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Wieviele verschiedene Bleischriften hat es gegeben?

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gutenberger

Martin, natürlich werden wir nicht auf eine halbwegs genaue Zahl kommen, aber so eine ungefähre ganz grobe Größenordnung würde ich doch gerne wissen. Also so etwa ungefähr 5000 plusminus x oder 10000 oder gar nur 2000 oder doch 20000?

Das mit den Initialen ist keine leichte Frage. Ich würde aber denken, dass die meisten Initialen zumindest der Frühdruckerzeit nicht gegossene Schriften, sondern geschnittene Unikate gewesen sein dürften, von denen vermutlich viele nicht mal das Alphabet zusammenbrachten. Und deshalb nicht als Schrift gezählt werden müssten.

Und die Zahl der gegossenen Schriften dürfte trotzdem deutlich niedriger sein als die der Inkunabeln. Sie wurden ja oft auch mehrfach verwendet und dann noch verkauft und vererbt und von ganz anderen Druckern wieder benutzt.

Ich glaub die schwierigste Zeit überhaupt eine Zahl zu schätzen dürfte die nach 1600 und vor etwa 1850 sein - da gabs ja alles von schriftgießenden Druckern über schriftentwerfende Verleger bis hin zu den eigentlichen Schriftgießern und jede Menge ambitionierter und fleißiger Amateure dazwischen ...

Die Frage kam mir in den Sinn, weil ich gerade an einem Artikel schreibe und mich fragte, ob man schreiben kann, dass im Unterschied zum heutigen Computersatz mit seinen Zehntausenden Fonts der Bleisatz "nur" Hunderte oder doch Tausende Schriften zur Verfügung hatte. Natürlich nicht der einzelne Bleisetzer, der konnte ja bekanntlich oft nur aus ein paar wenigen oder bestenfalls einigen Dutzend Schriften wählen. Sondern eben der Bleisatz insgesamt als praktisch abgeschlossenes Sammelgebiet.

Ich werde gelegentlich durchaus gefragt, wieviel Bleischriften ich hab, oder wieviele es insgesamt gab. Und hab mir bis gestern noch nie Gedanken darüber gemacht ...

 

PS: Ist natürlich auch wirklich schwierig mit dem Verhältnis von Schrift(familien) und Schnitten. Ich hab grade mal spaßeshalber meine Setzerei ganz grob gezählt: es sind knapp 150 Schriften in Blei, aber erstaunlicherweise "nur" etwa 220 verschiedene Schnitte. Die Zahl wird natürlich von Schreib- und Werbeschriften mit nur einem Schnitt gedrückt, vermutet hätte ich aber vor der Zählung deutlich mehr ...  

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Martin Z. Schröder

Mir erscheint diese Frage auch höchst interessant. Und ich weiß auch nicht, wieviele Schriften ich genau habe. Ich weiß seit meinem Umzug nur, daß es 320 Setzkästen sind. Schriften: etwa 70, drei gut ausgebaute, etliche einzeln, und vieles dazwischen.

 

Ich hatte während meines typografiefernen Studiums das Vergnügen, ein wenig in Statistik hineinzuschnuppern, und seither glaube ich, solche Zahlenwerke besser zu verstehen. Das wichtigste ist immer die Erhebungsmethode, und hier ist mir nach wie vor unklar, wie Schrift definiert wurde.

 

Wenn die Kolumnenhöhe ein Kriterium für einen Schriftschnitt ist, würde ich annehmen, daß das nicht genügt. Wenn Postinkunabeln mitgezählt werden, wird es sehr unübersichtlich, denn die werden mitunter bis 1550 dazugezählt, womit sich der Zeitraum verdoppeln und die Zahl der Titel vervielfachen würde. Dann wäre zu erforschen, wieviel verschwunden ist, das kann man vielleicht ganz gut, wenn man die einzelnen Druckereien mit ihren Geschichten kennt. Ich weiß nicht, ob das aber möglich ist. So eine Art Dunkelfeldforschung. (In der Kriminologie (das war im Studium mein bevorzugtes Gebiet) gibt es sogenannte doppelte Dunkelfelder, also Bereiche, die die Dunkelfeldforschung nicht aufhellen kann. Bei Handtaschendiebstahl ist das Dunkelfeld winzig, bei Ladendiebstahl oder Kinderdelinquenz wirklich dunkel.) Bei Inkunabeln: Kalender dürften ein Schwachpunkt sein, ebenso verbotene Literatur. Von der in 180 Exemplaren gedruckten Gutenbergbibel (B42) existieren heute nur noch 49 Stück (laut Füssel 2008), teilweise in Fragmenten. Also weniger als ein Drittel von diesem großen Werk. Was wird wohl mit kleineren Büchern geschehen sein?

Wegen dieser unübersichtlichen Lage und der noch lange nicht abgeschlossenen Forschung scheint es mir sehr schwierig, allein die Zahl der Titel zu schätzen. Vielleicht ist es sogar einfacher, die Zahl der geschnittenen Schriften zu schätzen, die dann in verschiedenen Offizinen gegossen und verwendet wurden, aber ich habe noch keinen nachvollziehbaren Kriterienkatalog gefunden, aus dem hervorgeht, wie man das feststellt.

 

Die 6000 Schriften der Inkunabelzeit kann ich nicht glauben. Das ISTC-Verzeichnis erfaßt 271 Druckorte für Inkunabeln. Das sind zwei Zahlen, die man schwerlich korrelieren lassen kann. Mir ist die Erhebungsmethode für die 6000 unklar.

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lars.schwarz

Korrelation Schriften zu Druckort?

 

Ich kann es gerne etwas mit Zahlen anreichern, wenn es hilft: In Venedig waren es ca. 3600 Titel, in Paris knapp 3200, in Rom 2000, gefolgt von Köln mit fast 1600 ... es sind etwa 10 Städte mit über 1000 Titeln/Drucken, aber auch viele mit nur wenigen Drucken (Städte mit nur 1 bekannten Druck gibt es laut ISTC 50).

 

Wenn man sich jetzt Venedig anschaut kennt das TW ca. 280 Drucker wovon aber fast 50 namentlich nicht bekannt sind (Schnittmengen mit bekannten Druckern) und andere mehrere Offizine hatten, also sind es effektiv vielleicht 200 Drucker gewesen die zusammen 3600 Titel veröffentlicht haben.

 

Baptista de Tortis hat es immerhin zu 182 Titeln gebracht (fast doppelt so viele wie Jenson) und das mit 23 »unterschiedlichen« Schriften. Bonetus Locatellus kommt auf 15 Schriften in 152 Titeln, Andreas Torresanus 109 Titel mit 25 Schriften usw. usw. 

 

Zur Erinnerung: Schriften bedeutet hier das eine 8p Futura eine andere Schrift ist als eine 12p Futura. 

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Martin Z. Schröder

Das hilft durchaus. Und auf jeden Fall, meinen Denkfehler »Druckort = Druckerei« zu erkennen, danke!

 

Mit der Suche in der GW-Datenbank (http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de/) komme ich nicht ganz zurecht. Wenn ich das Jahr 1500 und den Ort Venedig eingebe, nennt das System 421 Treffer für Drucker. Für das Jahr 1499 sind es 220 Treffer. Beide Zahlen wären doch viel zu hoch, wenn es für die gesamte Inkunabelzeit rund 200 gewesen sein sollen?

 

Es werden wahrscheinlich enorm viele Titel verloren sein, all diese Kalender mit Heiligen und Aderlaßterminen, all diese Schulbücher.

 

Wenn ich mir das so überlege, erscheint es mir jetzt durchaus plausibel, daß es jedenfalls viele Schriften gegeben hat. Die Offizinen waren zum Teil recht große Betriebe, schon Gutenberg hatte wohl ein Dutzend Angestellte. Anton Koberger soll um die hundert Setzer und Drucker gehabt haben.

 

Die Druckereien haben aber ihre Schriften nicht alle selbst geschnitten, es gab sowohl Lieferungen als auch wandernde Schriftschneider wie die Schüler Torys und Garamonds.

Es muß doch auch Forschungen zu den Druckschriften geben. Ich kann mir nicht recht vorstellen, daß man sich in den Forschungsinstituten mit der Schriftgröße, zudem wenn sie so eigenartig gemessen wird, zufrieden gibt.

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lars.schwarz

Bei der Suche nach 1500 fischt er alles mit raus, was im Text auch den Vermerk "eventuell nach 1500?" (Postinkunabeln) hat. Eine Suche nach 1499 und 1498 ergibt sinnvolle Ergebnisse.

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Lars Kähler

Thomas Brückhändler und ich haben die Messlatte mit der ersten, auf Typo3 basierenden Version des »Digitalen Seemann« schon recht hoch gehängt, finde ich.

 

Lars, ich wünsche Dir gutes Gelingen und bin schon gespannt auf die Veröffentlichung. Heute abend noch? Es ist jetzt 21:44 Uhr?

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lars.schwarz

Für alle die ... bzw. für den einen der scheinbar schon ungeduldig vom einen auf's andere Bein hüpft: So sieht es bis jetzt aus, bin aber noch nicht zufrieden und fertig, daher wird's heute nichts mehr (ja, die Bilder werden bei Klick "gross").seemann.png

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lars.schwarz

Thomas Brückhändler und ich haben die Messlatte mit der ersten, auf Typo3 basierenden Version des »Digitalen Seemann« schon recht hoch gehängt, finde ich.

 

Kann ich nicht beurteilen, die Version kenne ich nicht. Gibt's die irgendwo online?

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Lars Kähler

Die Vergrößerungen waren natürlich nur zu sehen, wenn man mit der Maus darüber fuhr bzw. sie mit einem Doppelklick oben »festnagelte«

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Lars Kähler

Doch, doch. Sämtliche Bilder kamen ja aus dem Seemann, den ich höchstselbst, aber leider nur mit 150 dpi Graustufen, abgescannt und die Schriftenbeispiele einzeln händisch in Photoshop zerlegt hatte. Thomas Maier mit seinen 720 dpi RGBs Scans ermöglicht die archivarische Betrachtung, will heißen: eine noch höhere Auflösung ist sinnfrei. Am Seemann wird die ganze Vielfalt des typografischen Schaffens der Vorkriegszeit deutlich.

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gutenberger

Werbung für irgendwelche früher mal im Netz gewesenen Seemannscans helfen nicht wirklich beim Beantworten der Frage bzw. bei einer halbwegs gescheiten Schätzung ... und werden durch Wiederholung auch nicht hilfreicher.

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