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Sperrung in historischen Texten, Spezialfall Zahlen

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Liuscorne

Eine Frage an die Historikerfraktion unter euch:

Ich habe hier Zeitungsartikel aus der Revolutionszeit 1848/49, erschienen in einer preußischen Zeitung, gesetzt in Fraktur. Meine Frage bezieht sich auf Hervorhebungen im Text durch Sperrung. Wie ging man damals mit Zahlen um? Es geht konkret um das Datum 12. April 1822: Der Monat ist gesperrt, die Zahlen nicht (der Punkt schon gar nicht, an diese Konvention meine ich mich zu erinnern). Aus dem Kontext ist klar, dass es darauf ankommt zu betonen, dass es sich bei dem Gesetz, das an diesem Tag Geltung erlangte, um ein ALTES Gesetz handelt, es ist also inhaltlich auszuschließen, dass wirklich nur der Monat hervorgehoben werden sollte. Wenn ich andere Stellen hinzunehme, an denen Zahlen im Zusammenhang mit Sperrungen auftauchen, ergibt sich für mich als typografische Regel der Zeit, dass Zahlen grundsätzlich nicht gesperrt wurden. Ist das so?

Ich frage deshalb, weil wir uns entschieden haben, in der Wiedergabe der alten Texte Sperrungen durch Kursivsetzung aufzulösen. Das führt natürlich im angesprochenen Fall zu Schwierigkeiten, weil "12. April 1822" absurd ist. Meine Lösung besteht im Moment darin, die Zahlen selbstverständlich auch kursiv zu setzen und im Kritischen Bericht allgemein darauf hinzuweisen, dass es Stellen gibt, die im Original nach historischer Konvention nicht gesperrt wurden, aber dennoch sinngemäß Teil der Hervorhebung waren und deshalb auch kursiv gesetzt werden. Das setzt aber voraus, dass meine Annahme bezüglich der Konvention stimmt ...

Und eine Anschlussfrage: Ich nehme an, dass die Regel, nicht zu sperren, auch für die Zählung von Herrschern galt, dass man also in "Friedrich Wilhelm IV." die IV nie gesperrt hätte. Korrekt?

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crB
vor 2 Stunden schrieb Liuscorne:

Und eine Anschlussfrage: Ich nehme an, dass die Regel, nicht zu sperren, auch für die Zählung von Herrschern galt, dass man also in "Friedrich Wilhelm IV." die IV nie gesperrt hätte. Korrekt?

Zumindest hierfür habe ich eine Ausnahme gefunden, da ich hier ein Buch habe, in welchem eine gesprerrte römische Ziffer auftaucht, es stammt allerdings aus dem Jahre 1939 (s.u.) und ist daher evtl. eine Ausname. Allerdings ist es (für mich) recht schwierig, überhaupt Stellen zu finden, in denen es sinnvoll wäre, eine Zahl zu sperren.

 

EDIT: Außerdem habe ich noch ein Beispiel für gesperrte arabische Zahlen gefunden, aus dem Jahre 1929.

 

Zur Abb.: (1) (aus A. Funke: Bismark. der deutſche Menſch. Berlin 1939. S. 163.). Man vergleiche die (gesperrte) römische III in der ersten Zeile mit der (nicht gesperrten) römischen VIII in der 3. Zeile.

(2) (aus E. Lasker: Das verſtändige Kartenspiel. Berlin 1929. S. 49.) Man vergleiche die gesperrte 84 in der vierten Zeile mit der ungesperrten 184 in der siebten Zeile

 

bismarck.png

page0041.jpg

bearbeitet von crB
weiteres Beispiel hinzugefügt
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Gast Arno Enslin
vor 3 Stunden schrieb Liuscorne:

Meine Lösung besteht im Moment darin, die Zahlen selbstverständlich auch kursiv zu setzen und im Kritischen Bericht allgemein darauf hinzuweisen, dass es Stellen gibt, die im Original nach historischer Konvention nicht gesperrt wurden, aber dennoch sinngemäß Teil der Hervorhebung waren und deshalb auch kursiv gesetzt werden. Das setzt aber voraus, dass meine Annahme bezüglich der Konvention stimmt ...

Du könntest doch stattdessen ganz konkret werden und darauf hinweisen, dass du Zahlen, die nicht gesperrt, aber sinngemäß Teil von Hervorhebungen waren, kursiv gesetzt hast. Angenommen die Konvention, arabische Ziffern nicht zu sperren, gab oder gibt es im Fraktursatz, so könntest du trotzdem nicht vollkommen ausschließen, dass der Autor einige der nicht gesperrten Zahlen, die an gesperrte Textstellen grenzen, aus anderen Gründen nicht gesperrt hat. D. h. du kannst eigentlich nicht mit der Konvention argumentieren. Dass aus a immer b folgt, bedeutet nicht, dass b immer aus a gefolgt sein muss.

 

Edit: Wenn du den Text komplett in Antiqua setzt, ist das nicht selbst eine Form der Interpretation, u. z. eine Interpretation, die stärker ist als die sorgfältige Interpretation der Zahlen als Teil von Hervorhebungen?

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Liuscorne
vor 18 Stunden schrieb Arno Enslin:

Du könntest doch stattdessen ganz konkret werden und darauf hinweisen, dass du Zahlen [...] kursiv gesetzt hast.

Kann man natürlich machen, ist aber bei dutzenden Fällen nicht sehr praktikabel und wirkt vor allem unnötig pedantisch (wenn eine schlichte historische Konvention dahintersteckt) und lenkt von den textkritischen Erläuterungen ab, die inhaltlich von größerem Belang sind.

Zitat

so könntest du trotzdem nicht vollkommen ausschließen, dass der Autor einige der nicht gesperrten Zahlen, die an gesperrte Textstellen grenzen, aus anderen Gründen nicht gesperrt hat

Ja, kann man nicht ganz ausschließen, ist aber im Gesamtzusammenhang (und zumal in diesem konkreten Fall) sehr unwahrscheinlich.

Zitat

Wenn du den Text komplett in Antiqua setzt, ist das nicht selbst eine Form der Interpretation, u. z. eine Interpretation, die stärker ist als die sorgfältige Interpretation der Zahlen als Teil von Hervorhebungen?

Bei jeder Textedition gehen Aspekte des Originals verloren, und jede Änderung ist im weitesten Sinne eine Interpretation, klar. Frakturtexte in Antiqua wiederzugeben halte ich dabei allerdings für die unproblematischste Anpassung des historischen Originals. Schwerer wiegt schon die Frage der Auszeichnung: Sperrung in Frakturtexten wirkt (jedenfalls auf mich) in der Tat anders als Kursivsetzung in Antiquatexten; die kursiven Stellen springen mich geradezu an beim Lesen, die gesperrten Passagen in Fraktur tun das nicht in gleicher Weise.

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Þorsten
vor 26 Minuten schrieb Liuscorne:

Sperrung in Frakturtexten wirkt (jedenfalls auf mich) in der Tat anders als Kursivsetzung in Antiquatexten; die kursiven Stellen springen mich geradezu an beim Lesen, die gesperrten Passagen in Fraktur tun das nicht in gleicher Weise.

Ich vermute (auch), dass das stark subjektiv ist. Bei mir ist es jedenfalls umgekehrt: G e ſ p e r r t wirkt auf mich viel hervorgehobener (mindestens so wie fett) als kursiv.

 

Was das oben gezeigte Beispiel angeht, ist mir übrigens aufgefallen, dass sie gesperrten Ziffern dort nicht am Rand, sondern innerhalb gesperrter Passagen stehen. Wären sie nicht gesperrt worden, hätten sie womöglich wie eine Hervorhebung innerhalb der Hervorhebung gewirkt. Vielleicht wurden sie deshalb mit gesperrt? :-?

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catfonts
vor 26 Minuten schrieb Liuscorne:

Auszeichnung: Sperrung in Frakturtexten wirkt (jedenfalls auf mich) in der Tat anders als Kursivsetzung in Antiquatexten; die kursiven Stellen springen mich geradezu an beim Lesen, die gesperrten Passagen in Fraktur tun das nicht in gleicher Weise.

Dann könnte man, wenn diese starke Auszeichnung gewünscht ist, auf Fett zurückgreifen, und hättest die kursive für zusätzlich Anmerkungen und Ergänzungen.

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Gast Arno Enslin
vor einer Stunde schrieb Liuscorne:

Kann man natürlich machen, ist aber bei dutzenden Fällen nicht sehr praktikabel und wirkt vor allem unnötig pedantisch (wenn eine schlichte historische Konvention dahintersteckt) und lenkt von den textkritischen Erläuterungen ab, die inhaltlich von größerem Belang sind.

Meiner Meinung nach reicht es aus, nur einmal darauf hinzuweisen, dass du  auch die Zahlen ausgezeichnet hast. Außerdem: Wenn im gesamten Text Zahlen, die an gesperrte Textstellen grenzen, nicht gesperrt sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine Konvention handelt, mit der Anzahl solcher Textstellen. Vielleicht war das auch eine Konvention, die zwar konsequent befolgt werden musste, aber nur, wenn sich der Setzer dazu entschieden hat, sie überhaupt zu befolgen. Also eher eine Art Empfehlung als eine Konvention – eine schwache Regel.

 

vor einer Stunde schrieb Liuscorne:

Schwerer wiegt schon die Frage der Auszeichnung: Sperrung in Frakturtexten wirkt (jedenfalls auf mich) in der Tat anders als Kursivsetzung in Antiquatexten; die kursiven Stellen springen mich geradezu an beim Lesen, die gesperrten Passagen in Fraktur tun das nicht in gleicher Weise.

Eigentlich gilt die Kursive aber als schwache Auszeichnung. Wie stark sie auffällt, hängt natürlich von der Schrift ab. Aber sofort ins Auge springen, sollte kursiv ausgezeichneter Text eher nicht. Er sollte eigentlich erst auffallen, wenn man beim Lesen auf ihn stößt.

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crB

Zumindest das zweite Beispiel kommt aus einem Buch, von dem ich glaube, dass der Setzer nicht der Allerbeste war (Falls gewünscht, kann ich diesbezüglich Passagen zur besseren Einschätzung veröffentlichen, aber die haben dann nichts mehr mit dem hiesigen Thema).  Von daher kann es durchaus sein, dass konventionsgemäß Zahlen eigentlich nicht gesperrt werden, nur der Setzer diese Konvention nicht gekannt oder bewusst ignoriert hat. Um diese Frage zu klären, wäre es schön, entweder mehr Gegenbeispiele oder gar einen Literaturnachweis zur Sperrung von Zahlen zu haben.

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