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Flattersatz wie doll?

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Der Tühp

Kontext:
Wir haben für ein nicht kommerzielles Projekt, (mit Herausgeber im nahen europäischen Ausland) ein Buch auf Deutsch übersetzt. Nun erhalten wir PDF Abzüge zur Durchsicht. Viel Aufwand, fast alles sieht richtig gut aus.

 

Die mehrseitige Einleitung besteht aus mehreren kurzen Abschnitten im Flattersatz, jeweils mit eigener Überschrift. Myriad Pro, ca. 45 Zeichen in den längsten Zeilen, viel Luft auf jeder Seite. Auf das Seitenlayout haben wir gar keinen Einfluß. Sieht soweit auch recht gut aus. Der Hauptteil basiert auf Illustrationen, Blocksatz kommt also gar nicht vor.

 

Allerdings scheint das Team im Verlag gegen jede Worttrennung zu sein. Sie sprechen vermutlich nur eingeschränkt Deutsch. Wir haben bereits ausdrücklich unsere Hilfe zur Trennung angeboten (nach Duden), nachdem wir frühere Entwürfe gesehen hatten. Wir mögen das Projekt und es wäre schade, wenn es Wirkung verliert, bloss weil jemand sich nicht traut, zu trennen.

 

Auf mich wirken manche Abschnitte wie "grob zurechtgehauen", oder auch "noch unfertig", weil selbst ganz problemlose längere Worte wie "Bundesland" eben nicht getrennt werden und tiefe Flatter-Schneisen in die kurzen Abschnitte schlagen. Noch bitterer dort, wo so etwas in zwei aufeinanderfolgenden Zeilen auftritt. Im Forum ist immer wieder von einer Flatterzone die Rede. Ich würde sagen, bisher ist gar keine verwendet worden.

 

Leider sind wir nicht befugt, Textbeispiele zugänglich zu machen, solange das Projekt noch nicht offiziell veröffentlicht ist.


An anderer Stelle hier im Forum habe ich entdeckt, dass es wohl sogar eine Definition von Flattersatz ist, dass gar nicht getrennt wird, im Gegensatz zum Rauhsatz.

 

Meine Fragen:
Ist strikter Flattersatz sinnvoll in unserem Kontext? Wenn man eigentlich "nett sein will" zu den Lesern und man ja immer wieder hört, die Typografie solle dem Lesen dienen und selbst möglichst nicht auffallen? Wird strikter Flattersatz verwendet? Gibt es Beispiele, wo jemand auch krass flattern läßt und wo es hier im Forum trotzdem als gut akzeptiert wird? Was wären mögliche Nachteile von einigen wenigen Trennungen, ausser der Aufwand?
 

Je nachdem was ich höre, werde ich noch mal den Verlag anschreiben. Oder diese Löcher schlucken, wie beim Käse.


Habe auch selbst schon gesucht:

(Der Bringhurst - vermutlich keine Autorität für deutsche Bücher? - hat einen netten Absatz über "ragged text" und "honest rag" aber zufällig ist sein Beispiel eben recht ausgeglichen. Er geht auf ganz bittere Löcher gar nicht ein, ausser dass es eben "greater variation" ergibt, wenn man "hard rag" anwendet, also weder trennt noch irgendwelche Mindestzeilenlängen vorgibt.

Ansonsten habe ich mehrere Beiträge hier im Forum gefunden, aber da hat der Fragende typischerweise mehr Gestaltungsmöglichkeiten ausser nur strikter Flattersatz versus Möglichkeit für Trennungen.

Ich habe von unerwünschten "Bäuchen" und "Treppen" gelesen. Ich sehe Beispiele in unserem Dokument, die würde ich "angebissener Blechkuchen" nennen, also ein recht gleichmäßiger Abschnitt, mit einem auffallenden Loch.

 

Herzlichen Dank für euren Input.

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Tobias L
vor 5 Minuten schrieb Der Tühp:

ca. 45 Zeichen in den längsten Zeilen,

Ich habe das so gelernt, dass man in 3–5 Zeilen die Zeichen/Anschläge zählt und dann entsprechend durch 3 oder 5 teilt, um eine durchschnittliche Zeilenlänge zu ermitteln. Wenn 45 Zeichen schon die längsten Zeilen sind, bist du im Mittel vielleicht irgendwas bei 35 bis 40 Zeichen. Das ist schon recht kurz – optimal wäre sowas bei 60. Je länger die Zeile, desto weniger fällt das Spiel im Flattern auf und umso mehr Möglichkeiten hat man meistens für den Umbruch. Ansonsten hilft redaktioneller Eingriff: Füllwörter streichen, umformulieren etc.

Komischerweise finde ich Silbentrennung bei kurzen Zeilen oder schmalen Kolumnen oft störend. Da versuche ich es meistens zu vermeiden, kann jetzt aber nicht wirklich argumentieren warum :-?

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Der Tühp

Danke @Tobias L, habe jetzt mal gezählt damit es konkreter wird.

Unauffällige Absätze haben solche Zeilenlängen (Zeichen und Leerzeichen und Satzzeichen):
40, 44, 38, 32, 38, 25
oder

35, 41, 42, 41, 35, 35, 39, 42, 31

Hier sind Beispiele mit einem deutlichen visuellen Loch:
37, 38, 30, 30, 41, 37

oder
46, 48 46, 47, 38, 41, 47, 39

Soll ich dich so verstehen, dass auffälliges Flattern mit "Möglichkeiten" behandelt werden sollte?

Wir haben als Übersetzer keine redaktionelle Eingriffsmöglichkeit mehr. Der Text war auch bereits beim Lektor. Eine pragmatische Möglichkeit wäre eben, wo schlimme Löcher sind und offensichtliche Trennung gut möglich, mal ein langes Wort zu trennen. Das ist der Kern meiner Anfrage.

 

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Microboy

In englischsprachigen Büchern bin ich immer wieder über trennungslosen Flattersatz gestolpert. Mit entsprechendem Aufwand kann aber auch ein solcher Text schön flattern.

 

In deinem Fall kann man dem Verlag sicher empfehlen zu trennen.

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BerndH

Englisch versus Deutsch halt -- im Englischen sind Texte gegenüber der deutschen Fassung nicht nur in aller Regel insgesamt kürzer, sondern auch die Worte sind (in der Mehrzahl) kürzer, Lückenreißer entsprechend seltener.
Typografische Vorgehensweisen lassen sich nicht komplett zwischen Sprachen übernehmen, so zumindest meine Erfahrung, die sich aber nur auf Deutsch und Englisch bezieht.

Ein anders Beispiel als der Rau- oder Flattersatz wären die Ligaturen: Im Englischen überall möglich, wo die entsprechenden Buchstaben aufeinandertreffen, im Deutschen an Wortfugen zu vermeiden -- bei einem aktuellen zweisprachigen Projekt schalte ich sie daher für die deutsche Fassung komplett aus, die verwendete Schrift vermeidet trotzdem Kollisionen.

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Der Tühp
vor 13 Stunden schrieb BerndH:

Lückenreißer

Immer nett, wenn noch Fachbegriffe oder treffende Beschreibungen auftauchen. Danke natürlich auch für den weiteren Input.

In einem anderen Beitrag zum Flattersatz schrieb jemand über "Bäuche", und dann über einen konkreten Text mit "mehreren kleinen Bäuchen". Das würde ich dann in 2022 ein Sixpack nennen...

Ich möchte ja in unserem Buch keine künstliche Glättung. Aber der Begriff "Lücke" trifft es gut. Wenn einzelne Stellen im Text (unbewußt) als Lücken wahrgenommen würden, oder gar als rein- oder rausgerissene Lücken, dann vermute ich Handlungsbedarf.
 

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CRudolph

Aus Anwender-Ansicht muß ich da immer wieder anmerken: der "Grauwert" einer Seite (und darum geht es ja bei gutem Flattersatz) ist zu einem gewissen Grand ein Kunstprodukt unter Designern. Klar, es ist gar keine Frage daß es störende Löcher im Blocksatz oder auch im Flattersatz gibt, aber die wichtige Frage ist ja ob das den Lesern der Zielgruppe auffallen wird. Sind das Designer die sich an sowas stören? Oder sind das eher Otto-Normalverbraucher? Ich bin z.B. immer wieder Erstaunt daß sich das gesamte Kollegium an meiner Institution vehement gegen die Silbentrennung wehrt. Das ist dann zwar in Englischen Texten, aber die Schlußfolgerung ist ja daß den Lesern anständig umgebrochene Worte mehr störend auffallen als die Löcher im Flattersatz.

 

Ich finde leider gerade das Bild nicht mehr, aber ich verweise immer wieder gerne auf "Schriftwechesel" von Stephanie und Ralf de Jong, ein typgrafisch wie ich finde sehr ansprechend gestaltetes Buch. In den Marginalien flattert es aber wie wild, das ist mir als Leser aber gar nicht aufgefallen. Überhaupt nicht. Ich habe das erst gesehen als es irgendwann einmal wieder um die Diskussion des "Grauwertes" einer Seite ging und ich aus anderen Gründen in dem Buch etwas nachschlug.

 

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