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Schrift zu ähnlich für Vermarktung?

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Dancinghorses

Hallo Forum,

ich stehe etwas ratlos da mit einer Schrift, die ich gestaltet habe. Bitte nicht gleich steinigen bei dem was jetzt kommt. :)

Seit 2007 habe ich an einer Schrift gearbeitet, die auf der Handschrift von Franz Kafka basiert, bzw. diese so getreu wie möglich nachahmt. Ich hab mich damals sehr in das Projekt versenkt und den Schriftmarkt nicht weiter beobachtet...

Ich hab natürlich inzwischen mitbekommen, dass es die umfangreiche „Mister K“ von Julia Sysmäläinen gibt, die auch sehr erfolgreich ist, und das zurecht.

Ich will mich gleich von der Annahme distanzieren, dass ich hier ein Plagiat veröffentlichen möchte - ich hab lange nichts von der Existenz der Mister K gewusst (was ich natürlich mir selbst zuzuschreiben habe), bin dann aus allen Wolken gefallen und steh nun mit einer fast fertigen Schrift da, die viel Arbeit gemacht hat und die ich ungern wieder in der Schublade versenken würde.

Wie sieht das rechtlich aus? Die Vorlage ist natürlich dieselbe (handschriftliche Manuskripte des Franz K.), weswegen die beiden Schriften zwangsläufig ziemlich ähnlich sind. Meine Schrift hat (soweit ich das über die Fontshop-Vorschau der Mister K erkennen kann) trotzdem in den meisten Bereichen andere Zeichen, andere Ligaturen, andere Extras. Sie "läuft" auch anders.

Wir haben an vielen Stellen unterschiedliche gestalterische Entscheidungen getroffen, so dass ich denke, die beiden Schriften könnten auch gut koexistieren. Vom zusätzlichen „Nutzen“ meiner Schrift jetzt mal abgesehen, ich denk mal die Mister K hat sich schon ziemlich gut etabliert und ich könnte da eh kaum in Konkurrenz treten.

Ich hab keine Ahnung, wie die Typoszene auf so etwas reagiert, weil ich da nicht so sehr drin stecke. Wie seht ihr die Situation? Ist es anzuraten, die Schrift über Myfonts anzubieten oder sollte ich da vorsichtig sein? Ich will nicht um jeden Preis meine Schrift veröffentlichen, mit dem Risiko, dass Fontshop mich dann verklagt oder ich mir meinen Namen ruiniere oder so etwas. Dann doch lieber die Schublade..

Würde mich über Meinungen freuen.

Gruß,

dancinghorses

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Sebastian Nagel

Ohne die Schrift jetzt gesehen zu haben, würde ich sowas bedenkenlos veröffentlichen.

Natürlich hast du starke "Konkurrenz" – wobei du die sowieso hast, denn vermutlich suchen die meisten Interessenten einfach eine schwungvolle Handschrift, und nicht explizit nach einer "Kafka-Handschrift". Und selbst wenn: mehr Auswahl ist besser und Mister K nicht die einzig mögliche Lösung für diese Anforderung.

Rechtlich: du hast ja von 0 auf selbst begonnen, und nicht Mister K weiterentwickelt oder gar editiert. Und natürlich hat Fontshop auch nicht die Idee "Digitalisierung von Kafka-Handschriften" für sich gepachtet oder wollte das ein für sich reklamieren. Ich würde mir da also keine großen Sorgen machen, und auch die "Typoszene" wird das vermutlich nicht als böswillig interpretieren.

Was du machen kannst, ist, die Schrift bewusst anders zu präsentieren. Also nicht die gleiche Schiene fahren, und dadurch in der Wahrnehmung einen "Abklatsch" erzeugen, der gar keiner ist, sondern irgendwas bewusst anders machen.

Vielleicht hilft es auch weiter, wenn wir die Schrift mal sehen – zeigen darfst du den Entwurf auf jeden Fall. :)

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Bernd Montag
Ohne die Schrift jetzt gesehen zu haben, würde ich sowas bedenkenlos veröffentlichen.

Ich schließe mich da Sebastian an – es gibt von vielen Bleisatzvorlagen oder Schriftstücken mehrere Digitalisierungen (z.B. von der Schrift der Unabhängigkeitserklärung) ...

Um ganz sicher zu gehen, kannst du ja auch Fontshop mal anschreiben. :?

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Ich stimme meinen Vorredner zu, würde aber empfehlen, dass du bei deiner Präsentation der Schrift immer auch mit dazusagst, dass diese Schrift nichts mit der Mister K zu tun hat – sonst sind die Plagiatsvorwürfe programmiert.

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Dancinghorses

Hallo,

erstmal vielen Dank für eure Einschätzung. Das hört sich ja recht erfreulich an.

Meine Präsentation bisher hat sich sehr am Aspekt der historischen Korrektheit orientiert - die Schrift soll möglichst authentisch und lebendig sein, nah am Original, nah an Kafkas Unregelmäßigkeit, und bleibt daher manchmal auch weniger lesbar (sprich weniger Weinetikettentauglich).

Ich wollte jetzt nicht gleich das ganze Präsentations-PDF hier reinklatschen und hab mal einen Ausschnitt mit Fließtext hochgeladen, denke da wird am ehesten der Charakter der Schrift deutlich.

http://i30.tinypic.com/kefeip.png

(Extern verlinkt weil Bild breiter als Forum)

Ralf, was meinst du in dem Fall genau mit Präsentation? Eigene Webseite, Myfonts-Seite? Wie formuliert man sowas diplomatisch?

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Minimalist

Ich muss da auch noch mal meinen Vorrednern das Wort reden :D Ich glaube nicht, dass eine Handschrift schutzwürdig ist, und den Font hast Du selbst erstellt, also sollte er auch problemlos für sich stehen dürfen. Und ob Bedarf an sowas ist...? Wie viele Garamonds und von Garamonds Typen inspirierte Fonts gibt es eigentlich...? :wink:

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Norbert P

Die Ähnlichkeit ist doch nicht allzu groß, deine ist für meinen Geschmack sogar viel interessanter als Mister K. Aber nenn sie bitte nicht auch so Kafka-verballhornt, schau lieber, ob dich der titel eines seiner Werke inspiriert ...

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Uwe Borchert

Hallo,

Mister K ist doch der formal-bürokratische Kafka? Deine Schrift der Privatmann und Schriftsteller Kafka? Das sind zwei verschiedene Seiten. Darauf kannst Du doch durchaus in der Vorstellung der Schrift verweisen und damit vorab schon mal sagen: Diese Schrift sollte die andere Seite des Franz Kafka zeigen. Sprudelnde Gedanken, schneller als die Hand niederschreiben kann ... {weiteres Marketing-Geschwalle mit Rücksicht auf die Mitleser unterlassen}.

Ps: Herr K klingt gestelzt. Zu Kafka fallen mir Begriffe wie Prag und Urteil, ein. Schau mal durch Kafkas Werke: http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Kafka *grins* Prager Urteilsschrift *lol*

MfG

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Ivo

Zur Schutzwürdigkeit ist ja schon das Meiste gesagt worden. Die Frage ist natürlich, ob ein ausreichender Bedarf für eine weitere solche Schrift vorhanden ist.

Was ich nicht verstehe ist, dass es sehr viele Schriftgestalter gibt, die sich offenbar jahrelang im Kämmerchen einschließen um intensiv an einer Schrift zu basteln, ohne aber einmal zwei Stunden der Recherche im Netz oder im FontBook zu investieren und zu schauen, ob die eigene Idee nicht schon von einem Kollegen umgesetzt wurde, was heutzutage sehr oft der Fall sein dürfte bei einem Angebot von mehreren hunderttausend Schriften. Wir sehen das bei den FontFont-Einreichungen erschreckend oft. Ich bin da immer etwas sprachlos ob der vielen verschenkten Arbeitsstunden.

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Sebastian Nagel
Was ich nicht verstehe ist, dass es sehr viele Schriftgestalter gibt, die sich offenbar jahrelang im Kämmerchen einschließen um intensiv an einer Schrift zu basteln. [ ... ] Ich bin da immer etwas sprachlos ob der vielen verschenkten Arbeitsstunden.

Ich denke, dass das für nicht wenige, speziell talentierte Einsteiger, eben auch erstmal ein Liebhaber- oder Ehrgeiz-Projekt ist, an dem man mit Hingabe, aber etwas blind und irrational arbeitet, und da werden "Störfaktoren" oder Sinnfragen lieber ausgeblendet. Dass da Marktbeobachtung, Bedarfsanalysen und wirtschaftliche Überlegungen etc. im Spiel sind, wie bei einem größeren Anbieter, bezweifle ich. Und Einstampfen geht bei so einem Projekt natürlich auch nicht :) :cry:

Mir geht's bzw. ging es da ja auch nicht anders, vielleicht habe ich den "Vorteil", dass ich mich nicht im Kämmerchen abschotte, sondern die ganzen Entwicklungen aktiv mitverfolge (mich wundert, dass das nur so wenige machen). D.h. irgendwann merke ich dann schon ganz nebenbei, ob ein Entwurf Zukunft hat oder nicht – ob ich dann die Sache ganz aufgebe, auf unbestimme Zeit liegenlasse, umarbeite oder trotzdem so weitermache, in der Hoffnung, speziellen Mehrwert oder eine eventuell gesuchte Variation zu erstellen, ist dann eine andere Frage.

Und: für mich als interessierter Typograf und Schrifteinkäufer wirkt es auch immer wieder anziehend, wenn bei einer Schrift durchklingt, dass sich da wer irrational angestrengt hat, wenn sie oder auch ihre Entstehungsgeschichte also irgend ein "Extra" hat – nützlich oder emotional. Das ist dann natürlich auch keine rein rationale Kaufentscheidung. Natürlich muss die Schrift ihren Job erledigen, aber darüber hinaus zählen dann Sympathiepunkte, die vielleicht das Äquivalent, das vorher da war, nicht hat. (Diese Zielgruppe ist aber bestimmt kein "Massenmarkt".)

Auf die beiden Kafka-Schriften zurückkommend: Diese Hingabe erkennt man in diesem Fall natürlich auch bei Julia Sysmäläinen, keine Frage.

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Dancinghorses

Erstmal danke für die Anregungen. Die Unterscheidung Kafkas Bürokratenschrift - Kafkas Privatschrift gefällt mir spontan sehr. Die Originalmanuskripte lassen ja eher Unterschiede in verschiedenen Lebensphasen erkennen (da bin ich inzwischen zwangsläufig Expertin). Meine Schrift ist größtenteils an die Phase angelehnt, in der er den "Prozess" niedergeschrieben hat. Sehr ausufernd, sehr fahrig.

Ich hab nicht vor, die Schrift mit einem großartig witzigen Namen zu versehen, eigentlich soll sie ganz einfach "Kafka" heißen. Kafka Regular, Kafka Extras (für Ornamente), fertig.

Was Bedarf und Marktbeobachtung angeht, kann ich mich dem von Sebastian gesagten nur anschließen.

Für die nächste Schrift werd ich aber definitiv vorher schauen, was es gibt und was sich lohnt. :)

bearbeitet von Dancinghorses
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  • 3 Monate später...
Gast bertel

Gratuliere!

Hast du das ß absichtlich so gestaltet? Erkennen kann das leider keiner. Mein Nachname liest sich eher wie Wein …

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