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Schriftpiraterie (war: suche die Schrift officina)

Empfohlene Beiträge

Norbert P

@ GRIOT:

Ja, das meine ich eben mit den mehr oder weniger flexiblen Kunden. Das gibt's auch im Buch: zum Einen bekommt man die Hausschriften völlig überdesignter Verlage vorgeschrieben, zum Anderen trifft man auf Redakteure, die beschreiben Dinge wie "so modern, aber auch irgendwie feminin, aber auch nicht zu verrückt ...", da kommt man gar nicht umhin, denen mindestens eine Handvoll Varianten zu zeigen. Oder die zeigen einem irgendwelche obskuren Schriften aus ihrer Textverarbeitung ...

Selbst im (Erstlese-) Kinderbuch kann man sich nicht auf (AG) Schulbuch und Bembo Infant beschränken, denn da gibt's ja immer noch die Möglichkleit, die ach so lustigen Funfonts zur Auszeichnung zu verwenden.

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Formgebung
Wie finanziert man diese Zeit? Das ist jetzt eine ernsthafte und neugierige Frage.

Das beantworte ich gern. Praktisch alle jungen Schriftentwerfer machen zum Broterwerb etwas anderes. Zumeist arbeiten sie als Grafik-Designer irgendwo und kloppen Anzeigen zusammen oder schrubben CD-Manuals runter. Nach Feierabend (nach einem 10-Stunden-Tag) und an Wochenenden (nach einer 50-bis-60-Stunden-Woche) arbeiten sie dann an einer ihrem Traum: Eine Schrift zu entwerfen.

Vielleicht haben sie das Glück und treffen zufällig mit ihrem Entwurf den Nerv vieler anderer Gestalter. Die Schrift wird (Hurra!) zum Vertrieb angenommen, hat (Hurra!) Erfolg und ermöglicht ein brauchbares Einkommen (Hurra!).

Ich zitiere mal Eriks relativ realistische Rechnung mit den 500 Stunden für 4 Schnitte je 150 Zeichen. Heute werden schon für einen Zeichensatz in Minimalausstattung rund 170 Zeichen erwartet (zuzüglich rund 60 diakritische Zeichen), meist aber sollen noch wenigstens die Extended-Latin-Zeichen dazu und möglichst auch zwei Ziffernsätze, Kapitälchen, Schmuck- und Alternativzeichen, mehr Ligaturen etc. Da kommt man dann schon ohne nichtlateinische Sprachen schnell auf 300–500 Zeichen. Der ganze Zauber kostet im Entwurf natürlich Zeit.

Doch selbst mit Eriks 500 Stunden (das sind Profi-Entwurfsgeschwindigkeiten, Amateure verbraten da locker das vier- bis sechsfache an Zeit!) müsste eine vierschnittige Familie irgendwann mal 25.000 Euro einspielen, wenn man den Stundenlohn eines Handwerksmeisters kalkulieren würde. Dreiviertel des Verkaufspreises bleibt im Vertrieb hängen, also müssen im Verkauf 100.000 Euro eingenommen werden, damit am Ende 25.000 beim Entwerfer ankommen. Wenn im Verkauf 100 Euro für das vierschnittige Schriftpaket verlangt werden, bedeutet das, dass 1.000 Pakete verkauft werden müssen, damit sich der Spaß für den Designer lohnt.

Da, wie gesagt, mittlerweile die Erwartungen an den Zeichenvorrat drastisch gestiegen sind, muss man eher von 2.000 Paketen ausgehen (also 8.000 verkauften Schriftschnitten!), bis das Geld verdienen anfängt. Leben kann man davon dann zwar immer noch nicht, aber die Mühe macht sich dann wenigstens schonmal bezahlt. Um davon – gut sogar – leben zu können, sollten es dann noch einige Pakete mehr sein. Und das schafft kaum einer.

H.

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Norbert P

@ Schweizerdegen:

Tja, die Versuchung der Verfügbarkeit ...

Ende der Siebziger haben wir in der Schule bleigesetzt, nur kleine Formate, wir hatten schließlich nur eine Tiegelpresse, kamen aber mit einer Grotesk, einer Antiqua und der Bleivariante der Copperplate aus (hieß die Mimosa oder so? hab richtig nostalgische Gefühle gekriegt als Georg Bleisetzer sie letztens hier im Forum erwähnte).

Dann hab ich in den 80ern während meines (geisteswissenschaftlichen) Studiums ein paar Dinge betreut, die wir beim Fotosetzer machen ließen, da war auch die Herausforderung, was Ordentliches mit 9 Schriften (davon 3 irgendwelche Swash-Auszeichnungen) zu machen, echt reizvoll.

Aber dann, '90, im ersten Verlagsjob gab's so richtig dicke Schriftmusterbücher von den Setzern, die schon sowas wie DTP machten - und plötzlich hatte jeder Ahnung von Schrift. Richtig inflationär.

Und so stolpere ich heute mehrmals im Jahr immer wieder über Layoutentwürfe (wenn ich z.B. nur die Illus beisteuere), die hat offensichtlich irgendjemand gemacht, der glaubt, dass Geviert das ist, was da oben auf dem Brandenburger Tor steht. Aber die Herrschaften sind ja auch extrem preiswert - oder es wird gleich "Satz im Verlag" gemacht, d.h. ein normalerweise kaufmännischer Hersteller legt Schrift und Seitenspiegel fest und das Lektorat "setzt".

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GRIOT

An Formgebung:

Ist es denn so schwer, 1000 Schriftpakete zu verkaufen? Ich frage das, weil ich wirklich noch nicht einmal ansatzweise eine Vorstellung davon habe, wie oft Schriften verkauft werden.

Mal als Beispiel: sehr erfolgreiche Schriften wie Meta oder Frutiger (gut, da gibt es mehrere Hersteller) sind auf nahezu jedem Grafikrechner zu finden. Wenn auch nur jeder zehnte die Schrift wirklich gekauft hat (um mal im realistischen Rahmen zu bleiben :evil: ), kommt doch allein in Deutschland jede Menge zusammen.

Und noch eine Frage: Wie läuft das eigentlich mit der Vergütung, wenn Schriften einer Software beiliegen, also z.B. einem Betriebssystem oder dem CS-Paket von Adobe?

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Norbert P
ach Feierabend (nach einem 10-Stunden-Tag) und an Wochenenden (nach einer 50-bis-60-Stunden-Woche) arbeiten sie dann an einer ihrem Traum: Eine Schrift zu entwerfen.

Auch ich träume von etwa ein bis drei "eigenen" Schriften ... allerdings habe ich nach meiner 6-Tage-Woche keine Kraft mehr für sowas, denn ich müsste mich da komplett neu einarbeiten, Fontographer kenn ich nur vom Hörensagen. Meine Schriftenwünsche sind auch weniger von der Sehnsucht nach was Eigenem gekennzeichnet, als von dem Wunsch, mal eine wirklich gute Erstleseschrift zu haben, die eindeutige Wortbilder produziert, aber auch nicht zu fibelig ist (und trotzdem den Schreibformen von ABC-Schützen entlehnt ist) - bisher behelfe ich mir der Schulbuch Nord, der Fiendstar, der Gill Sans Infant, der (ITC) Johnston und der Bembo Infant (Sassoon geht zu sehr auf angloamerikanische Schreibgewohnheiten ein). Und dann will ich einen erstlesefähigen Funfont (muss ja wohl sein), gibt's irgendwie auch nicht (1, I und l müssen sich deutlich unterscheiden! Soupbone und Co. bringen das nicht). Und dann hätt' ich gern noch eine setz- und lesbare Variante der Vereinfachten Ausgangsschrift als gut gemachten PS-Font, der einem nicht die ästhetische Empfindung verätzt.

damit am Ende 25.000 beim Entwerfer ankommen.

Das ist dann wohl zu teuer für einen wie mich. Aber mit 10 % der Summe würde ich Fonts, wie ich sie brauche/will, wohl "anschieben" mögen.

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Bleisetzer
Oh Mann, Ihr habt es schwer. Na klar, jeder, der einen Bildschirm betrachtet, meint mitreden zu können. Da hat es der Buchdrucker viel einfacher. Wenn ein Kunde in meiner Werkstatt Platz nimmt, steht in seinem Rücken eine Druckmaschine von 1900, und zwar nicht als Museumsstück. Wenn ich einem Kundenwunsch entgegne: Das kann ich so nicht tun, ich biete Ihnen dieses als Alternative, dann stehen dieses Eisen und dazu einige Setzregale mit Blei als unübersehbare Autorität hinter mir. Wie kann man heute als Entwerfer eine eigene Handschrift erschaffen, wenn schon die Entscheidungen über Schrift vom Kunden so getroffen werden, daß man fast nur noch ausführt? Man kann zwar die Ausführung gut machen, aber womöglich widerstrebt einem schon der typografische Ansatz. Andererseits muß man von etwas leben. Wie oft kann man da nein sagen? Oh je.

He,hee.. gut formuliert.

Aus Sicht von jemandem, der Bleisatz-Schriften verkauft, ist es ähnlich:

Ich habe einen Kunden, der eine Schreibschrift nach der anderen kauft. Einen anderen, der sich immer mehr Fraktur-Schriften zulegt. Einen dritten, der nur Antiqua-Varianten will.

Gut: Einerseits freut mich natürlich jeder Kauf. Kann ich doch damit mein eigenes Projekt der Print-Ausgabe meiner Schriftensammlung weiter vorantreiben. Ich gebe zu, da werde ich leicht pragmatisch.

Andererseits plagt mich dann oft genug das schlechte Gewissen und ich versuche eine Diskussion zu beginnen. "Sie haben nun sehr viele Schreibschriften gekauft. Miteinander mischen können Sie die nicht. So eine Schreibschrift ist wunderschön, wenn sie sparsam als Blickfang eingesetzt wird. Aber was nehmen Sie dann für die Grundtexte Ihrer Gestaltung? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, welche Grotesk und welche Antiqua Sie sich in den Brotschriftgraden zulegen wollen?" - Die Antwort: "Grotesk-Schriften finde ich langweilig. Die verwende ich nie."

Ja, dann schlucke ich. Und biete ihm weiter Schreibschriften an.

Ich bin ein Opportunist.

Georg

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Bleisetzer

Hier macht tatsächlich eine Zwischen-Überschrift einmal Sinn.

Folgende Fragen haben sich in der Diskussion immer wieder ergeben, sind jedoch nie beantwortet worden (oder ich habe sie übersehen). Diese Antworten bräuchten wir meiner Meinung nach. Um überhaupt einmal zu wissen, worüber wir sprechen.

1. Wieviele Schriften verkauft eine heutige Foundry wohl im Jahr?

2. Wieviele Schriften hat heutzutage ein professioneller Free Lancer?

3. Wieviele hat ein mittelständisches Unternehmen der Druckvorstufe?

4. Wieviele hat eine große Agentur?

5. Wie lange braucht ein Schrift-Entwerfer für eine Schrift?

6. Verkauft der Schrift-Entwerfer der Foundry seinen Entwurf komplett mit allen Vermarktungsrechten? Oder ist er prozentual am Vertrieb beteiligt?

Georg

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Formgebung

GRIOT,

da es wohl zu schwierig war, erkläre ich es noch mal etwas einfacher.

Ein Profi entwirft (nicht unbedingt von einer Schreibschrift a la Zapfino, aber von einer ordentlichen Serifenlosen Gebrauchsschrift) einen Schnitt im Monat. 4 Schnitte = 4 Monate. Ein Amateur, der vermutlich nur nach Feierabend daran sitzt, arbeitet daran ein Jahr – in praktisch jeder freien Minute.

Sobald das getan ist, fängt der Entwerfer das nächste Projekt an. Damit für die Arbeit des Profis ein Entgelt wie das eines Handwerksmeisters herausspringt, sollte in der gegebenen Zeit, die der Enwurf benötigt hat (4M), die Schrift 1.000 Pakete verkaufen. Damit für die Arbeit des Amateurs ein Entgelt wie das eines Handwerksgesellen herausspringt, sollte in der gegebenen Zeit, die der Enwurf benötigt hat (1J), die Schrift 1.000 Pakete verkaufen. Und das schafft kaum einer. Die allermeisten Schriften verkaufen vielleicht über 10 Jahre verteilt (dann ist die Schrift auch meist endgültig ausgebrannt) ihre 1000 Pakete. Und davon kann man dann nicht leben, das ist dann weit weniger als Hartz IV.

Das ist dann wie bei der Musik. Wer bei Musikumsätzen nur an Dieter Bohlen und Robbie Williams denkt, kennt den Markt nicht. Klar, einige wenige räumen fett ab – doch die meisten haben mal ein, zwei Jahre Spass und machen dann am Ende wieder was anderes, weil die Kinder Hunger haben.

H.

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Norbert P

Eine Frage an Formgebung: Wie ist das eigentlich, wenn man im Prinzip mit einer Schrift ganz glücklich wäre, sie aber in Teilen gerne modifizieren würde (siehe meine Beispiele zum Kinderbuch)? Rechtlich/lizenztechnisch und kostenmäßig, was die Ausführung der Modifikation betrifft.

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Bleisetzer
Ein Profi entwirft (nicht unbedingt von einer Schreibschrift a la Zapfino, aber von einer ordentlichen Serifenlosen Gebrauchsschrift) einen Schnitt im Monat. 4 Schnitte = 4 Monate.

Bitte nicht negativ auffassen, aber kann das jemand bestätigen?

1 Schriftschnitt in 1 Monat?

Georg

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Norbert P

... ich hab zwar keine Ahnung, aber wenn ich an Entwurf, Ausprobieren, Neuentwurf, Liegenlassen, Ausprobieren, Überarbeiten, Präzision der Reinzeichnung, Umfang des Zeichensatzes, Kerning und den ganzen Kram denke, wird mir schon schwindlig - kurz, ich halte das sogar für ziemlich schnell ...

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Formgebung
Bitte nicht negativ auffassen, aber kann das jemand bestätigen?

Hat schon Georg Salden vorgelegt – und das war in der prädigitalen Zeit.

OK, damit war er damals der King.

wird mir schon schwindlig

Wir Entwerfer hätten auch gern mehr Zeit. Die müssen wir uns aber erobern, erarbeiten oder einfach nehmen (grins).Der Kunde möchte es nämlich zum indischen Tarif und wenn der Termin wackelt kommt die Vertragsstrafe.

H.

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Formgebung

Achso, es kann natürlich sein, dass der Profi nach vier Schnitten in

vier Monaten erstmal für drei Monate an den Tropf muss, aber das ist

dann ja privat ...

H.

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Bleisetzer
Der Kunde möchte es nämlich zum indischen Tarif und wenn der Termin wackelt kommt die Vertragsstrafe.

H.

Darf ich denn noch ein bißchen fragen? Wenn es zu sehr ans "Eingemachte" geht, dann blockst Du halt..

Du schreibst "Der Kunde möchte..." Wer ist Dein Kunde? Bekommst Du einen konkreten Auftrag von einer bestehenden Foundry "Entwickel uns mal eine Schrift nach folgender Spezifikation." oder von einem Endkunden, der eine eigene Hausschrift möchte? Oder entwirfst Du eine Schrift, die Dir vorschwebt und bietest es als "Halbfertigprodukt" oder gar als fertige Schrift einer bestimmten oder auch mehreren Foundries an?

Was meinst Du mit "Vertragsstrafe"? Meinst Du das bezogen auf einen einzelnen Auftrag zur Erstellung einer Schrift? Oder haben Schrift-Entwerfer auch Exklusiv-Verträge und legen sie sich vertraglich fest, nur für eine Foundry zu arbeiten bzw. denen ihre Entwürfe als erste anzubieten?

Fragen über Fragen. Bin ich unhöflich? Nur neugierig.

Georg

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Niklaus

Die Diskussion verfolge ich mit großem Interesse. Ich muss trotzdem – tut mir leid – ein bisschen schmunzeln, wenn ich lese, wie dramatisch hier z. T. die Situation geschildert wird: Ich lese von einer hart unterdrückten Garde von Schriftentwerfern, die, unter unmenschlichem Druck und immer hart an der Existenzgrenze, bis zur vollständigen Erschöpfung und dem medizinischen Zusammenbruch hingebungsvoll-passoniert an ihrem Produkt feilen – um dann von der verständnisvollen Öffentlichkeit vollständig ignoriert zu werden …

Wenn mir jemand freundlich erklärt, wieviel liebevoller Enthusiasmus in seinem Produkt steckt, dann bin ich gerne bereit, dafür den entsprechenden Preis zu zahlen. Diese Haltung hingegen «hach, der normale kleine Verbraucher hat doch keine Ahnung, was wir richtige Profis schuften müssen» – macht zumindest auf mich keinen großen Eindruck. Oder kurz gesagt: Der Bleisetzer und der Schweizerdegen überzeugen mich völlig, Formgebung nicht.

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Bleisetzer
Die Diskussion verfolge ich mit großem Interesse. Ich muss trotzdem – tut mir leid – ein bisschen schmunzeln, wenn ich lese, wie dramatisch hier z. T. die Situation geschildert wird: ... Oder kurz gesagt: Der Bleisetzer und der Schweizerdegen überzeugen mich völlig, Formgebung nicht.

Ich kann dem nicht zustimmen und habe die Beiträge als interessant empfunden. Deshalb auch meine nachgeschobenen Fragen.

Georg

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Formgebung

Niklaus,

ich kann wohl kaum verhindern, dass Dir nicht einleuchten will, dass beim

Schriftentwerfen (wie bei wohl jeder anderen kommerziellen Betätigung

auch) vor allen anderen Überlegungen die Gesetze des Marktes stehen.

Ich habe zwei Szenarien kurz und unromantisch skizziert, um häufig

anzutreffenden Irrtümern entgegenzutreten:

1 Die machen das nur aus Leidenschaft, Spaß an der Typografie etc.

Nein, die machen es, um Geld zu verdienen. Wie weit Spaß und

Leidenschaft tragen, sieht man, wenn der ambitionierte Nachwuchs-

designer seine Schriftfamilie in ungezählten Nachtschichten fertig gestellt

hat und sie kein durchschlagender Erfolg wurde. Der macht dann

noch hie und da ein paar Logos und das wars. Unromantisch, was? Das

tut der Freude an der Typografie keinen Abbruch, nur: Schriftentwerfer

ist man dann natürlich nicht dauerhaft geworden. Ausgenommen sind

natürlich jene, die schon reich auf die Welt kamen und sich die

geistreiche und vielschichtige, anmutige und spröde – doch leider

zeitraubende – Beschäftigung leisten (doch, so sehe ich die Typografie).

2 Schriftentwerfer verdienen sich alle dumm und dusslig.

Nein, daher meine Beispielberechnung. Auch als Kaufmann oder Anwalt

kann man in kurzer Zeit ein atemberaubendes Vermögen verdienen, ein

wesentlich größeres gar, als es mit dem Entwerfen von Schriften jemals

möglich sein dürfte. Allerdings kenne ich auch einige Juristen und

Kaufleute, die sich nicht mit Hunnis ihre Zigarre anzünden. Dennoch:

Wer wirklich Schütte machen will, sollte vielleicht nicht unbedingt

Schriftentwerfer werden. Und: wer reichlich Schotter verdienen will

oder muss, wird in jedem Beruf den kaufmännischen Erwägungen

Vorfahrt gewähren müssen. Auch unromantisch, was?

Wenn mir jemand freundlich erklärt, wieviel liebevoller Enthusiasmus in seinem Produkt steckt, dann bin ich gerne bereit, dafür den entsprechenden Preis zu zahlen.

Wenn aber hinter einem Produkt ausser liebevollem Enthusiasmus eine

Menge nicht durchgängig euphorisierender Arbeit und noch viel mehr

kaufmännisches Kalkül und juristische Sachkenntnis steckt, dann darf die

Schrift auch geklaut werden, oder was? Stöhn. Das von Dir, das ist

enttäuschend.

Niemand wird gezwungen, den Job zu machen.

Es wird also auch niemand unterdrückt, Niklaus.

Allerdings gibt es einige, die hart an der Existenzgrenze, bis zur (...)

Erschöpfung (...) hingebungsvoll-passoniert an ihrem Produkt feilen – um

dann von der (...) Öffentlichkeit vollständig ignoriert zu werden. Doch,

die gibt es. Und ich liebe sie alle, weil sie meine Leidenschaft für die

Typografie teilen. Wie schade, dass viele aufhören (müssen), bevor es

(für sie, für die Typografie) interessant wird. Aber so ist das Leben.

There’s no such thing as a free lunch.

Und ich bin gern Auftragsentwerfer. Ich mag ich es, jeden Tag eine Idee

haben zu müssen, weil der Kunde wartet. Oder keine Idee haben zu

müssen, sondern einen eher unkreativen, derivativen Entwurf zu machen.

Aber auf jeden Fall täglich mit Buchstaben arbeiten zu können. Himmlisch.

Als Entwerfer für die eigenen Entwürfe hätte ich mich wahrscheinlich nie

so sehr unter Druck gesetzt, wie Kunden das tun. Nur so lernt man, die

Kosten effektiv zu kontrollieren (überhaupt professionell Schriftentwurf zu

kalkulieren), die Entwurfsgeschwindigkeit und die Abläufe zu optimieren

und Regeln und Abstimmungsverfahren für die Kundenkommunikation zu

bilden.

Also: ich werde es wohl nicht ändern können, wenn Du nur von völlig

tiefenentspannten Schriftentwerfern hören möchtest, die ganztägig in die

höheren Spären des schönen Kunst entschwebt sind. Am Berufsalltag

geht das meilenweit vorbei. Die weitaus meisten müssen für ihre Liebe

zur Typografie ein bisschen mehr tun.

H.

PS: Georg, Deine Fragen beantworte ich auch – aber nicht mehr heut’.

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Norbert P

Genau. Seit ich keinem "Business"-Modell mehr hinterher laufe, sondern mache, was ich gerne mache, stimmt übrigens auch die Kasse. Das war zu Zeiten der Businesspläne nie so.

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ErikS

Meine faustregel ist seit eh und je: 100 stunden pro schnitt bei einer serifenlosen, allerdings ohne die endproduktion. Also ohne verschiedene codepages machen, kerning testen, Mac und PC fonts produzieren...

Da kommt gut ein ganzer monat zusammen, wenn man von einer durchschnittlichen 40-stunden woche ausgeht.

Eine normale beamtenwochen hat ca. 36 stunden.

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Formgebung

Erik,

Beamte, die 36 Stunden arbeiten? Da bist Du nicht ganz auf Ballhöhe.

Seit dem 15. Februar 2006 ist die Arbeitszeit für die Beamtinnen und Beamten des Bundes auf 41 Std. pro Woche erhöht (vorher 40 Std.).

Du bist einfach zu viel im Ausland ... ;-)

Gruß, H.

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Oliver Adam

Ich finde, dies hier ist eine interessante Diskussion. Ich selbst bin ja kein Schriftentwerfer, sondern setze sie möglichst sorgfältig ein (hoffentlich :wink: ). Ich bin noch nicht in die Lage gekommen, einem Unternehmen die Herstellung einer eigenen Hausschrift empfehlen zu können. Aber das könnte sich demnächst ändern. Ich könnte aber gar nicht Stellung beziehen, was die Kosten betrifft. Daher würde mich interessieren, wieviel eine Hausschrift kosten würde und was realistisch bezahlt wird. Als Basis nehme ich hier nicht die Deutsche Bahn oder Bosch, denn da spielt Geld wahrscheinlich eher keine Rolle :wink: . Ist es auch für ein Start-up-Unternehmen möglich, sich eine Hausschrift zuzulegen?

Liebe Grüße, Oliver

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