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Alte Technik zum Anfassen

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gutenberger

aber wenn der neue "Werkstattmeister" nicht mal weiß, wie man an einer simplen Andruckpresse ein paar Walzen einstellt bzw. zurichtet ... tsssssssssssssssssssssssss

das ist nun wirklich kein antikes Wissen, sondern sollte eigentlich sogar jeder Offsetdrucker wissen ...

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Martin Z. Schröder

Eben hörte ich, daß in Darmstadt der Bleisatz aus der Hochschule kürzlich rausgeflogen ist. Die einen Hochschulen schaffen ihn an, die andern ab.

Letzte Woche bekam ich eine Karte aus einer Hochschuldruckerei in die Hand, auf der war die Bleischrift richtig fett gequetscht, der Werkstatt-Lehrbeauftragte hat die Maschine eingestellt. Es ist abzusehen, daß diese Druckerei bald keine gute Schrift mehr haben wird, weil der Werkstattführer keine Ahnung vom Drucken hat. Die Hochschulen bezahlen ihre Lehrbeauftragten so schlecht, daß das kaum jemand macht, wenn er nicht muß oder anders als durch pekuniären Lohn gelockt wird.

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gutenberger

wirklich sehr seltene und schöne Holzschriften gekauft ...

Die halten zwar in der Regel etwas mehr aus als ne zarte Bleischrift, aber alles eben auch nicht ...

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Auch wenn in diesem Kreise frühere Drucktechniken natürlich hochgehalten werden, der Bleisatz hat mit dem zukünftigen Beruf angehender Grafik-Designers nun mal einfach nichts mehr zu tun – insofern sind solch Werkstätten natürlich nett zum Austoben, aber reiner Luxus.

Der Designer muss eher über Unicode Bescheid wissen, als über den Fournier-Punkt und andere solche Karteileichen, die über Bücher und Lehrpläne durch die Zeit geschleppt werden, ohne heute noch irgendeine Relevanz in der Anwendung zu haben.

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Martin Z. Schröder

Davon abgesehen, daß Bildung an einer Hochschule nicht nur der einfachsten Berufspraxis dienen sollte, sondern immer auch dem "Luxus" der Erweiterung des Blickfeldes dienen: Ich habe in meinen Hochschulkursen den Fournier-Punkt und solche eher technischen Einzelheiten gar nicht behandelt, sondern ein wenig Geschichte des Buchdrucks unterrichtet und vor allem typografische Detailarbeit, wie sie genauso im digitalen Satz gemacht wird. Nach dem Kurs sagte mir einer der Studenten: "Seit ich einmal im Bleisatz mit Seidenpapier Versalausgleich gemacht habe, wage ich am Computer keine Flüchtigkeit mehr, denn ich habe durch diese praktische Arbeit großen Respekt gewonnen vor dem, was im Bleisatz über Jahrhunderte mit derart viel Aufwand gemacht worden ist." Von der Freude am Erlebnis Handsatz berichten alle Studenten. In eine Hochschule gehört auch die Begeisterung für den Gegenstand zum Unterrichtsstoff. Typografie ist keine Fließbandarbeit, und die Einführung in die Weite der Berufswelt, der Gewinn an Freude an der Schrift in allen technischen Formen gehört zu einem akademischen Fach. Wo ich unterrichtete, wurde der Bleisatzkurs (ohne mein Zutun) zum Pflichtbestandteil, zur Voraussetzung für den Typografie-Kurs gemacht. Derzeit richten ständig Hochschulen Bleisatzwerkstätten ein, um dem Bedürfnis von Studenten und Lehrern zu folgen. Auch die Kalligrafie wird sicherlich wieder stärker in den Fokus des Interesses gelangen. Typografie hat einen starken sinnlichen und geistigen Anspruch, sie besteht nicht nur im Herumschieben von Flächen auf dem Bildschirm. Der Bleisatz und das Schönschreiben können diese Ansprüche mit einfachen Mitteln erfüllen helfen und sind deshalb sinnvoll und nötig. Der Fournier-Punkt und seine Herkunft sind im übrigen recht nötig, um die Geschichte des Berufes zu verstehen.

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Kathrinvdm
»Seit ich einmal im Bleisatz mit Seidenpapier Versalausgleich gemacht habe, wage ich am Computer keine Flüchtigkeit mehr, denn ich habe durch diese praktische Arbeit großen Respekt gewonnen vor dem, was im Bleisatz über Jahrhunderte mit derart viel Aufwand gemacht worden ist.«

Ja, das ging mir im Studium und als Berufsanfängerin genauso. Es dauerte eine Weile, bis ich die Ehrfurchtsschockstarre überwunden hatte und mich wieder unbefangen und unverzagt traute, längere Texte zu setzen. Wie schön wäre es doch, wenn man bei allen Projekten immer das mikrotypografische Optimum rausholen könnte. Leider sieht der Alltag heute oftmals anders aus. Den Feinschliff zahlen viele Kunden nicht, zumal die Zeit auch gar nicht reicht – im schnelllebigen Magazingeschäft zum Beispiel. Da kann man nur versuchen, die technischen Hilfsmittel so fein wie möglich zu justieren und mit wachem Auge in der Kürze der Zeit so viele typografische Unzulänglichkeiten wie möglich zu beheben. Häufig gibt es auf Kundenseite auch eine Ignoranz (meist aus Unwissenheit) typografischen Feinheiten gegenüber, die es schwer macht, ein aus Gestaltersicht befriedigendes Ergebnis durchzusetzen.

Gerade in letzter Zeit ist mir wieder aufgefallen, wie unglaublich knapp heutzutage die Zeitpläne definiert werden, innerhalb derer ein Projekt fertiggestellt werden muss. Atemlos, ohne Zeit zu verweilen, ohne Zeit noch mal zurückzublicken und zu überprüfen, was man da eigentlich gerade abgeliefert hat. Das ist natürlich nicht immer so, aber es nimmt zu. Umso wehmütiger schaue ich auf die alte Technik und male mir aus, wie schön es mal wieder wäre, jeden Buchstaben einzeln in die Hand zu nehmen und an seinen genau richtigen Platz zu setzen. :-)

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Gast Schnitzel

Naja, bei 1500 Zeichen in der Stunde hat man auch nicht sooo viel Zeit drüber nachzudenken. Ich glaube bei solchen Sachen nicht, dass es eine Frage der ›Zeiten‹ ist, so sehr ändern die sich gar nicht.

Ich habe im Studium einen Dreizeiler setzen müssen, bei einem Werkstattmeister, dem die Enttäuschung darüber, dass seine Abteilung Stück für Stück eingestampft wurde im Gesicht geschrieben stand. Entsprechend motiviert war der auch ...

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Kathrinvdm

Also was Timings angeht, da ändern sich die Zeiten schon, zumindest nach den Erfahrungen, die ich so gemacht habe. Das hat mit dem technischen Fortschritt zu tun, weil viele Abläufe einfach viel schneller gehen als noch vor zehn, fünfzehn Jahren. Datenübertragung statt Overnightkurier zum Beispiel. Korrekturen per PDF statt Korrekturfahnen per Post. Und die Rechner sind auch inzwischen so schnell, dass man nicht mal mehr einen Kaffee trinken gehen kann, während eine komplexe Vektoroperation durchläuft. Kunden, die alles per E-Mail erwarten – auch abends oder am Wochenende. Es sind einfach die Arbeitsabläufe, die schneller geworden sind.

Ich glaube, auch wenn ein Bleisetzer früher sicherlich nicht trödeln durfte bei der Arbeit, so hätte er doch niemals so viel schlechte Typografie in so kurzer Zeit produzieren können, wie das heute mit so moderner Technik und so wenig Wissen möglich ist. Und ich glaube einfach, dass die – beim Bleisatz gezwungenermaßen – längere Verweildauer mit dem Werkstück auch der Qualität gut tut.

Ich will beileibe kein Gejammer anstimmen im Sinne von »früher war alles besser«. Ich wünschte mir nur manchmal mehr Zeit, die ich gerne bei schönen Projekten für den allerfeinsten Feinschliff drauflegen würde. Das mache ich bei manchem Herzensprojekt auf eigene Kappe, aber das geht eben nicht immer.

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boernie
Die Hochschulen bezahlen ihre Lehrbeauftragten so schlecht, daß das kaum jemand macht, wenn er nicht muß oder anders als durch pekuniären Lohn gelockt wird.

Nicht nur ihre Lehrbeauftragten, sondern auch ihre fest angestellten

Werkstattleiter. Dafür werden Profs, die sich höchstens zweimal pro Woche

an der Uni sehen lassen, fürstlich bezahlt.

... der Bleisatz hat mit dem zukünftigen Beruf angehender Grafik-Designers

nun mal einfach nichts mehr zu tun

Welch kurzsichtige Auffassung! Dazu ein Zitat von Kurt Weidemann:

»Wer das Woherkommen nicht ergründet, findet im Wohingehen

keinen Halt.«

oder mit eigenen Worten:

Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten.

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Welch kurzsichtige Auffassung!

Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten.

Kenntnis der Vergangenheit und praktische Anwendung von Werkzeugen/Techniken sind zwei verschiene Dinge.

Ob ein zukünftiger Fotograf in einer Berufswelt mit 99,9% Digitalfotografie seinen Job gut macht, wird nicht davon abhängen, ob er selbst wie seine Vorgänger im letzten Jahrhundert Entwicklerflüssigkeiten anmischen kann. Die Techniken sind eben nur Techniken und kein Selbstzweck. Sie wurden gelehrt, weil sie angewendet werden mussten. Und wenn sie nicht mehr auf breiter Front angewendet werden, haben sie eben eher musealen Charakter – der durchaus bildend und bereichernd sein kann, aber noch lange nicht nötig nur weil früher mal üblich. Aktive Anweder der jeweils alten Technik sehen das natürlich anders – das ist nur allzu menschlich. Ich erwarte deshalb natürlich nicht, dass Menschen, die selbst Bleisatz machen oder gemacht haben, diese Technik und das Erlernen derselben nun als komplett unnötig bezeichnen würden. ;-) Ich wollte auch gar keine Diskussion darüber anzetteln, aber mit »kurzsichtig« hat meine Meinung dazu bestimmt nichts zu tun. Ganz im Gegenteil. Man kommt zu diesem Schluss, wenn man eben nicht aus der eigenen, vertrauten Welt auf die Techniken schaut, sondern eben den größeren zeitlichen Rahmen betrachtet.

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boernie

Folgende Hochschulen betreiben inzwischen (bzw. immer noch)

Werkstätten für Bleisatz und Buchdruck:

Hochschule für Bildende Künste Braunschweig

Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig

Weißensee Kunsthochschule Berlin

Kunsthochschule in der Universität Kassel

Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle

Fachhochschule Düsseldorf

Diese Liste erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit

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Martin Z. Schröder

Zu der Liste gehört auch die FH Potsdam, wo ich die Werkstatt vor ein paar Jahren aufzubauen geholfen und den ersten Lehrauftrag übernommen habe. In Potsdam gibt es auch eine Offsetwerkstatt. So fällt der diplomierte Grafikdesigner nach dem Studium nicht aus allen Wolken, wenn seine Farben im Offset nicht funktionieren.

Wie der Mangel an technischer Ausbildung auf die Gebrauchsgrafik durchschlägt, sieht man an der Gestaltung von Signets in unserer Zeit. Nur noch Schrift und Balken, weil niemand mehr zeichnen kann, völlig reizlose Zeichenwelt. Ständig neue serifenlose Fonts, aber wenig andere Schriften, weil an den Hochschulen keine Schrift mehr geschrieben wird. Bleisatz würde ich zur allgemeinen technischen und historischen Bildung rechnen, dieser Luxus ist essentiell. Ich würde auch meinen, er dient zur Vermittlung eines mikrotypografischen Kanons. Ich bekomme aber auch immerzu Vorlagen von Gebrauchsgrafikern, die nicht im Detail durchgearbeitet sind, obwohl wir feine und luxuriöse Drucksachen machen. Die detailliert bearbeitete Vorlage ist absolute Ausnahme. Abhilfe kann der Bleisatz schaffen. Der wurde auch früher nicht gelehrt, weil er von Absolventen angewendet werden mußte. Kein Gebrauchsgrafiker hat selbst gesetzt, aber er konnte dem Setzer sagen, wie er es haben möchte und konnte die Setzerarbeit beurteilen, aber auch die früherer Zeiten. Deshalb gehörte Bleisatz zur akademischen Ausbildung.

Mal abgesehen davon, daß mich die Verbreitung motorischer Ungeschicklichkeit verblüfft hat, als ich in Potsdam unterrichtete. Unsere Jugend macht zu wenig Handarbeit, und die Folgen davon reichen bis zur täglichen Ernährung aus der Tiefkühltruhe und völliger Anspruchslosigkeit gegen die Handwerke des Schneiders, Bäckers und Kochs. Zumindest in Berlin sind Bäcker und Köche in der Regel unfähig zur Ausübung ihres Berufs und kommen damit kritiklos durch. Wenn ein Hochschulabsolvent Handwerksarbeit auf seinem eigenen Gebiet, aber auch auf angrenzenden nicht einmal mehr beurteilen kann, ist seine theoretische Bildung zu dünn. Gebrauchsgrafik hat eben geistige und praktische Anteile, ohne Bildung der Hand leidet beides.

Ich würde eher sagen, daß die technischen Werkzeuge der Gegenwart nicht zur Hochschulausbildung gehören müssen, weil man sie überall beherrschen lernen kann, weil auch die nicht-akademischen Bildungsstätten das unterrichten und man es eher als Voraussetzung abverlangen könnte wie die Beherrschung von Word und Exel in einer Banklehre. Softwarebeherrschung ist kein Thema für Hochschulunterricht.

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boernie
Softwarebeherrschung ist kein Thema für Hochschulunterricht

Stimmt! Aber erzähl das mal einem verbeamteteten Professor

an einer deutschen Hochschule...

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Sebastian Nagel
Softwarebeherrschung ist kein Thema für Hochschulunterricht.

Warum sollte das handwerkliche Ausführen heute nicht mehr unterrichtet werden, während es "früher" so wichtig war? Darin liegt doch ein wesentlicher Faktor für ein ansprechendes Ergebnis.

Leider ist es eben erfahrungsgemäß so, dass recht viele Hochschulabgänger unserer Branche auch mit ihrer täglich zu verwendenden Software nicht setzen können – sie haben es mal in einem Tutorium zum Beginn des Studiums kurz erklärt bekommen, und sie wursteln sich seither einfach durch – was an einem PC heute vielleicht unauffälliger geht als damals in einer Setzerei. Wer sein Werkzeug, egal welches, nicht kennt und in vollem Umfang zu nutzen weiß, wird kein hochwertiges Ergebnis produzieren können.

Dass mehrere Zugänge (Bleisatz, Computersatz, Schreiben, ...) zur eigentlichen Materie immer dem Lernen und der Qualität des Ergebnisses zuträglich sind, steht außer Frage. Aber besser, es wird ein Werkzeug (das Gängigste) richtig unterrichtet und gelernt, als gar keins – und ich habe die kühne Theorie, dass man gute Typografie auch mit Hilfe und am Computer lehren und erlernen *kann*, dass das nicht exklusiv "manueller" Methoden vorbehalten ist.

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Martin Z. Schröder

Gebrauchsgrafiker beschäftigen heute keine Setzer mehr, sie machen den Satz in der Regel selbst, Werkzeugbeherrschung sollte also Voraussetzung für die akademische Ausbildung sein. Man kann es überall vor der Hochschule lernen. Aufwendige Techniken, für die ein Meister gebraucht wird, also Zeichnen, Schreiben, Drucktechniken, auch Bleisatz, sind privat viel schwieriger zu erlernen. Andererseits ist gute Software teuer und kann auch schwierig werden. Ja, solche Kurse sollte es auch geben an den Hochschulen, das stimmt schon. Nur grundsätzlich meine ich, daß an den Hochschulen zuviel Einmaleins unterrichtet wird. Ich war als Autor mal Gast in einem Seminar bei Germanistikstudenten in höheren Semestern, es ging um Literaturkritik. Auf meine Frage, wer Ulysses gelesen habe, meldeten sich zwei von zwanzig. Es ist lächerlich und traurig zugleich, wenn einer sich für Literaturkritik interessiert, ohne die Voraussetzung eines Kanons mitzubringen. Er versteht ja nichts. Und so ist das auch in der Typografie. Wenn mir ein Gebrauchsgrafiker schlechten Satz ernstlich als Druckvorlage liefert, was ist dann sein Hochschulabschluß? Er versteht es ja nicht einmal theoretisch, was ich stillschweigend bereinige. Zur akademischen Ausbildung gehört der Überfluß. Man sollte mindestens das wissen, was man für die Arbeit benötigt, man muß aber auch mehr wissen, als man täglich braucht. Ich habe mehrere Kunden aus der Literaturwissenschaft, und das war für mich ein angenehmes Erlebnis: Der Visitenkarten in Auftrag gebende Herr Germanist schaute eine Karte mit der Walbaum an und sagte: "Ah, Goethe!" Luxus? Ich würde es Bildung nennen.

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Kathrinvdm

Ich finde, dass Softwarebeherrschung unbedingt in den Unterricht für Grafiker/Illustratoren gehört – genauso wie alle anderen gestalterischen Techniken (Schreiben, Zeichnen, malerische Ausdrucksmittel, etc.) die für die Ausführung des Berufes unabdingbar sind.

An meiner Fachhochschule gab es zu Zeiten meines Studiums (bis 2003) dankenswerterweise die Bleisatzwerkstatt (mit 20 Plätzen pro Semester, man kann sich also ausmalen, wie wenige Studenten dazu Zugang bekamen). Diese wurde vor allem von den Leute genutzt wurde, die Typografie als Fach belegten. Eine schöne Grundlage, aber keine Pflichtveranstaltung, genau wie zum Beispiel die Schreib- und Lesewerkstatt auch. Es gab aber auch Softwareunterricht für alle. Da standen ein Photoshopkurs und ein Freehandkurs zur Auswahl. Leider war die Qualität der Kurse damals (Ende der Neunzigerjahre) eher bescheiden und ich war froh, dass ich das Beherrschen des grafischen Computerhandwerks bereits zuvor während meines Praktikums in einer Designagentur gelernt hatte. Dort war auch der Vorteil, dass es für jede Softwarefrage einen versierten Kollegen gab, der weiterhelfen konnte.

Ich schätze mal, dass es inzwischen intensiveren, umfangreicheren Softwareunterricht an der HAW Hamburg gibt, zumindest wünsche ich das den Studenten von Herzen. Je besser man sein Handwerkszeug beherrscht, desto leichtfüßiger und ausgefeilter kann die Gestaltung ausfallen. Wenn ich schon beim kleinsten Handgriff softwaretechnisch ins Schwimmen komme, dann wird meine Energie mehr in die Lösung der Softwarefrage fließen als in mein gestalterisches Werk. Und da bei Weitem nicht jeder Student die Gelegenheit hat, sich bereits vor dem Studium mit den Grafikprogrammen vertraut zu machen (das ist ja auch eine Kostenfrage), gehört der Unterricht derselben unbedingt zum Studium dazu.

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Gast bertel
… schaute eine Karte mit der Walbaum an und sagte: "Ah, Goethe!" Luxus? Ich würde es Bildung nennen.

Hätte er "Ah, Konditor!" gesagt, wäre es wahrlich Bildung gewesen. Bildung setzt du hier mit "Erkennen einer Schrift und Einordnen in Zeit und Raum" gleich. Ich bezeichne das als reines Fachwissen, nicht als Bildung.

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Norbert P

Ich schwelge mal in Erinnerungen: Ich durfte den Luxus genießen, Bleisatz am Gymnasium auszuprobieren; einer unserer Kunstlehrer hatte eine alte Tiegelmaschine wieder ans Laufen bekommen und irgendwoher kamen auch noch drei oder vier Schriften dazu. Das war der Kunstlehrer, der auch Kalligrafie beherrschte sowie unterrichtete. Druckpresse für Radierungen, Dunkelkammer etc. waren Standard. Als ich meinen ersten Job in der Bücherbranche anfing, ging noch alles in die Setzerei, Abbildungen in die Repro, Farbkorrekturen wurden im Säurebad gemacht, Andrucke waren teuer etc. Und vor über 20 Jahren bin ich dann zu Kollegen nach London geflogen, um mir diese Mac-Sache mal näher anzugucken, war ja auch sauspannend.

All diese veraltete Technik hatte aber einen Vorteil: Änderungen waren mühsam und teuer, darum hat man vor dem Gestalten viel mehr skizziert und vor allem nachgedacht. Wer kann den heute noch den Repro-/Vergrößerungsfaktor eines Bildes berechnen? Keiner, weil es keiner muss - einfach den blöden Rahmen aufziehen. Die Disziplinierung des gestalterischen Denkens vermisse ich heute oft, wenn ich "mal eben" fremd gestaltete Daten "einfach bloß" an die Druckerei in Fernost weiterleiten soll und dann den Fehler mache, in die Daten auch reinzuschauen.

Mit dem gleichen Argument bin ich auch für profunden (!) Softwareunterricht für Designer. Denn, was da oft an unnötigen Elementen, Ebenen, Hilfslinien, falschen Farben etc. in "professionellen" Daten unterwegs ist, geht kaum auf die sprichwörtliche Kuhhaut.Da kann man den gesamten "Designprozess" noch in der "Reinzeichnung" Schritt für Schritt nahverfolgen.

Und ja, Kathrin hat Recht: Alle schönen Arbeitserleichterungen sind durch Kundenerwartungen zunichte gemacht. Mehr noch, der Druck ist höher, weil ja immer alles "bloß einen Knopfdruck braucht".

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Norbert P
Zur akademischen Ausbildung gehört der Überfluß.

OT: Tja, darum bin ich froh, dass ich seinerzeit einen Magister machen konnte und keine Bachelor machen musste ...

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Gast bertel
… bin ich auch für profunden (!) Softwareunterricht für Designer. …

Den vermisse ich auch schmerzlich. Ich seh das oft bei neuen Kolleginnen und Kollegen, die frisch von der Uni kommen oder sogar schon ein oder zwei Jahre im Job sind. Die Software-Kenntnisse sind oft rudimentär, die Gestaltung wird dadurch auf das wenige technisch umsetzbare beschränkt. Virtuos ist beileibe keiner der Jungschen.

Was mir allerdings noch viel mehr fehlt, ist die Bereitschaft der Jung-Designer, sich mit der Materie überhaupt auseinanderzusetzen. Es gibt unzählige wirklich gute Tutorials, Videos usw., die die Bedienung der Software wesentlich erleichtern. Nur nutzt sie keiner, auch wenn man sie an sie heranträgt.

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Norbert P

... ich glaube, das liegt daran, dass man ja immer sofort etwas sieht auf dem Bildschirm, Ergebnisse also (zu) früh sichtbar sind. Da bekommen die "Jungschen" immer so ein "Geht-doch!"-Gefühl. Das ist ein bisschen wie Hausuafgaben googeln :-(

Noch ein Vorteil des Erst-Nachdenken-dann-Skizzieren-dann-Umsetzens: Man schweift erst einmal mehr in den Möglichkeiten herum, ob und was dann geht, kann man dann immer noch austüfteln ...

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Sebastian Nagel
Mehr noch, der Druck ist höher, weil ja immer alles "bloß einen Knopfdruck braucht".

Genau deshalb muss ich die Software (und das Fachwissen) ohne großen Energieaufwand beherrschen – viele Dinge sind heute eben "bloß ein Knopfdruck" mit anschließender Nachkontrolle – der anspruchsvolle Kunde hat inzwischen auch gelernt, das erwarten zu können.

Das selbe kann ich natürlich auch – aus Software-Unkenntnis oder als geistige Übung – mühsam (liebevoll) auf 120 Seiten von Hand erledigen, nur zahlt mir das im Jahr 2012 eben kaum ein Kunde mehr ... sein Unverständnis für das Detail kommt nicht primär daher, dass er das Detail nicht zu schätzen wüsste, sondern weil es den Nimbus des Aufwendigen und somit Teuren hat. Aber noch kein Kunde von uns hat sich beschwert, wenn seine Broschüre am Ende nicht nur inhaltlich korrekt und termingerecht geliefert wurde, sondern auch sauber gesetzt ist. Anders rum ist es uns aber durchaus schon passiert ...

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Norbert P
Anders rum ist es uns aber durchaus schon passiert ...

Heißt das jetzt: Pünktlich aber schlampig fand der Kunde gut? Oder: Zu spät aber sauber fand der Kunde schlecht? :-o

Mir wäre es recht, wenn mancher Kunde verstünde, dass zwar die Werkzeuge, sofern man sie beherrscht, schneller geworden sind, dass Gestalten aber auch Überlegen und Abwägen bedeutet und dass man dafür heute immer noch ebenso viel Zeit benötigen dürfen können sollte wie vor hundert Jahren.

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