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Lars Kähler

Die Schattierung – die ich als echten Druckfehler kenne – hatte ich übrigens nicht gemeint mit „Druckrelief“, sondern die verfahrensbedingte Verdichtung des Bedruckstoffes an den bedruckten Stellen, natürlich auch den Quetschrand, der durch seine Kontrasterhöhung Buchdruckschriften bis heute so gut lesbar macht. Hierdurch entsteht auch die einzigartige Anmutung von Handdrucken, die im Laufe der Jahrhunderte interessante Besonderheiten vorzuweisen hat. Man muss die Inkunabeln von Bodoni schon einmal im Original gesehen haben, um zu verstehen, wie er seine Schriften gemeint hat.

Die „Lebendigkeit der Lettern“, wie wir sie im Handsatz und bedingt auch im Maschinensatz finden, dürfte eine der Eigenschaften dieses Druckverfahrens sein, die im industriellen Bereich, also dem heutigen Offset-, Tief- und auch Flexodruck (!) für immer verloren gegangen sind. Wir drucken heute mit 8 Metern pro Sekunde, sowohl im Zeitungs- als auch im Illustrationsbereich, im Tiefdruck mit derzeit max. 4,20 m breiten Zylindern. Da hat natürlich die typografische Qualität in dieser Hinsicht durchaus gelitten, aber an anderen Stellen konnte sie – auch im Mengen-, Buch oder Werksatz – gesteigert werden.

Ein Experiment, die Individualität des Buchstabenrandes durch PostScript-Algorithmen zu imitieren, ist übrigens die „Beowulf“, deren Outlines beim Rippen jeweils leicht modifiziert wurden. Hat sich aber nicht durchgesetzt, und die Ergebnisse waren auch nicht wirklich überzeugend. Da fehlt dann doch die haptische Anmutung des spezifischen Materials.

Ich hatte den „Mehrzeilensetzer“, von dem „Psocopterus“ sprach, vergessen zu erwähnen. Dies ist eine Eigenschaft von InDesign oder eben TeX, die erheblich zur Verbesserung des Blocksatzes beiträgt. In der Newsgroup de.comp.tex.dtp hatten wir kürzlich eine Diskussion über die Blocksatzqualität aktueller Applikationen, auch im Vergleich zu MS Word. Ich persönlich bin von dieser Funktion über alles angetan, sie bringt auf Anhieb ohne größere Korrekturen akzeptable Blocksatzqualität. Im Gegensatz zum Hand-, Maschinen oder Fotosatz werden für die Berechnung der Trennungen nicht nur die aktuelle Zeile, sondern auch bis zu 3 Zeilen darüber und darunter berüclsichtigt.

Nächstes Kriterium ist das optische Kerning von InDesign, das TeX schwerlich vorweisen dürfte. Das entspricht vielleicht noch em ehesten der ursprünglichen Fragestellung nach den alten Ausschießregeln, da hier neben den Kerningwerten auch das „Fleisch“ innerhalb der Buchstaben zu berücksichtigen versucht wird. Hier ein Beispiel, was dieser Automatismus auf Anhieb im Versalausgleich bringt:

1261_versalausgleich_2.jpg

Von oben nach unten:

1. metrischer Ausgleich, Laufweite 0

2. metrischer Ausgleich, Laufweite 200

3. optischer Ausgleich, Laufweite 200

4. optischer Ausgleich, Laufweite 200, manuell nachgebessert

Zum historisch benutzten Randausgleich: Eine Replik der 42-zeiligen Bibel vom Gutenbergmuseum zeigt, dass der Randausgleich hier tatsächlich an beiden Rändern vorgenommen wurde:

1261_gutenberg_1.jpg

Und hier noch ein Bild, in dem gut zu sehen ist, an wie vielen Stellen metrisches Kerning und Randausgleich schon ohne optisches Kerning zum Einsatz kommen (Berthold):

1261_berthold_2_2.jpg

Der Vergleich der Satzqualität über die Jahrhunderte wäre sicherlich einmal ein Thema für eine Diplomarbeit – aber wahrscheinlich gibt’s da auch schon etwas. Vielleicht kennt hier jemand Literatur?

Lars

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