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Die Schriftmuster der Welt in einer Datenbank …

Menschenrecht auf Design?

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Martin Z. Schröder

Wenn jemand versteht, worauf dieser Text von Dirk Baecker: »Designvertrauen: Design als Mechanismus der Ungewissheitsabsorption in der nächsten Gesellschaft« hinauswill und welche Folgen er für Textdarstellung, also typografische Arbeit, haben soll – ich wäre für einen etwas leichteren Gedankenblitz oder ein Flämmchen davon dankbar. Schließlich diskutiert jeder schematische Freiraum eine Autonomie in einem Exkurs der frequentiv beteiligten Partizipanten und kulturalisiert dadurch die selbstreflektiven Affekte zu portablen Dienstleistungskünsten im öffentlichen Raum. Solange man versteht, was da geredet und geschrieben wird.

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109

Muss ich Prof. Dr. Schulz von Thun (»Hamburger Verständlichkeitsmodell«) zitieren:

 

"Manche möchten sich ein Denkmal ihres Hochniveaus setzen und kämen sich bei verständlicher Ausdrucksweise zu banal, zu normalmenschlich vor. Anderen mangelt es an kognitiver Empathie, wie ich das nenne: An der Fähigkeit, sich vorzustellen, was im Kopf eines Lesers vor sich geht, der nicht in der eigenen Gedankenwelt zu Hause ist. Allerdings ist es eine Kunst, verständlich etwas erklären zu können." (aus tk, Ausgabe 03/2015)

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Dieter Stockert

Ich sehe gleich im ersten Absatz einen Widerspruch oder zumindest Erklärungsbedarf, wenn es heißt, dass das Design die Stelle der Magie, der Götter und der Technik nicht restlos ersetzen könne, sondern dass das Design im Gegenteil Aspekte dieser früheren Mechanismen übernimmt und sich dabei nur in bestimmter Hinsicht über sie hinausentwickelt. Warum sollte sich etwas unbedingt über das Frühere hinausentwickeln müssen, um es zu ersetzen?

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Kathrinvdm

Nanu: Wenn ich Martins Link anklicke, lande ich auf einer Wordpress-404-Seite …  

Ist das besprochene Werk bereits unter seinem eigenen Anspruch zusammengebrochen?  :-?

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Kathrinvdm

Danke, jetzt klappt’s!  :gimmifive:

Meine Güte, was für ein Pamphlet! In Ordnung, ich hole mir einen Kaffee und dann mache ich mich mal an die Lektüre … 

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Martin Z. Schröder

Okay, ich nehme mal die Beine in die Hand. Will ja nicht den Kaffee ins Genick bekommen. Bis ich zurück bin, hast du alles rezepiert und exzerpiert und natürlich auch kapiert, ich freue mich auf Deinen Kommentar.

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Kathrinvdm

Lach!

Ja – nach diesem subtilen Druckaufbau würde ich an Deiner Stelle auch lieber flitzen …  ;-)

 

1. Zwischenkommentar, während ich Seite 7 lese: Dies hier ist bis jetzt mein Lieblingssatz: 

»Wir rechnen nicht mehr mit einem geschlossenen Kosmos, mit einer Ontologie des Seins, der das Denken abbildend gegenübersteht, und mit einem Rationalitätskontinuum, das sich in funktionalen Abhängigkeiten beschreiben lässt, sondern mit einer Welt der ökologischen Brüche, der Beobachtung zweiter Ordnung im Medium hochdivergenter Polykontexturalität und der prinzipiellen Heterogenität und Orthogonalität von Leben, Bewusstsein und Gesellschaft.« 

 

Zeit für den nächsten Kaffee …

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catfonts

Uii, idealer Stoff für einen Einführungs-Vortrag zum Thema "Design" für die VHS hier. Werde das mal vorschlagen :-)

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Kathrinvdm

Also, spontan musste ich beim Lesen an diese schöne Erzählung vom Baal-Schem denken:

 

Wenn der Baal-Schem etwas Schwieriges zu erledigen hatte, irgendein geheimes Werk zum Nutzen der Geschöpfe, so ging er an eine bestimmte Stelle im Walde, zündete ein Feuer an und sprach, in mystische Meditationen versunken, Gebete – und alles geschah, wie er es sich vorgenommen hatte. 

 

Wenn eine Generation später der Maggid von Meseritz dasselbe zu tun hatte, ging er an jene Stelle im Walde und sagte: »Das Feuer können wir nicht mehr machen, aber die Gebete können wir sprechen« – und alles ging nach seinem Willen. 

 

Wieder eine Generation später sollte Rabbi Mosche Leib aus Sassow jene Tat vollbringen. Auch er ging in den Wald und sagte: »Wir können kein Feuer mehr anzünden, und wir kennen auch die geheimen Meditationen nicht mehr, die das Gebet beleben; aber wir kennen den Ort im Walde, wo all das hingehört, und das muß genügen.« – Und es genügte. 

 

Als aber wieder eine Generation später Rabbi Israel von Rischin jene Tat zu vollbringen hatte, da setzte er sich in seinem Schloss auf seinen goldenen Stuhl und sagte: »Wir können kein Feuer machen, wir können keine Gebete sprechen, wir kennen auch den Ort nicht mehr, aber wir können die Geschichte davon erzählen.« Und – so fügt der Erzähler hinzu – seine Erzählung allein hatte dieselbe Wirkung wie die Taten der drei anderen.

 

Zitiert nach Gershom Scholem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen

 

 
Wenn ich den von Martin verlinkten Text jetzt halbwegs durchdrungen habe, dann geht es im Grunde doch darum, dass jede Gesellschaft in der Vergangenheit sich einer zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Methode bediente, bestimmte Ungewissheiten erklärbar zu machen, beziehungsweise notwendige Entscheidungen der jeweiligen Zeit zu treffen und die Entscheidungsgrundlage für richtig zu erklären. Dies geschah zu Beginn durch einen theoretischen Unterbau aus Mystik, später mithilfe von Göttern und in der Moderne eben durch die Technik. All diese Methoden halfen Gesellschaften und Organisationen zu allen Zeiten bei der Entscheidungsfindung und bildeten direkt nach Anwendung die Basis für nachfolgende Entscheidungen. Klar, dass man dann bei jeder neuen Entscheidung in der Argumentationskette nicht wieder ganz zurück bis zu Adam und Eva ging, sondern – unter der Prämisse, dass diese korrekt war – sich nur auf die jeweilige Vorgängerentscheidung berief. Kritisch ist das eindeutig in Sachen Technik, bei der die jüngere Geschichte ja gezeigt hat, dass nicht nur, weil Technik etwas vermag (zum Beispiel das Töten von Menschen), dieses dann auch (moralisch) korrekt ist. Daraus schließt der Autor, dass zwischendurch auch bereits gefällte, und zum jeweiligen Zeitpunkt für gut befundene, Entscheidungen noch einmal kritisch auf ihre fachliche und moralische Korrektheit hinterfragt werden müssen, um gegebenenfalls bei aktueller Entscheidungsfindung nachzujustieren. Nach Mystik, Göttern und Technik sieht der Autor heute das Design in der Rolle, den Staffelstab in Sachen Entscheidungsfindung zu übernehmen … 
 
So, und ich muss jetzt erstmal Pause machen, weil das Abendessen ruft! Und ich fürchte, um den Rest dann noch zusammenzubekommen, muss ich den ganzen Kram noch mal lesen … :shock:
 
Vielleicht erbarmt sich ja einer der Kollegen und übernimmt in der Zwischenzeit die restliche Analyse … ;-)  
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Martin Z. Schröder

Komm, das waren die einführenden vier Seiten. Das Kauderwelsch beginnt ja erst danach.

 

»Wir rechnen nicht mehr mit einem geschlossenen Kosmos, mit einer Ontologie des Seins, der das Denken abbildend gegenübersteht, und mit einem Rationalitätskontinuum, das sich in funktionalen Abhängigkeiten beschreiben lässt, sondern mit einer Welt der ökologischen Brüche, der Beobachtung zweiter Ordnung im Medium hochdivergenter Polykontexturalität und der prinzipiellen Heterogenität und Orthogonalität von Leben, Bewusstsein und Gesellschaft.« (Seite 7) Usw. usf., davon verstehe ich wenig. Im Grunde könnte er meinen, ich vermute mal, daß Design sich künftig nicht mehr nur auf Oberflächen und Benutzbarkeit beschränken darf, sondern versteckte Prozesse offenbaren muß, damit sie sich nicht verselbständigt und durch die Menschen kontrollierbar bleibt. Aber worauf bezieht sich das? Nur auf technische Geräte? Auf der Facebook-Seite Texttheorie und Textgestaltung heißt es:

»Wenn Baecker eine Ästhetik im Sinn haben muss,

* die nicht auf Glättung aus ist,

* die statt dessen etwas mit der Markierung von Offenheiten zu tun hat,

* die auf die Sichtbarmachung von Prozessen und Angebote des Weitermachens ausgerichtet ist,

dann müssen wir natürlich Texte im Sinn haben, die nicht mehr bloß Texte sind, sondern: Texturen, die ihre eigene Dynamik vorführen und gleichzeitig produktive Lese- und Schreibweisen aktivieren und dynamisieren.

Von hier aus lässt sich ganz konkret ableiten, was denn Texte als Texturen für die nächste Gesellschaft sein können, die eben gestaltete und weiter zu gestaltende Texte sind.«

Und da hakt es bei mir. Das kann sich doch kaum auf gedruckte Werke beziehen. Da kann doch nicht von Reklamezetteln oder Romanen die Rede sein. Handelt das von irgendwie interaktiven E-Books? Was bedeutet »Texte als Texturen für die nächste Gesellschaft«? Was überhaupt heißt »Texte, die nicht mehr bloß Texte sind«. Bloß? Als was ist ein Text »bloß« ein Text? Wenn ich unter Textur ein gesellschaftliches Muster verstehe, dann bestanden diese Muster immer aus Texten. Sind Texte, also Gesetztestexte, philosophische Texte, Kunsttexte, Gebrauchsanweisungen, Verwaltungstexte, jemals nur Buchstabensammlungen gewesen? Nein, durch sie bildet sich eine Gesellschaft seit jeher. Worin besteht das Neue an Baeckers Gedanken hinsichtlich der Texte? Und wie wirkt sich das auf das Textdesign aus? Textdesign hat sich seit dem Bestehen von Texten bis zum elektronischen Text wie beispielsweise einem Forumstextgewebe kaum verändert. Ob nun auf Pergament geschrieben, in Stein gemeißelt, auf Papier gedruckt, Text war eine geschlossene (oder nur durch Fortschreibung offene) Form von erstarrter Sprache. Elektronische Texte sind weniger starr, sie können ständig verändert werden. Das Design eines Forums ist eine neue Textform, die auch gesellschaftliche Muster beeinflußt. Ein schriftliches Gespräch wie unseres hier ist eine neue Textform mit einem neuen Design. Aber Aufsätze wie der von Dirk Baecker werden dadurch nicht ersetzt. Wie sollte sich das künftig ändern? Wie soll Design eine solche Ausführung umgestalten? Was ist in diesem Zusammenhang mit »Markierung von Offenheit« gemeint? Und schließlich: Wie berührt das alles ein Textdesign, also die physische Oberfläche des Textes und seine Typografie? Ick seh keene Butter bei die Fische.

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Vitrioloel

1. Zwischenkommentar, während ich Seite 7 lese: Dies hier ist bis jetzt mein Lieblingssatz: 

 

»Wir rechnen nicht mehr mit einem geschlossenen Kosmos, mit einer Ontologie des Seins, der das Denken abbildend gegenübersteht, und mit einem Rationalitätskontinuum, das sich in funktionalen Abhängigkeiten beschreiben lässt, sondern mit einer Welt der ökologischen Brüche, der Beobachtung zweiter Ordnung im Medium hochdivergenter Polykontexturalität und der prinzipiellen Heterogenität und Orthogonalität von Leben, Bewusstsein und Gesellschaft.«

 

Zeit für den nächsten Kaffee …

Der Satz sprengt die Skala des Lesbarkeitsindex.

 

lixtgqxr.png

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Lukas W.

Und da hakt es bei mir. Das kann sich doch kaum auf gedruckte Werke beziehen. Da kann doch nicht von Reklamezetteln oder Romanen die Rede sein.

 

Mir ist schon im vorletzten Semester aufgefallen, als wir Designtheorie im Modulplan hatten (und dabei viele ähnlich komplizierte Texte lesen mussten, ich finde den verlinkten im Vergleich zum üblichen Designwissenschaftssprech nicht mal übertrieben unverständlich), dass sich die Designforscher oft zu sehr auf Produkt- und Interfacedesign beschränken, dass v.a. die Typografie, die manchmal ganz anderen Regeln unterliegt, oft zu kurz kommt und in den Theorien zu wenig berücksichtigt wird. Das könnte durchaus auch Baeckers Text als Kritikpunkt vorgeworfen werden.

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Martin Z. Schröder

Mir ist schon im vorletzten Semester aufgefallen, als wir Designtheorie im Modulplan hatten (und dabei viele ähnlich komplizierte Texte lesen mussten, (...)

Es gibt tatsächlich mehr als einen von der Sorte? Das ist ja schrecklich. Während Soziologen wie Heinz Bude ganze Bücher vollschreiben können, ohne daß der Gedankenstrom unverständlich murmelt, bekommen andere kein klares Rinnsal zustande. Auf der Facebookseite über Texttheorie und Textgestaltung wird eine Fortsetzung angekündigt, da bin ich ja gespannt.

Hat es eigentlich in den letzten fünfzig Jahren einen einzigen designthoretischen Gedanken gegeben, der sich auf die Formgebung von Text bezieht und nicht historisch ist? Ich kann mir Typografietheorie nur als Typografiegeschichte vorstellen. Klafft da eine Lücke, gar ein Krater in meiner Gedankenwelt? Leider hat Adolf Loos nur ganz wenig über Typografie geschrieben, ich erinnere mich nur an eine Stelle im Gesamtwerk. Derart unterhaltsame Typografietheorie wäre mal ein Spaß. So lustig wie er über Salznäpfe und Sessel geschrieben hat.

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Lukas W.

Es gibt tatsächlich mehr als einen von der Sorte? Das ist ja schrecklich. Während Soziologen wie Heinz Bude ganze Bücher vollschreiben können, ohne daß der Gedankenstrom unverständlich murmelt, bekommen andere kein klares Rinnsal zustande. Auf der Facebookseite über Texttheorie und Textgestaltung wird eine Fortsetzung angekündigt, da bin ich ja gespannt.

Hat es eigentlich in den letzten fünfzig Jahren einen einzigen designthoretischen Gedanken gegeben, der sich auf die Formgebung von Text bezieht und nicht historisch ist? Ich kann mir Typografietheorie nur als Typografiegeschichte vorstellen. Klafft da eine Lücke, gar ein Krater in meiner Gedankenwelt? Leider hat Adolf Loos nur ganz wenig über Typografie geschrieben, ich erinnere mich nur eine Stelle im Gesamtwerk. Derart unterhaltsame Typografietheorie wäre mal ein Spaß. So lustig wie er über Salznäpfe und Sessel geschrieben hat.

 

Oh ja, es gibt viel, viel mehr! z.B. die Werke des von Baecker zitierten Herbert A. Simon. Ich musste damals mit zwei Kommilitonen ein Referat über ihn halten …

Aber stimmt, von einer Typografietheorie habe ich speziell noch nie was gehört. Die Designtheoretiker sind momentan noch damit beschäftigt, zu klären, was Designtheorie überhaupt ist. Eine Theorie der Typografie, die nicht historisch ist, würde mich auch interessieren.

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