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Postkarten-ABC zum Sammeln oder Verschenken …

Formulare gestalten

Martin Z. Schröder

Kaum ein anderes Medium kostet seine Benutzer, Leser und Entwerfer so viel Nerven und Zeit wie Formulare. Ob Rechnungs-, Antrags- oder Bestellformular: Mit viel Aufwand werden in Ämtern und Unternehmen täglich tausende Formulare erstellt, bearbeitet, weggeschickt und abgeheftet. Und trotz viel Mühe von den Kunden kaum verstanden und nur halb ausgefüllt. Formulare prägen das Erscheinungsbild von Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen – leider oft nachhaltig negativ.

»Formulare gestalten« zeigt wie wichtig gut gestaltete und verständliche Formulare sind, die den Kunden nützen und nicht frustrieren.

»Formulare gestalten« ist das Handbuch zur Formulargestaltung. Es hilft systematisch beim Gestalten, ist Nachschlagewerk und umfangreiche Sammlung vieler guter Beispiele gelungener Formularkonzepte.

»Formulare gestalten« richtet sich an professionelle Gestalter sowie Anwender in Unternehmen und Verwaltungen, die Formulare für ihre tägliche Arbeit benötigen und erfolgreicher mit ihren Kunden, Partnern und Mitarbeitern kommunizieren wollen.

Rezension

Eine Landkarte für Amtsschimmel.

Der Designer entwirft den Dialog zwischen Mensch und Verwaltung: Ein Handbuch zur Formulargestaltung

von Martin Z. Schröder

Welche Drucksache erregt am ehesten Unwilligkeit? Das am wenigsten gemochte bedruckte Papier ist das Formular. Es belegt einen Unterschied an Macht, es tritt autoritär auf, es zwingt seinen Benutzer in eine einzige Rolle und weist ihm eine einzige Bedeutung zu. Ein Formular ist starrer Teil eines Dialoges, an dem der Benutzer nach gegebenen Regeln teilnimmt oder nicht. Beeinflussen kann er ihn kaum.

Formulare werden größtenteils von Behörden verwendet, die es bislang selten für nötig hielten, dem Individuum das triste Zwiegespräch aus Frage und Antwort auf vorgedruckten Linien und in anzukreuzenden Kästchen leicht oder sogar verständlich bis angenehm zu machen. Formulare waren bis heute kaum Gegenstand schöpferischer Arbeit von Typografen und Designern. Schon lange ist das Formular auch in die Wirtschaft vorgedrungen. Kunden müssen in standardisierter Form Informationen nennen, um überhaupt Verbindung zu einem Unternehmen aufnehmen zu können.

Einen Studenten des Kommunikations-Designs an der Fachhochschule Potsdam hatte das Thema derart gefangen, daß seine Diplomarbeit den Verlag Hermann Schmidt Mainz von der Idee überzeugte, ein Handbuch daraus zu machen: „Formulare gestalten“, geschrieben, entworfen und gesetzt von Borries Schwesinger, auf feines Papier untadelig gedruckt und vortrefflich in Halbleinen gebunden. Ein Musterbeispiel für ein Buch unserer Zeit, das Konventionen still aufnimmt und zugleich zum Leser unserer Tage spricht. Ein Typografie-Buch in guter Sprache, sauber und gepflegt entworfen, und mit Humor. Also ohne das witzelnde Anbiedern und das weit verbreitete redundante Animationsgehabe einer Design-Bohéme, die auf die Umhängetasche einer Tagung größeren Wert legt als auf die Vorträge.

Die Begeisterung von Borries Schwesinger für seine umfangreiche Arbeit ist so feurig, daß sie auf den Leser dieses Buches überspringen kann, auch wenn dieser kein Designer ist. Oder wenn er schon viele andere Bücher über Typografie gelesen hat.

Wir werden knapp bekannt gemacht mit den frühen vorgefertigten Urkunden des Mittelalters und den ersten gedruckten Formularen: Ablaßbriefen aus der Presse Gutenbergs. Wir sehen gepflegte Formulare, die Kurt Schwitters für die Stadt Hannover entworfen hat. Schwesinger beleuchtet das Formular als Gesprächsmedium und wie wir damit etwas beantragen, belegen, berechnen, berichten, beantworten, bescheiden, melden, erklären, quittieren, protokollieren, wählen, wie wir uns ausweisen und beurkunden lassen. Der Autor zeigt, daß ein Antrag auf einen französischen Führerschein nicht weniger scheußlich aussieht als der „Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - Arbeitslosengeld II/Sozialgeld“ oder daß manche Versicherung und manche Bank ihre Kunden ebenso schmählich behandelt wie der Staat die Empfänger von Finanzhilfe. Die Formulare, die Schwesinger in Europa und Amerika eingesammelt hat, erinnern an eine Landkarte für Amtsschimmel. Dabei wird kein negatives Wort über die Bürokratie verloren, sie bildet immerhin eine Grundlage des demokratischen Staates, um seinen Bürgern möglichst vernünftig und effizient zu dienen. Und eben diesen Charakter, diese Deutung der Beziehungen zwischen Bürger und Institution kann ein gutes Formular sichtbar machen.

Wir lernen, daß der Designer nicht nur Kästchen umverteilt, sondern daß er sich hineindenkt in den Dialog zwischen Mensch und Verwaltung. Er entwirft kein Papier, sondern eine Beziehung. Er muß ein Dokument schaffen, das von beiden Seiten verstanden wird, und im günstigsten Falle ordnet der Designer die ganze Beziehung neu, beispielsweise vom Antrag zum Auftrag, und greift wohltuend in die Verwaltung ein.

Das Handbuch belehrt mit vielen Details über den guten Entwurf, zeigt Formular-Entwürfe für das Internet, und ein Kapitel ist der kommentierten Abbildung gelungener Arbeiten unserer Tage gewidmet. Dieses Werk nährt die Hoffnung, eines Tages ein Päckchen versenden zu können, ohne sich Gedanken über die „Vorausverfügung“ machen zu müssen und daß die Anmeldung eines Gewerbes oder eines Radios nicht schon beim Anblick der häßlichen Formularfratzen den Gefühlshaushalt blockiert. Möge dieses schöne Werk bald überall Verbreitung finden, wo der Mensch standardisiert sprechen soll, auf daß uns der Amtsschimmel freundlich anwiehert statt undeutlich Befehle zu kläffen.

(Originalmanuskript aus der Bibliothek von www.druckerey.de, Erstdruck in der Süddeutschen Zeitung am 18. 1. 2008)


Untertitel: Ein Handbuch

Autor(en): Borries Schwesinger

veröffentlicht: 2007

Verlag: Verlag Hermann Schmidt Mainz

Sprache: deutsch

ISBN: 978-3874397087



Canapé – eine »gemütliche« Schriftfamilie von FDI Type.
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