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Deutsche Reichsdruckerei Berlin - welche Schrift ist das?

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Bleisetzer

Liebe Kollegen,

diese Versal-Schrift stammt von der Reichsdruckerei Berlin. Alle Lettern verfügen über eine Gußmarke mit dem Reichsadler. Sie stammt, geschätzt, aus der Zeit um 1920.

Wer kann mir sagen, wie diese Schrift heißt?

Georg

1012_dscn0001_18.jpg

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Andreass

Die Reichsdruckerei hat damals exklusiv für sich arbeiten lassen.

Ich habe mal in der Bibliothek des Klingspormuseums wegen einer Sattler-Schrift nachgefragt. Die haben mir freundlicherweise eine Seite aus einer Festschrift über die Reichsdruckerei mit der Seitenzahl 239 kopiert. Dort sind Typen aufgelistet, die für die Reichsdruckerei geschnitten wurden.

Leider fehlt das gezeigt Muster, trotzdem will ich an dieser Stelle mal die Namen in Netz geben.

Schriften der Reichsdruckerei (unvollständig):

1897 Nibelungenschrift (von Sattler)

1899 Neudeutsch

1899 Breite Voigtsche Gotisch

1900 Borussia

1900 Germania

1900 Magere Voigtsche Gotisch

1900 Schmale Voigtsche Gotisch

1905 Reichsdruckerei Fraktur

1905 Reichsdruckerei Mediäval

1917 Huppschrift (von Otto Hupp warscheinlich)

1928 Reichsdruckerei Schwabacher

1928 Reichsdruckerei Gotisch

Ästhetisch sind das alles keine dollen Typen... aber bestimmt sehr exklusiv und nur in gewissen Graden bzw. Größen geschnitten.

Es würde mich wundern, wenn die Reichsdruckerei ihre Typen auf dem freien Markt angeboten hätte, somit sind das sicherlich sehr, sehr seltene Typen - also etwas fürs Museum.

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Bleisetzer

Ich habe gestern bei zvab das Nibelungenlied, gesetzt aus der Germania, gekauft. Wenn es ankommt und es sich lohnt, werde ich hier mal ein paar Muster einstellen.

Was die Ästhetik betrifft:

Kann man denn wirklich mit unserer heutigen Sicht Ästhetik einer Epoche bewerten, die wir selbst gar nicht erlebt haben?

Ich meine die Frage nicht rhetorisch. Was empfinden wir denn als Ästhetik? Das ist doch irgendwo die Summe aus sozialem Hintergrund, erfahrener Kultur und Seh-Gewohnheit. Und das gilt doch für das Ästhetik-Empfinden der Menschen früherer Epochen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Reichsdruckerei nicht wert auf Ästhetik gelegt hat - aus dem subjektiven Empfinden der damals Verantwortlichen.

Wenn wir nun aus heutiger Sicht eine alte Schrift als ästhetisch empfinden - ist es dann nicht sehr oft einfach so, daß sich unsere Summe ästhetischer Werte mit der Summe der damals vorhandenen ästhetischen Werten überschneidet? Mehr oder weniger zufällig?

Oder ist Ästhetik zeitlos?

Zweifellos gibt es ja Schriften, die epoche-übergreifend als ästhetisch empfunden werden. Die man also als "zeitlos" bezeichnen kann.

Georg

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Thierry Blancpain

ich denke schon dass unser ästhetische empfinden durch unsere sozialisierung zeitlich geprägt ist. für die bewertung von schriften muss das aber, denke ich, reichen. ich mag keine mönchshandschriften aus dem 11jhr. in einem buch lesen müssen - nur weil das mal jemand schön fand, muss ich es ja nicht schön finden.

verstehst du was ich meine? wohl fanden die verantwortlichen damals die schriften schön oder interessant - aber das muss ich heute ja nicht gleich sehen.

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Bleisetzer

Das ist genau, was ich meine.

Nur hast Du es wesentlich kürzer und prägnanter ausgedrückt.

Andreass schrieb "Ästhetisch sind das alles keine dollen Typen... "

Ich versuche oft, mich beim Einschätzen von Schriften vom Standpunkt eines damaligen Betrachters zu nähern. Deshalb habe ich auch einmal die Block aus dem Jahre 1903 als sensationell bezeichnet:

http://www.bleisetzer.de/index.php?targ ... 0004&pic=a

Oder auch die Bigband aus dem Jahr 1974 als ihrer Zeit voraus:

http://www.bleisetzer.de/index.php?targ ... 0004&pic=a

Eben weil diese Schriften aus Sicht der damaligen Betrachter eine Provokation gewesen sein müssen. Allein schon die Bezeichnung "grotesk" für Schriften, die es heute schwer haben, das Image eines Langweilers zu umgehen, zeigt doch, daß das Empfinden der Menschen ein völlig anderes war. Und genau das ist es, was mir hilft, diese Epochen zu verstehen.

Ein Urteil "ästhetisch" oder nicht erlaube ich mir nur, wenn ich meine, so etwas am Maßstab der jeweiligen Epoche festmachen zu können. Also zum Beispiel im Vergleich zu anderen Schriften gleicher Art aus der gleichen Epoche.

Nochmal: Das soll kein Vorwurf sein. Nur eine Erklärung, wie ich selbst an diese Sache herangehe.

Georg

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Thierry Blancpain

ist jetzt themenfremd, aber trotzdem interessant.

Eben weil diese Schriften aus Sicht der damaligen Betrachter eine Provokation gewesen sein müssen. Allein schon die Bezeichnung "grotesk" für Schriften, die es heute schwer haben, das Image eines Langweilers zu umgehen, zeigt doch, daß das Empfinden der Menschen ein völlig anderes war. Und genau das ist es, was mir hilft, diese Epochen zu verstehen.

diese erklärung wird übrigens nicht von allen geteilt. hier ein zitat von typophile.com:

"Grotesque" is used in the "primeval" sense of the word, from the Italian 'grottesco' ("of a grotto.") Grotesque types were so named at the beginning of the nineteenth century because of the vogue for antiquity -- the Napoleonic conquest of Egypt ended in these years, and the craze for antiquities led manufacturers of all sorts to attach ancient sounding names to anything novel. Different typefounders chose their own historical names for this new sans serif style, among them "Egyptian," "Doric," "Antique," and "Gothic." The last two terms live on to this day, e.g. "Franklin Gothic."

Most of the new type styles developed during these years have antique names, too: slab-serif "Egyptians," wedge-seriffed "Latins," bracketed-seriffed "Ionics," floriated "Tuscans," octagonal "Grecians," inverted "Italians," and so on.

http://typophile.com/node/418 - das zitat ist von jonathan hoefler, keine unbekannte figur (http://www.typography.com)

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Bleisetzer

Auch, wenn ich den Herrn nicht kenne, sehe ich keinen Widerspruch zu meiner Aussage.

Die früheren Schriftnamen wurden genau wie heute von den Schriftgießereien aufgrund von Marketinggesichtspunkten gewählt. Nichts anderes sagt er ja auch zu den Egyptienne-Schriften, also den Serifenbetonten. Wobei das Marketing immer die Vorstellung der Kundenzielgruppe widerspiegelt.

Georg

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Bleisetzer
Schriften der Reichsdruckerei (unvollständig):

1897 Nibelungenschrift (von Sattler)

1899 Neudeutsch

1899 Breite Voigtsche Gotisch

1900 Borussia

1900 Germania

.

Hier nun Scans des Buches "Das Nibelungen-Lied"

Der Einband-Entwurf gefällt mir gut, deshalb ebenfalls hier gezeit. Er stammt von Eurem Kollegen Hanns Thaddäus Hoyer aus dem Jahr 1937.

Der Fließtext ist aus der Germania gesetzt, einer Schrift der Reichsdruckerei, Berlin.

Ich hoffe, die Scans sind etwas geworden, sonst muß ich morgen Vormittag noch ein wenig üben.

Georg

1012_nibelungen_1_1.jpg

1012_nibelungen_3_kopie_1.jpg

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Lars Kähler
Ich hoffe, die Scans sind etwas geworden, sonst muß ich morgen Vormittag noch ein wenig üben.

Georg

Du komprimierst Deine JPGs zu stark. Ich würde auch gern einmal eine komplette Seite sehen, bitte.

Lars

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Bleisetzer
Ich hoffe, die Scans sind etwas geworden, sonst muß ich morgen Vormittag noch ein wenig üben.

Georg

Du komprimierst Deine JPGs zu stark. Ich würde auch gern einmal eine komplette Seite sehen, bitte.

Lars

Ich probier's..

1012_nib1_1.jpg

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Bleisetzer

Ich bekomme es nicht größer rein, tut mir leid.

Ansonsten kann ich nur die Scan-Daten jemandem per Email zusenden, so daß er sie dann bearbeitet. Ich beherrsche die Software nicht.

Georg

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Bleisetzer

Hagen von Tronje ist übrigens mein Favorit im Nibelungen-Lied.

Sein Verständnis für Treue und Freundschaft, das ist es, was ich als typisch deutsch empfinde. Aber das wird Euch als Typographen weniger interessieren.

Georg

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