Jump to content
Registriere dich bei Typografie.info und schalte sofort alle Mitgliederfunktionen (einschließlich des Download-Portals) frei …

Historische Typographie

Empfohlene Beiträge

Pachulke

Ich bin gerade in meinem Photoalbum über ein paar Aufnahmen gestolpert, die ältere Typographie zeigen, die so heute nicht vorkommen würde, aber ihren ganz eigenen Charme hat:

3124_herrnhut_1.jpg ©

Hier ist die 1 besonders bemerkenswert, auch die Abteilung innerhalb der Bibelstelle mit Doppelpunkt, die wir heute im englischen Sprachraum finden, hierzulande eigentlich nicht (mehr).

Selbst Orthographie und Satzbau haben ihre Eigenheiten; geschlampt wurde freilich auch damals schon, wie das Loch hinter »84.« zeigt.

3124_weissmaudry_1.jpg ©

Der Umlaut wird in außerhalb der Fraktur heute kaum in dieser Form zu finden sein, selbst in der Fraktur selten. Es gibt einen Schnitt der Alten Schwabacher mit solchen Umlauten, ich bin mir aber nicht sicher, ob auch digital. Bemerkenswert ebenfalls das Lang-s im Antiquasatz, besonders in der Kombination Lang-s-Schluß-s in »Weiss«. Dies ist so selten, weil es diese Kombination im Deutschen bis zur Abschaffung der Rechtschreibung überhaupt nur in Eigennamen geben konnte, sonst hätte dort eigentlich in allen denkbaren Worten ein ß hingehört.

Überhaupt hat diese Englische eine wunderbare lebendige Leichtigkeit und ist gerade durch ihre offensichtliche Unvollkommenheit DTP-Schriften überlegen, die bei ähnlichem Duktus vergleichsweise steril wirken.

Den Lang-s-Satz finde ich auch in Groteskschriften immer wieder schön und freue mich jedes mal, wenn mir ein Beispiel begegnet:

3124_langs_grotesk_1.jpg ©

Renners Futura hatte meines Wissens auch noch beide s-Formen, spätestens bei der Rechneradaption ist dann die eine unter die Räder gekommen.

©

Bitte die Bilder nicht ohne mein Einverständnis verwenden.

Link zu diesem Kommentar
Bleisetzer
Renners Futura hatte meines Wissens auch noch beide s-Formen, spätestens bei der Rechneradaption ist dann die eine unter die Räder gekommen.

Ja, das ist richtig. Alle Futura Bleisatz-Schriften, die vor 1941 gegossen wurden, hatten das Lang-s im Zeichensatz. Nach dem Krieg wurden die Lang-s dann nicht mehr mit ausgeliefert. Ich müßte mal bei Stempel nachfragen, ab wann genau nicht mehr. Ich meine gelesen zu haben, daß die Standard-Gußbelegung irgendwann damals neu festgelegt wurde.

Hier ein Andruck einer alten Futura fett inkl. Lang-s nebst entsprechender Ligaturen. Sieht hübsch aus, nicht?

Georg

1012_1_191.jpg

Link zu diesem Kommentar
  • 2 Monate später...
Pachulke

kabelwerkduisburg2rp7.jpg

Ja, das Teil hätte ich auch unter viewtopic.php?f=1&t=4887 posten können, aber hierher gehört es auch — wegen der Substitution des I durch ein J. Das war wohl mal eine typographische Mode, oder besser gesagt: Unsitte. Man sieht es öfter im Versalsatz vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Weiß jemand darüber näheres?

Link zu diesem Kommentar
Dieter Stockert
Substutution des I durch ein J. Das war wohl mal eine typographische Mode, oder besser gesagt: Unsitte. Man sieht es öfter im Versalsatz vom Anfang des 20. Jahrhunderts.

Die Süddeutsche Zeitung hat das auch bei den in Grotesk gesetzten Überschriften so gemacht. Aber inzwischen scheint man sich das glücklicherweise abgewöhnt zu haben.

Link zu diesem Kommentar
Dieter Stockert
Bis wann haben die das gemacht?

Weiß ich leider nicht, aber ich glaube, die Umstellung ist noch nicht länger her als gefühlte zwei oder drei Jahre.

Link zu diesem Kommentar
Schwalbenkoenig

Das gibts auch immer noch. Und zwar z.B. in der FF Schulbuch Süd.

SchulbuchSued.gif.

Hab dies erst unlängst in einem Kinderbuch entdecken müssen, das ich meinen Kindern vorgelesen habe. Das war aus diesem Millennium. Schrecklich. Den Titel hab ich gleich verdrängt. Und auf Grund des Namens vermute ich dass dies eine geographische Verirrung ist. Aber keine österreichische, wie ich meine.

Link zu diesem Kommentar
Sebastian Nagel
Aber keine österreichische, wie ich meine.

Wenn ich mir einige österreichische Schulbücher ansehe, kommt da des öfteren die FF Schulbuch Nord zum Einsatz (die eben dieses *Ding* nicht hat).

Link zu diesem Kommentar
Schwalbenkoenig

Schöne Idee übrigens mit historischen Typobeispielen.

Darf ich mich beteiligen?

In den Weihachtsfeiertagen spazierte ich auf einem kleinen Friedhof der Stadt Salzburg herum, dort wo angeblich auch Paracelsus seine Grabstätte haben soll, direkt unterm Mönchsberg – und hab zwei Bilder mitgenommen. (Mehr konnte ich nicht machen ohne meine Familie zu verärgern).

Bild 1:

4144194957_508e4b06b2.jpg

Abenteuerliche Schriftmischungen. Und funky ß, finde ich. Moment, das ist ja gar keines. :shock:

Bild 2:

4144194009_0911311729.jpg

Versaliensatz in der Fraktur war damals auch schon schwer lesbar. Und ist da für ein Fraktur-Z das Geld ausgegangen?

Und als Abschluss noch eine sehr versteckte Gedenktafel in einem Hinterhof:

4144194493_5d69cd9e38.jpg

Text:

Auf dieses Gletscher kalten Eis

starben zwei Bayern und a Preuß

Gedenkt der Bayern, Wandersmann!

Der Preuße geht dich gar nichts an!

:D

He, Georg! War nur Spaß!

Link zu diesem Kommentar
Pachulke
Weiß ich leider nicht, aber ich glaube, die Umstellung ist noch nicht länger her als gefühlte zwei oder drei Jahre.
Wenn Du irgendwo noch so eine alte SZ im Kellerregal oder sonstwo findest, wäre es schön, das hier zu dokumentieren.
Das gibts auch immer noch. Und zwar z.B. in der FF Schulbuch Süd
Es gibt von diesem Vergehen offensichtlich zwei Ausformungen. Die eine begeht der Schriftsetzer, der einfach ein J verbaut, wo ein I hingehört, die andere der Schriftschneider, der zwei J in die Schrift baut — eines mit und eines ohne Unterlänge.
Darf ich mich beteiligen?
Ich bitte darum.
Bild 1
Auch die Linie über dem m oder n, welche die Doppelung des Buchstabens anzeigt, ist zeittypisch. Bemerkenswert sind die viel zu großen und kräftigen Versalien und die aus heutiger Sicht absurde Schräglage der Cursiven. Warum nur die eine 6 eine Oberlänge hat, die restlichen Ziffern aber so eine Art Capitälchenziffern zu sein scheinen, erschließt sich nicht so richtig. Auch die Grammatik ist etwas willkürlich: »Geboren … den …«, aber »gestorben am …« Trotzdem hat das Beispiel einen gewissen Charme, man muß ja auch mildernd berücksichtigen, daß so ein analoger Meißel ganz anders zu handhaben ist als die Digitalmeißel, die wir so bedienen, zumindest, was die Möglichkeit nachträglicher Korrekturen angeht.
Bild 2
barbaaaarisch… Die Verstorbenen konnten sich halt nicht mehr dagegen wehren. Vielleicht sollte man seinen Grabsteinentwurf und die Todesanzeigen schon in der Schublade respective auf der Festplatte liegen haben, daß einem nicht mal so etwas widerfährt.
Link zu diesem Kommentar
Schwalbenkoenig
Warum nur die eine 6 eine Oberlänge hat, die restlichen Ziffern aber so eine Art Capitälchenziffern zu sein scheinen, erschließt sich nicht so richtig.

Ja, das ist mir auch aufgefallen. Wollte es gestern abend auch irgendwie mit »isolierter Mediaevalziffer« betiteln, habs aber so spät nimmer geschafft.

Was mir gerade jetzt erst auffällt ist auch die Verwendung des J-Is (wie nennt sich das richtig?) bei »Inhaber« unten. Das hat Methode!

Was ich ja einigermaßen seltsam finde, ist die unterschiedliche Gestaltung der an sich ähnlichen Fraktur bei den Namen der Verstorbenen. Beide Namen wurden ja mit einem Abstand von mind. 21 Jahren eingemeißelt. Warum sich der Steinmetz entschieden hat gleiche Buchstaben bei manchen (a, B, y z.B.) zu verwenden, aber deutlich abweichende bei anderen zu nehmen (h, r, e z.B.) erschließt sich mir nicht.

Link zu diesem Kommentar
Pachulke

Um das herauszufinden, müßte man wissen, wie damals die Schriftvorlagen auf den Stein kopiert wurden und was für Vorlagen das überhaupt waren. Es ist ja nicht davon auszugehen, daß der Metz diese komplexen Frakturen jeweils aus dem Kopf gemeißelt hat. War der Steinmetz Nummer zwo mit dem ersten identisch? Hatte er Zugang zu den selben Vorlagen? 21 Jahre sind immerhin eine Generation, auch wenn die Technologiebrüche damals nicht so hektisch erfolgten wie heute.

Link zu diesem Kommentar
Gast Kupfers
Um das herauszufinden, müßte man wissen, wie damals die Schriftvorlagen auf den Stein kopiert wurden und was für Vorlagen das überhaupt waren. Es ist ja nicht davon auszugehen, daß der Metz diese komplexen Frakturen jeweils aus dem Kopf gemeißelt hat.

Nunja, man kann aber durchaus davon ausgehen, dass er sie aus dem Kopf geschrieben oder gezeichnet hat. Entweder direkt auf den Stein (wie z.B. in Bild) oder man kopiert die Vorzeichnung mit Kohlepapier drauf, zumindest seit dessen Erfindung.

t-193fe31d8e625e8159ff0b0fe1ba12a9.jpg

((und eigentlich ist das keine Typografie sondern angewandte Schrift, bzw. lettering))

Link zu diesem Kommentar
Pachulke

Das kommt eben darauf an. Vielleicht hatten die ja auch Pappalphabete, die dann auf den Stein kopiert wurden. Der Otto-Maier-Verlag hat solche Vorlagen ja auch für Maler herausgebracht (ab wann eigentlich?), so daß davon auszugehen ist, daß es auch solche Vorlagen für Steinmetze gegeben hat. Dann wäre es auch Typographie (im weiteren Sinne).

Link zu diesem Kommentar

Erstelle ein Benutzerkonto oder melde dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Benutzerkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Benutzerkonto erstellen

Neues Benutzerkonto für unsere Community erstellen. Es ist einfach!

Neues Benutzerkonto erstellen

Einloggen

Du hast bereits ein Benutzerkonto? Melde dich hier an.

Jetzt anmelden

Unsere Partner

Mit über 130.000 Fonts der größte Schriften-Shop im Internet.
FDI Type Foundry besuchen
Entdecke hunderte Font-Sonderangebote.
Hier beginnt deine kreative Reise.
Ständig interessante neue Typo-Inhalte auf Instagram. Abonniere @typography.guru.
×
×
  • Neu erstellen...

🍪 Hinweis:

Wir benutzen funktionale Cookies.