Nach dem ABC der Typografie erschien in der Designsparte des »Rheinwerk Verlages« ein weiteres umfangreiches Typografie-Buch. Die Autoren Kai Büschl und Oliver Linke erklären auf knapp 400 zweifarbigen Seiten wie man Schriften auswählt und mischt.
Den zwei Kapiteln zu Schriftwahl und -mischung sind ganze vier Kapitel mit Grundlagen vorangestellt:
- »Schrift formal betrachten« mit Einführungen zur Entwicklung der lateinischen Schrift, Schriftstilen und -schnitten, Klassifikationsmöglichkeiten usw.
- »Schrift technisch verstehen« mit Hinweisen zu digitalen Fonts, Fontformaten, Glyphen, OpenType, Variable Fonts usw.
- »Schrift funktional beleuchtet« mit Erklärungen zum Prozess des Lesens und der Rolle von Lesbarkeit und Leserlichkeit.
- »Schrift beurteilen« mit Hinweisen zu Schnitt- und Zeichenausbau, Schriftqualität usw.
Im fünften Kapital kommen wir dann zum Kern des Buches. Die Autoren gruppieren Schriftanwendungen in 15 Gruppen – von grundsätzlichen Unterteilungen wie »lineares Lesen« und »Akzidenztypografie« bis hin zu Spezialbereichen wie Signaletik, Kartografie, und mathematischer Satz. Jede Gruppe wird dann besprochen und in ein tabellarisches Anforderungsprofil überführt. Daraus lässt sich dann leicht ablesen, welche Kriterien relevant sind und welche vielleicht nicht. Satzbeispiele und Abbildungen von Drucksachen erklären die jeweilige Anwendung zudem visuell.
Es folgen knapp 40 Seiten mit ausführlichen Erklärungen zu Strategien der Schriftmischung. Kapitel 7 und 8 bilden dann noch eine Art Bonus mit zusätzlichen vermischten Informationen etwa zu Custom Fonts, Schriftanbietern und zur Schriftlizenzierung.
Fazit:
Grundsätzliche finde ich es weiterhin schade, dass sich Typografie-Bücher so selten ergänzen und die einführenden Informationen in jedem Typografie-Buch erneut wiederholt werden. Ich würde zum Beispiel lieber jeweils ein gutes Experten-Buch zur Entwicklung der lateinischen Schrift und zum Lesen aus wissenschaftlicher Sicht empfehlen, statt die verkürzten Überblicke in ähnlicher Weise in jedem Typografie-Buch wieder vorzufinden.
Wo das Buch dann jedoch brilliert ist der eigentlicher Kern, der sich tatsächlich mit der Schriftwahl und Mischung auseinandersetzt. Die Umsetzung über einen einheitlichen Anforderungskatalog macht die Sache übersichtlich und leicht verständlich. Insbesondere angehende professionelle Gestalter bekommen hier ein praxisnahes Werkzeug an die Hand. Das ebenfalls kürzlich vorgestellte Buch Schriftypen Verstehen Kombinieren ist im Vergleich deutlich akademischer angelegt.
Bei den technischen Erklärungen macht es sich übrigens bezahlt, dass die Autoren nicht nur Schriftanwender sind, sondern auch selbst Schriftgestalter. Hier wird dann entsprechend mehr erklärt als in vergleichbaren Büchern und auch neuere technischen Entwicklungen sind bereits berücksichtigt.
Auffällig gelungen ist auch das Layout das recht großformatigen Hardcover-Buches. Die Möglichkeiten der Schriftmischung und der verschiedenen Anwendungsbereiche (Überschriften, gut lesbare Fließtexte, Bildunterschriften usw.) werden hier perfekt und überzeugend vorgeführt.
Beim anfangs erwähnten Buch »ABC der Typografie« aus dem gleichen Verlag hatte ich noch betont, dass die Texte eher nüchtern und sachlich geschrieben sind. Das hier vorliegende Buch marschiert in die entgegengesetzte Richtung. Politische Bemerkungen, Wertungen und Empfehlungen ziehen sich durch das ganze Buch. Und es spricht freilich nichts dagegen, für die eigenen Werte einzustehen. Der so entstandenen Mischung aus Fachinformationen und Politik stehe ich allerdings eher kritisch gegenüber, da es für die Leser schlicht schwer zu trennen sein wird, ob bestimmte Aussagen nun typografisches Wissen oder politisch motivierte Behauptungen sind.
Daten zum Buch:
- Titel: Schrift. Wahl und Mischung
- Verlag: Rheinwerk Verlag
- Veröffentlicht: 2021
- Seiten: 399
- Ausführung: Hardcover in Fadenheftung. Format 21 x 28 cm
- ISBN 978-3-8362-6171-5
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