweiligen

Text vertraut? Um z.B. bestimmte Textelemente durch Kursive oder Kapitälchen

hervorzuheben, muss der Setzer den Text doch gelesen haben, soweit solche

Dinge nicht schon vom Autor erledigt wurden.

Nebenbei! In einigen Wochen wird bei mir in der Nähe in einer alten Druckerei

ein "Schnupperkurs" im Setzten und Drucken mit alten Holz- und Bleilettern angeboten.

Bin gespannt in wie weit sich mein roantisches Bild danach bestätigt sieht oder den Bach runtergeht;-)

Gruss

Jan

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Sebastian Nagel

Naja, das Zusammensetzen des Textes aus beweglichen Bleilettern war ja einfach eine technische Gegebenheit, keine Erfindung, um den Text den man verarbeitet besser verstehen zu können. Insofern war es auch damals schon ein "in Form bringen", nur konnte der Text eben nicht direkt vom Manuskript übernommen werden, weil die technischen Übersetzungsmöglichkeiten nicht gegeben waren – Schreibsystem und Satzsystem waren einfach inkompatibel. Da heute beide die gleichen Grundbausteine verwenden (Computer-Codepunkte, die per Konvention einem bestimmten Zeichen zugeordnet sind), kann hier direkt übernommen werden was früher übertragen werden musste.

De facto macht man aber immer noch ziemlich viel mit dem Rohtext (automatisch, halb-automatisch oder manuell), man erspart sich lediglich, das Manuskript nochmal abzutippen, und bekommt, bei guten erstellten Vorlagen, schon eine logische Textstrukturierung mitgeliefert.

Wie weit bin ich mit dem Text vertraut? Sehr. Ich überfliege auf alle Fälle recht genau einen Ausdruck des Manuskripts, um den Inhalt und die Strukturierung erfassen zu können. Darauf aufbauend kann ich erst eine Vorlage erstellen, ich muss ja wissen was alles im Text vorkommt, welche Elemente es gibt.

Während des Durcharbeitens im Umbruch gibt es dann kaum eine Textstelle die ich nicht gelesen habe. So bin ich gleichzeitig nochmal eine Lektoratsstufe, indem ich Fehler und Inkonsistenzen finde, aufzeige oder gleich korrigiere, die mich als Setzer eigentlich gar nichts "angehen" würden sondern Sache des Autors und Lektors sind.

Aber wie Ralf schon sagte: Ich mache da wahrscheinlich etwas, was im Vergleich zu automatisierteren Systemen sogar noch ziemlich nahe an das manuelle Setzen von "früher" herankommt, nur eben mit aktuellen Werkzeugen.

So einen Kurs sollte übrigens jeder mal gemacht haben, allein schon um den Vergleich zu haben.

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BuchStabe
Was mich jedoch noch interessiert: In wie weit ist der Setzer mit dem jeweiligen

Text vertraut? Um z.B. bestimmte Textelemente durch Kursive oder Kapitälchen

hervorzuheben, muss der Setzer den Text doch gelesen haben, soweit solche

Dinge nicht schon vom Autor erledigt wurden.

Kommt immer drauf an, was der Auftraggeber verlangt (und auch was er investieren will). Bist Du gefragt als inhaltlich Mitdenkender oder soll das Manuskript schlicht druckbar gemacht werden. Ich schaue mir die Texte meistens überblicksweise an und sehe, ob da z.B. noch Nacharbeit notwendig ist und empfehle ggf. weitere Auszeichnungen.

Wenn die gesamte Gestaltung gemacht werden soll mit Einband, Schutzumschlag usw. dann lese ich natürlich den Text und recherchiere dazu. Das ist das Schöne an der Arbeit: Ich lese Sachen auf die ich sonst wohl nie im Leben gekommen wäre. (Es gibt also noch Restromantik.)

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Pachulke
In wie weit ist der Setzer mit dem jeweiligen

Text vertraut? Um z.B. bestimmte Textelemente durch Kursive oder Kapitälchen

hervorzuheben, muss der Setzer den Text doch gelesen haben, soweit solche

Dinge nicht schon vom Autor erledigt wurden.

Die Textauszeichnungen sind ja gemeinhin vom Kunden vorgegeben. Aber ich sehe das auch so wie Sebastian: Eigentlich gehört es zum Berufsbild, mitzulesen (daher auch das viele akkumulierte Halbwissen bei den Schriftsetzern). Normalerweise wissen Kunden das auch zu schätzen, wenn man sie auf die eine oder andere Inplausibilität hinweist. Vielleicht ist das auch nicht so sehr eine Frage des Berufs als der Mentalität: Schließlich gibt es auch in anderen Fächern Dienstleister, die einen auf Probleme hinweisen, die man als Fachfremder übersehen hätte.

Ich könnte nie einfach so Textmengen durch den Rechner ziehen, ohne über den Inhalt nachzudenken; bin da auch ein Freak und habe freilich auch schon mal einen Job (mein Intermezzo an der Linotype) geschmissen, weil ich mit einem zu setzenden Text inhaltlich conträr war.

Den Schnupperkurs mach mal. Das sollte Pflicht sein für jeden, der im graphischen Gewerbe arbeiten will. Man bekommt ein ganz anderes Gefühl fürs Material.

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Jan Brede

Ich könnte nie einfach so Textmengen durch den Rechner ziehen, ohne über den Inhalt nachzudenken; bin da auch ein Freak und habe freilich auch schon mal einen Job (mein Intermezzo an der Linotype) geschmissen, weil ich mit einem zu setzenden Text inhaltlich conträr war.

Is ja klar das ich jetzt frage um was für einen Text es sich handelte,oder?

Falls das nicht schon Allgemeinwissen im Forum ist und nicht zu persönlich...

erzähl doch mal!

Den Schnupperkurs mach mal. Das sollte Pflicht sein für jeden, der im graphischen Gewerbe arbeiten will. Man bekommt ein ganz anderes Gefühl fürs Material.

Ich arbeite nicht in dem Gewerbe. Finde es nur äußerst interessant!

Also wenn ich nochmal vor der Berufswahl stünde und es den Beruf des

Schriftsetzters noch gäbe, wäre es allerdings eine Überlegung wert!

Jan

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