1928 gab der Verein Deutscher Schriftgießereien zum Anlass seines 25-jährigen Bestehens die Broschur »Der Druckbuchstabe« heraus, in der in Versen und Holzschnitten von Karl Mahr die Entstehung von Bleilettern in Gießereien dargestellt wird. Wir präsentieren dieses Stück typografischer Zeitgeschichte hier in Onlineform.
Bald bin ich groß, bald bin ich klein,
bald fett, bald mager und bald fein.
Steh ich allein ſo muß ich ſchweigen;
doch in der Brüder trautem Reigen
ſing ich und dringe in die Herzen
und ſag von Freuden dir und Schmerzen
und nütze hier und ſchade dort,
bin Menſchenwiſſens treuſter Hort.
Vor fünf Jahrhunderten geboren
hab ich an Jugend nicht verloren.
Willſt du nicht freundlich mich betrachten
und meine Schönheit nicht beachten?
Bin doch in Künſtlers Haupt erdacht,
von mancher fleiß’gen Hand gemacht.
Schau her, hier kannſt du mein Entſtehen
in Wort und Bildern vor dir ſehen.
In ſtiller Klauſe ganz für ſich
wirkt hier an ſeinem Arbeitstiſch
mit ſcharfem Aug’ und Seelenruh
der Stempelſchneider immerzu.
Er formt mit Sticheln mancherlei
in harten Stahl, in weiches Blei
mit Feil’ und Gegenpunze bald
des Druckbuchſtabens Urgeſtalt,
wie ſie der Künſtler hat erdacht
und zeichnend zu Papier gebracht.
Der „Stempel“ wird das Ding genannt,
das alſo ſchafft die fleißge Hand.
Ihn brauchte man zu allen Zeiten,
um die Matrize zu bereiten,
in der im Inſtrument verſchloſſen
der Druckbuchſtabe wir gegoſſen.
Es ſchuf uns einſt die alte Zeit
viel Schönheit in Gemächlichkeit
Doch das, was heute ſoll geſchehen,
muß fördern und geſchwinde gehn.
Zuviel an Zeit ging oft verloren,
bis Stempel un Matriz’ geboren;
und die Maſchine war erdacht,
die’s ſchöner nicht – doch ſchneller macht.
Auf der Schablone aufgelegt,
wird ſchnell der Führungsſtift bewegt,
und nebenan in Meſſing fein
gräbt ſich das Bild verkleinert ein.
Hell ſurrend kreiſt des Bohrers Spitze,
und bald liegt fertig die Matrize.
Ein raſcher Handguß zeigt uns bald
des neuen Werkes Wohlgeſtalt.
Nie kann die Hand in unſern Zeiten
die vielen Stempel alle ſchneiden.
In kurzer Stunden raſchem Flug
wirkt ſie uns oft nicht ſchnell genug.
Ein kleines Bohrwerk, klug erdacht,
hat raſche Hilfe hier gebracht.
Sieh hier, an der Schablone Rand
lenkt einen Stift die ſichere Hand.
Ein Stücklein Stahl bewegt ſich mit,
das trifft des Bohrers ſcharfer Schnitt
und formt darin fein ausgegraben
des Stempels Bild ſcharf und erhaben.
Gehärtet in des Feuers Hitze
prägt er die zierliche Matrize,
daß ſie im Innern der Maſchine
dem kleinen Werk als Gußform diene.
Hier ſiehſt du den Juſtierer ſchalten
und emſig ſeines Amtes walten.
Er prägt in Kupfer allzumal
des ſcharfen Stempels harten Stahl.
Die Mater, welche ſo entſtand,
prüft ſorgſam er mit Aug’ und Hand.
Und ſchafft, daß ſich in allen Fällen
die Lettern gut auf Linie ſtellen,
daß nicht das Schriftbild ſitze ſchief
und auch im Kupfer nicht zu tief.
Wenn dann die Mater gut gebettet,
wird ihr gewölbter Rand geglättet.
Wild kreiſeln dann des Fräſers Zähne,
hell funkeld rollen ſich die Spähne,
und ſpiegelblank nach kurzer Zeit
liegt die Matrize – gußbereit.
Schau her, was hier die würdge Hand
des alten Gießers hält umſpannt:
Ein klein Gehäus aus Holz und Stahl
ſchlicht und beſcheiden allzumal.
Hans Gutenberg hat’s einſt erdacht
und uns viel Gut’s damit gebracht
und hat damit die Welt erregt
und aufgewühlt und fortbewegt.
Ein halb Jahrtauſend iſt verfloſſen,
da man zuerſt drin Schrift gegoſſen.
Selbſt heut noch nimmt es dann und wann
zum Probeguß der Arbeitsmann.
Auch heut noch uns entgegenlacht
der alten Lettern Jugendpracht.
Und wie beſcheiden ſieht doch aus
ſolch ew’ger Schönheit Elternhaus.
Hier endlich ſtehn im weiten Saal
der Gießmaschinen große Zahl.
Um ſie, die fauchenden, zu pflegen,
ſieht kräftge Männer man ſich regen
mit Nerven ſtark und Leibern breit
gleich Recken aus entſchwundner Zeit.
Metall ſchmilzt in den Tiegeln heiß,
auf mancher Stirne perlt der Schweiß,
und ziſchender Maſchinenſtoß
erzeuget in der Mater Schoß
ein klein Gebild ſcharf und erhaben,
den ſilberkblanken Druckbuchſtaben.
Und fertig – rein wie neues Geld
bringt ihn ein zweiter Stoß zur Welt
und ſetzt ihn auf der Leiſte breit
den ſchmucken Brüdern an die Seit’.
Wie ſchwer war’s, endlich zu erreichen,
der Schriften Höhe auszugleichen,
bis die Maſchinen aller Welt
auf eine Norm man eingeſtellt!
Doch gibt’s noch manche Drucker eben,
die lieber in Vergangnen leben,
die, ehrfurchtsvoll vorm guten Alten,
ſich eine eigne Höhle halten.
Der Höhenfräſer heißt der Mann,
der helfen hier und wirken kann.
In ſeinen Tiſch wird raſcher Hand
die neugegoſſ’ne Schrift geſpannt;
der Fräskopf wandert ſeine Bahn,
und ſchnurrend ſchält er Spahn für Spahn.
Wenn dann des Fräſers Werk geſchehn,
bleibt er gehorſam ſtille stehn.
Von allem, was wir Menſchen kennen,
was darf man frei von Fehlern nennen?
Und wer dem bloßen Schein vertraut,
hat leichten Sinn’s auf Sand gebaut.
Wo treu der Fertigmacher wacht,
dahin wird nun die Schrift gebracht.
Den wackern Alten blendet nimmer
der Dinge äußrer Glanz und Schimmer.
Doch unerbittlich prüft ſein Auge,
ob auch das Stück zum Werke tauge.
Und hat beim Guſſe ſich inzwiſchen
ein winzger Makel eingeſchlichen,
der wird von kundger Hand beherzt
verbeſſert gleich und ausgemerzt.
Erſt wenn vom Werk ſein Blick ſich wendet,
dann weißt du wohl, – es iſt beendet.
Nun liegen ſauber ausgerichtet,
auf flachen Stäben aufgeſchichtet
die Druckbuchſtaben, ſchlank und fein,
zum letzten Mal in blanken Reih’n.
Sie löſt aus ſilberhellem Band
bald eine flinke Frauenhand;
nach Art und Sprach’ in neuem Sinn
ſetzt ordnend ſie die Teilerin.
Umbunden in beſondrer Weiſe,
gar wohlverpackt für weite Reiſe,
ſo ſteht die Schrift jetzt Satz für Satz,
zur Fahrt bereit auf ihrem Platz.
Bald zieht ſie weg wohl aus dem Haus
und wandert in die Welt hinaus
und wird im Gleichgang der Maſchinen
dem, der ſie ſchuf, dem Menſchen dienen.