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Sprache: Fonts kaufen oder lizenzieren? Was ist korrekt? Die Antwort dürfte viele überraschen

Ralf Herrmann

Wo Schriften professionell eingesetzt werden, kommen oft auch kommerzielle Fonts zum Einsatz. Grafikdesigner A könnte zum Beispiel sagen: »Ich habe die Helvetica für dieses Projekt gekauft«. Grafikdesigner B widerspricht dann womöglich: »Du hast die Helvetica nicht gekauft! Du hast sie lizenziert!«. Das ist gut gemeint, doch ist es wirklich korrekt? Schauen wir uns dies einmal genauer an. 

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Die meisten Leser werden wissen, worauf Designer B hinaus will. Es geht darum, dass man an digitalen Schriften kein Eigentum erwerben kann. Sind immaterielle Güter an ein physisches Objekt gebunden, ist die Übertragung des Eigentums noch möglich. Man denke an ein Buch mit einem urheberrechtlich geschützten Text, einen Tonträger mit Musik, eine gerahmte Fotografie und so weiter. Fällt der physische Träger jedoch weg, bleibt nur das immaterielle Gut übrig und es fehlt das zur Übertragung des Eigentums geeignete Objekt. Die Nutzbarmachung des immateriellen Gut erfolgt deshalb auf eine rechtlich andere Weise: der Lizenzierung. Der Inhaber der Schutzrechte (Lizenzgeber) räumt damit Lizenznehmern eine Nutzung unter vertraglich definierten Bedingungen ein. Vereinfacht gesagt: man erhält eine offizielle Erlaubnis zur Nutzung des immateriellen Gutes. Man kann eine Lizenz auch in Bezug auf mögliche Folgen der Lizenzierung bzw. fehlenden Lizenzierung verstehen: der Lizenzgeber sichert dem Lizenznehmer mit Vertragsschluss zu, diesen nicht zu verklagen. Denn standardmäßig ist die ungefragte Nutzung der immateriellen Güter nicht gestattet und könnte rechtliche Folgen haben. Ein urheberrechtlich geschütztes Foto oder Musikstück zum Beispiel kann nicht einfach öffentlich verwenden. Mit der Lizenz sichert der Lizenzgeber also zu, den Lizenznehmer nicht zu verklagen, solange dieser sich an die vertraglich vereinbarten Bedingungen hält. 

Man beachte nun sehr genau die Wortwahl! Denn »eine Erlaubnis erteilen« und »eine Erlaubnis erhalten« sind natürlich unterschiedliche Dinge.

Lizenzierung ist rechtlich unmissverständlich als der Prozess der Gewährung der Lizenz durch den Lizenzgeber definiert. Es sind also Schriftanbieter, die Schriften lizenzieren, nicht Schriftnutzer. 

Warum wird der Begriff von Lizenznehmern dann regelmäßig falsch (weil umgekehrt) verwendet? Vermutlich, weil wir dazu tendieren, den aktiven Vorgang beschreiben zu wollen. Niemand sagt »ich war gestern im Buchladen und habe mir ein Buch verkaufen lassen«, auch wenn dies sprachlich möglich wäre. Wir wollen beschreiben, was wir getan haben. »Wir haben im Buchladen gekauft« und analog dann »wir haben bei MyFonts lizenziert«. Doch beim Einholen einer Erlaubnis ist diese Sprechweise einfach nicht möglich. Wir können einerseits ausschließlich auf die Erlaubnis verweisen: »die Helvetica wurde für unsere Anwendung lizenziert«. Wenn wir uns selbst in Spiel bringen wollen, könnten wir sagen: »ich habe mir die Helvetica [von Monotype] lizenzieren lassen«. Denn dies bedeutet nichts anderes als: »ich habe mir die Nutzung der Schrift durch den Inhaber der Schutzrechte erlauben lassen«. 

Ein mögliches Gegenargument wäre, dass die umgangssprachliche Verwendung des Begriffs »lizenzieren« schon soweit etabliert ist, dass sie allein dadurch hinreichende Berechtigung erfährt. Doch ist es unwahrscheinlich, dass diese Bedeutung die juristisch etablierte Definition jemals verdrängen kann. Benutzen Schriftnutzer also die Wendung »Schriften lizenzieren«, wenn sie ihr eigenes Handeln beschreiben, führt dies allenfalls zu ständiger Verwirrung. Denn Wörter und Wendungen werden nutzlos, wenn man sie nach der Verwendung sicherheitshalber jedes Mal erklären muss. Man denke an die Probleme um Wendungen wie »nächsten Freitag«. »Also diese Woche Freitag oder den Freitag in der nächsten Woche«? Soweit sollten wir es in Bezug auf die Lizenzierung von Schriften gar nicht erst kommen lassen. Schriftnutzer sollten deshalb der juristischen Definition folgen.

Doch was ist nun eigentlich mit der Verwendung des Begriffs »kaufen«? Auch hier folgen Schriftnutzer oft ihrem Bauchgefühl, das sie leicht auf die falsche Fährte führen kann. In der Tat gehen viele Käufe mit dem Eigentumswechsel einer Sache einher. Doch dies bedeutet keineswegs, dass Kaufen grundsätzlich auf diese Weise definiert ist. Die Definition kann breiter sein und beschreibt dann allgemein den »Erwerb gegen eine Bezahlung«. Und erwerben kann man neben beweglichen und unbeweglichen Sachen eben auch immaterielles: Ideen, Daten und eben auch Rechte, zum Beispiel Nutzungsrechte. Gegen die Wendung »Schriften kaufen« spricht also nichts grundsätzlich, auch wenn dies viele überraschen dürfte. Die Nützlichkeit der Wendung hängt aber davon ab, inwieweit man davon ausgehen kann, dass sie richtig verstanden wird. Unter professionellen Designern zum Beispiel, kann man ein Grundverständnis zur Lizenzierung immaterieller Güter (Fotos, Illustration, Musik, Software etc.) eigentlich voraussetzen.

»Schriften kaufen« ist dann einfach eine abgesprochene und verständliche Kurzform zum »Erwerb von Nutzungsrechten gegen Bezahlung durch den Prozess der Lizenzierung durch den Lizenzgeber unter den Bedingungen des Nutzungsvertrages (End User License Agreement)«.

Das ist in Ordnung! Sprache darf effektiv sein. So wie wir im Alltag »Nimm den Bus!« sagen können, ohne dass jemand gleich an Diebstahl denkt und erwartet, dass das ganze Prozedere des öffentlichen Nahverkehrs und das Lösens eines Fahrscheins jedes Mal im Detail beschrieben werden muss. In einem anderen Kontext, etwa einem Gespräch mit Kunden, könnte der »Schriftenkauf« womöglich aber zu unnötigen Missverständnissen führen, da das Hintergrundwissen zum Lizenzierungsprozess vielleicht fehlt. Hier kann es dann besser sein, auf sprachliche Abkürzungen zu verzichten. 

Übrigens: Nicht nur die Lizenz, sondern auch alle von diesem Wort abgeleiteten Begriffe werden mit zwei »z« geschrieben. Das »Lizenzieren« statt »Lizensieren«. Ich »lizenziere« statt »lizensiere«.

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