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Als die Buchstaben den Satzspiegel verließen

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StefanB

Hallo zusammen,

ich sitze derzeit an einem Vortrag, für welchen ich noch auf der Suche nach zusätzlichem Material bin.

Der Hauptteil des Vortrages beschäftigt sich, wie es der Titel schon andeutet, mit dem Zeitpunkt, als man begann, Schrift auf der (gedruckten) Fläche stärker zu inszenieren. Also weg von der adretten Satzspiegelgestaltung, hin zu emotionaleren Typospielereien.

Ich habe mich mich diesbezüglich schon eingehender mit Moholy-Nagy (Stichwort Fototypo), den russischen Konstruktivisten (Lissitzky, … ), Kurt Schwitters (seine berühmten Collagen, »Merz«) Stéphane Mallarmé, David Carson (als neueres Beispiel) bis hin zu aktuellen Typoanimationen (»Dinge geregelt bekommen«, (Passig, Lobo)) beschäftigt.

Nur ist mir der Ursprung für diese Entwicklung in der Typografie noch nicht ganz klar. Vielleicht habe ich auch wesentliche Vertreter dieser Entwicklung vergessen? Gibt es evtl. noch Bücher/Texte/Präsentationen/Ansätze, die diesen prägenden Teilbereich der Typografie behandeln?

Würde mich über Antworten freuen.

Besten Dank,

Stefan

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Gast ChristianBüning

ich vermute, dass du bei alten Akzidenzen fündig werden kannst. Bei Akzidenzien ging es um Aufmerksamkeit, also ein gutes Spielfeld für inszenierte Typo. Und da kannst du weiter zurückgehen als Schwitters und Co, das ging schon im 18. jhdt. los.

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StefanB

Ja, die Industrialisierung und die damit einhergehenden (sehr prägenden) Änderungen in der Entwicklung der Schrift, sind ebenfalls Bestandteil meines Vortrages.

Aber schaue ich mir beispielsweise die Gedichte von Mallarmé an, so kommen diese ja ganz ohne diese typischen Akzidenzlettern aus. Und dennoch passiert dort allein durch Größe und Stellungen der Texte, Worte oder Buchstaben extrem viel. Vor allem dieser Bereich, der allein mit den Mitteln der klassischen Typografie spielt, und sehr viel subtiler mit den gegebenen Mitteln umgeht, ist für mich interessant.

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Carlito Palm

wenn du david carson erwähnst, solltest du auch neville brody nicht vergessen! :tutor:

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Rolli

Mal abgesehen davon, dass ich nie verstehen werde, wie David Carson in den Ruf eines Typografen kommen konnte – ich fürchte das Feld der experimentellen oder auch inszenierenden Typografie ist etwas zu weit für einen Vortrag, wenn man wirklich alle relevanten oder gar interessanten Leute und Arbeiten behandeln will. Selbst wenn man sich nur auf typografische Experimente in Büchern und Buchverwandtem beschränken will hätte man Vortragsstoff für Tage und Wochen. Seitdem es Bücher gibt gibt es auch experimentelle Buchgestaltung.

Beschränken wir uns mal nur auf die letzten 150 Jahre experimentellen Umgang mit Schrift in Büchern:

Da gäbe es das weite Feld der konkreten Poesie, die noch vor bzw. mit Mallarme angefangen hat (L. Sterne, Apollinaire, A. Jarry). Es gab Surrealisten (vor allem Franzosen), Dadaisten (häufig Deutsche, aber auch Schweizer, Franzosen ...), Futuristen (Russen - El Lissitzky und Rodtschenko waren nur zwei von vielen – und Italiener). Das waren oft Leute, die eigentlich Dichter oder Künstler waren und eben nicht "nur" Typografen. Es gab außer Tschichold und Schwitters bekannte experimentelle Typografen vor dem zweite Weltkrieg in Ungarn (z.B. Kassak), in der damaligen CSR (z.B. Teige), in Frankreich (z.B. Cassandre) und sicherlich auch etlichen anderen Ländern, es gab den Ring Deutscher Werbegestalter um Vordemberge-Gildewart, es gab das Bauhaus.

Es gab einen Hendrik Nicolaas Werkman in Holland (mit vielen Epigonen), einen Piet Zwart und noch andere verrückte Holländer.

In den 60ern kam die ganz große Zeit "konkreter" oder "visueller" Poesie: nicht nur Jandl (als volkstümlichster und bekanntester Vertreter), sondern etliche andere deutsche, österreichische und internationale Dichter und Künstler tugen ihren Teil bei: Franz Mon, Dieter Roth und viele andere als vorwiegend Dichter, Künstler und Theoretiker, die Pressendrucke von Dieter Wagner, Dieter Sdun und anderen, die Arbeiten von Jiri Kolar ...

Die Maler- bzw. die Künstlerbücher alleine sind schon ein weltweites Universum, selbst wenn man Unikatbücher und Buchobjekte wegrechnet. Es gibt nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika und im Grunde fast überall eine äußerst lebendige Handpressenszene, in der halt nicht nur Jünger Gutenbergs klassische Typo machen, sondern im Gegenteil die meisten experimentell arbeiten - in unterschiedlichsten Richtungen.

Es gab schon immer und es gibt immer noch und immer wieder etliche kleine Verlage und Grafiker, die Bücher experimentell gestalten: von Wettbewerbsprojekten über Studienarbeiten bis hin zu tatsächlich kommerziell produzierten Büchern.

Ein paar völlig unvollständige und unsortierte Stichwörter: Groothuis (und Consorten), Die Gestalten Verlag, Verbrecherverlag, Kookbooks, Rainer-Verlag, Einhand-Presse, Schierlingspresse, Willem Sandberg, Teilnehmer am Thiemann-Preis-Wettbewerb, Die Rixdorfer, Frans de Jong, Emile Puettmann, Gunnar Kaldewey, Josua Reichert, Edition Schwarzdruck.

Etliche Vertreter klassischer Typo haben durchaus auch Experimente gemacht, wenn sie das für angebracht hielten: Kapr, Wunderlich, Willberg etc.

Einen kleinen (auf halt nur 50 Jahre beschränkten) Ausschnitt aus dieser wunderbaren Welt bietet beispielsweise das Buch AVANT GARDE PAGE DESIGN 1900-1950 von jaroslav andel. sollte mittlerweile recht preisgünstig zu bekommen sein. Aber es gibt noch unendlich viel andere Spezialliteratur zu einzelnen Aspekten in diesem wie gesagt doch extrem weit gefassten Feld: wenn google nicht hilft, einfach mal ne gute analoge bibliothek (am besten ne Landesbibliothek mit womöglich eigener Pressendrucksammlung) befragen: stichwörter könnten sein pressendrucke, konkrete poesie, künstlerbuch, experimentelle bücher etc.

viel spass beim entdecken!

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Alpha

Also die Pariser Plakate des 19 Jh. halten doch allerlei parat. Wahrscheinlich würde man auch bei entsprechenden amerikanischen Plakaten fündig werden. Die Werbung hat der Typografie im Grunde das meiste Leben eingehaucht. Aber wenn man es streng nimmt sind ja auch Bibelilluminationen ein Aufbruch des Satzspiegels.

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Rolli

Vorsicht! Dass ausgerechnet die Werbung der Typographie "im Grunde das meiste Leben" eingehaucht haben soll erscheint mir genauso zweifelhaft wie dass Pariser Plakate des 19. Jahrhunderts (sollten damit die berühmten gezeichneten Steindruckplakate gemeint sein - was haben die mit Typografie zu tun?) "allerlei parat" hielten zum Thema "über den Satzspiegel hinausgehen". Ich würde sogar behaupten, dass es praktisch kein Plakat gibt, welches über einen Satzspiegel hinausgeht - ein Satzspiegel macht nämlich nur bei mehrseitigen Werken einen Sinn ...

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Alpha

Ja, stimmt schon. Nur wollte der Thread-Ersteller ja wissen, wann man begann mit Typo zu spielen. Da sind die lithografischen Plakate doch ein Paradebeispiel, weil man ab dieser Zeit viel freier mit dem Thema Schrift umgehen konnte - immerhin war man nicht mehr auf Druckformen angewiesen.

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Rolli

Naja, auch diese Argumentation erscheint mir etwas zweifelhaft. Nach dieser Logik läge dann der Inbegriff des "mit der Typo spielen" also gerade ausserhalb der Typografie, wenn man Typografie als Schriftanwendung (vorhandener Schriften und eben nicht "Schrift entwickeln") begreift.

Der sich nur außerhalb des Spielfeldes warmlaufende Auswechselspieler kann aber leider nicht Held des Spieles werden.

Sicher können die Grenzen bezüglich rein typografischer Anwendungen verwischt werden (beispielsweise durch Techniken des Verfremdens meinetwegen auch durch kalligrafische Mittel), aber das Augenmerk des Fragenden liegt doch wohl eher in der unkonventionellen Anwendung vorhandener Schriften.

Wenn man schon auf lithografische Plakate verweist wäre der Hinweis auf Werbeplakate und Emailschilder aus dem frühen 20. Jahrhundert im deutschen Sprachraum sinnvoller - die Arbeiten Lucian Bernhards (u.a. seine Produktwerbeplakate) beispielsweise haben tatsächlich eine Betonung auf unkonventionelle Schriftanwendung. Im Gegensatz zu den französischen Plakaten, die ja viel mehr vom Bild leben - soweit mir das bekannt ist.

Angefangen haben typografische Experimente oder Spielereien "ausserhalb der Norm" im Grunde gleich mit Gutenberg. Schon aus dem einfachen Grund: man musste erstmal typografische Normen für die Arbeit mit gegossener Schrift finden und das konnte natürlich nur durch Experimente erfolgen. Da kann man wirklich nicht heutige Maßstäbe ansetzen - sofern es heute überhaupt Maßstäbe dafür gibt. Es gab in der Frühdruckerzeit vor 1500 beispielsweise schon die wildesten Versuche mehrsprachige Bibeln zu setzen (bis zu 6 Sprachen auf einer Doppelseite in durchgehenden oder auch "variablen Layouts"). Oder: In Prachtausgaben schon in der Renaissance und verschärfter noch im Barock gibt es beispielsweise Titelseiten - da möchte sich der "klassisch geschulte" Typograf aufhängen oder verliert zumindest den Glauben an die "klassischen Altvorderen".

Das ist ja das Schöne: Es gab eben immer schon Verrückte in der Branche ... zwangsläufig, da ja schon Johannes G. ein Wahnsinniger war, der sich kaum an eine damals aktuelle "Norm" gehalten hat ...

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Alpha

Na, meine Definition von Typografie geht eher in Richtung: Gedruckte Schrift. Und den Einfluss der französischen Plakatmalerei auf den Schriftengebrauch in Frankreich heutzutage ist ja nicht von der Hand zu weisen. Wir hatten doch hier letztens einen Thread mit schönen Beispielen von Außentypo aus Franzland. Deutschland war was Plakate angeht ja eher der Welt hinterher. Im 19. Jahrhundert gab es kaum öffentliche (künstlerische) Plakatierung.

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StefanB

Hallo zusammen,

ich muss mich entschuldigen. In den letzten Tagen hatten sich ein paar größere Baustellen aufgetan, sodass ich jetzt erst wieder hier mitlesen und antworten kann.

Ich danke euch vielmals für die Anregungen und Vorschläge! Bei meinen weitergehenden Recherchen bestätigte sich der Eindruck von Rolli, dass es wahrlich kein Thema ist, was sich in einem (Kurz-)Vortrag auch nur annähernd erfassen und darstellen lässt. Deshalb werde ich mich wohl auch ausschließlich auf die Entwicklungen eines festen Zeitraumes beschränken. Genauer gesagt geht es um die Zeit von Mallarmé bis circa 1920/1925, bevor die Neue Typografie und das Bauhaus wesentliche Beiträge leisteten.

Rolli, ist das Buch von Jaroslav Andel empfehlenswert (im Hinblick auf die aktualisierte Aufgabenstellung)? Oder kennst du evtl. noch passendere Werke?

Vielen Dank und beste Grüße

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