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Buchvorstellung: Karbid – Berliner Lettering

Ralf Herrmann

Erst vor kurzem haben wir das Buch über die Münchner Schildermalertradition des Herstellers Blaschke vorgestellt. Nun legt auch Berlin nach – und nochmal einen drauf. Das Buch »Karbid, Berlin – de la lettre peinte au caractère typographique« beschäftigt sich mit der Berliner Schildermalertradition.  

 

Ausgangspunkt für das Buch ist ein Projekt von Verena Gerlach. In den 1990er-Jahren durchstreifte sie den Nordosten Berlins zwischen Hackeschem Markt und ihrer damaligen Hochschule, der KHB in Weißensee und hielt dabei die zahlreichen erhaltenen Schriftmalereien fotografisch fest. Viele waren bereits vor dem 2. Weltkrieg entstanden und hatten im Ostteil der Stadt bis in den 1990er-Jahre überlebt. In der Auseinandersetzung mit diesen Inschriften entwickelte Verena Gerlach schließlich die Schrift Schrift FF Karbid (siehe Font-Wiki).

 

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Der Name Karbin stand auch für das hier vorliegende Buch Pate. Darin werden sowohl die Schrift präsentiert als auch Verena Gerlachs »Buchstabenportraits« ausgebreitet, deren dokumentarischer Wert heute um so bedeutender ist, als die Auslöschung der alten Inschriften durch Renovierungsmaßnahmen nunmehr fast gänzlich abgeschlossen ist. Die Serie von Vorher-Nachher-Bilder am Ende des Buches belegt dies eindrucksvoll.

 

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Einführende Worte gibt es zunächst von Fred Smeijers und Sébastien Morlighem. Den Hauptteil des Buches machen neben den Bildern Gerlachs die zwei Essays von Fritz Grögel aus.

  • Die Schrift der Maler – Zu Geschichte und Formen des deutschen Letterings.
  • Zeugen des Alltags – Berliner Schriftenmalerei im Portrait

Grögel setzt sich also sowohl mit der Geschichte der Schildermalerei im Allgemeinen auseinander, als auch spezifisch mit den diesbezüglichen Entwicklungen in Berlin. Dies ist insbesondere deshalb interessant, da die Beschriftung im öffentlichen Raum trotz ihrer Omnipräsenz im Alltag im Fachbereich der Typografie meist links liegen gelassen wird, da es hier vornehmlich um die Drucktypografie mit Satzschriften geht. Somit ist die Recherche-Arbeit Grögels umso wertvoller, da sie mit vielen interessanten historischen Details aufwarten kann, die sich in gängigen Typografie-Büchern kaum finden werden.

 

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Das größtenteils zweifarbig gestaltete Buch ist natürlich selbst auch in FF Karbid gesetzt und fungiert somit gleichzeitig als Schriftmusterbuch für die Karbid-Schriftsippe. Genau dies bereitete mir beim Lesen jedoch auch ein bisschen Unbehagen. Einerseits ist die Karbid nicht wirklich eine perfekte Fließtext-Schrift. Ihre eigenwilligen Details, die im Sinne ihres Ursprungs in Schildermalerschriften verständlich sind, lenken im Fließtext doch noch ziemlich ab – auch wenn sie in der Unterfamilie FF Karbid Text deutlich zurückgenommen sind. Und andererseits erzeugte diese Mischung aus Schriftmusterbuch und Fachbuch auch einen gewissen inhaltlichen Konflikt zwischen dem werblichen Nutzen eines Schriftmusters und dem rein fachlich und sachlich informierenden Inhalt der Texte.

 

»Karbid« ist dreisprachich (Deutsch, Französisch und Englisch) gesetzt und bei Ypsilon Éditeur erschienen. Das Buch kann direkt beim Verlag bestellt werden.

 

Weitere Rezensionen zu Typografie-Büchern gibt es in unserem Typo-Wiki

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Canapé – eine »gemütliche« Schriftfamilie von FDI Type.
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