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Neue Rechtschreibung?

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Martin Z. Schröder

Die Gestaltung des Dokumentes hat mit dem Ergebnis insofern zu tun, als daß ich daraus ablesen kann, wieviel Mühe darauf verwendet wurde und welche Erfahrung ihr Urheber mit der Materie hat. Rechtschreibung und Typografie dienen der Lesbarkeit, und mir scheint, der Student hat sich darum nicht geschert. Aber auch sonst niemand. Haben die Betreuer die Arbeit gelesen? Sieht nicht so aus. Sieht eher nach Durchwinken aus.

An mir sind in den letzten Jahrzehnten etliche Versuche vorbeigerauscht, die Lesbarkeit berechenbar machen wollen. Keiner war überzeugend genug, um mir im Gedächtnis zu bleiben. Also nein: ich erinnere mich an keinen. Ich bin sogar so frech zu behaupten: Es gibt keine. Das ist keine Wissenschaft. Du wolltest mir das Gegenteil mit einer Bachelor-Arbeit beweisen, die in der Einleitung darauf hinweist, daß ihre Ergebnisse nicht verallgemeinerbar sind, die also gar keine Aussagekraft außer einer möglichen (ebenso gut nicht möglichen) Tendenz hat. Hast du noch was Handfestes?

Der Sehtest ist nötig, um die Probanden gleicher zu machen. Man erkennt mit einer bestimmten Unschärfe womöglich andere Dinge als mit einer anderen bestimmten Unschärfe. Das weiß ich nicht. Das müßte ein Augenarzt sagen können. Wozu ist denn die Sehstärke in dem Text angegeben? Und Alter und Geschlecht? Um eine Normalverteilung zu simulieren? Die wird aber gar nicht erwähnt. Wie ist denn die Normalverteilung? Und wo? Provinzbevölkerung? Großstadtbevölkerung? Welches Millieu?

Wechsel der Ebene:

Du erkundigst dich nach meiner Qualifikation, Studien zu beurteilen? Ich habe mal Sozialarbeit und Sozialpädagogik an der FH auf Diplom studiert. Das ist an sich Pillepalle und ich habe es größtenteils nebenberuflich erledigt, weil man da nur gut schwafeln können muß. Kann man als Journalist. Stilübung. Ich habe aber ein paar Semester bei Reinhart Wolff studiert. Das ist ein Professor, der auf dumme Fragen ungefähr so geantwortet hat: "Wir übersetzen hier keine Fremdwörter, das ist eine Hochschule. Schreiben Sie's auf und schauen Sie zu Hause nach." Ich habe bei dem Herrn einiges über wissenschaftliche Arbeit gelernt. Außerdem habe ich mich, auch wegen meiner Arbeit als Journalist, mit Freude in die Seminare von Prof. Schlosser über Statistik gestürzt. Das war lustig, zu lernen, wie man sich eine Statistik fälscht. Der Versuchsaufbau ist entscheidend. Auch die überreiche Mitteilung redundanter Informationen ist ein gutes Mittel, den Leser abzulenken. Und schließlich habe ich ein wenig in den Büchern von Walter Krämer geblättert. Ich habe dann öfter Statistiken untersucht, auch zusammen mit Kollegen, um darüber zu schreiben. Beispielsweise wie die Berliner Polizei mit der Kriminalstatistik die Personalpolitik beeinflussen kann. Welche Parameter geben Auskunft über Kriminalitätszuwachs oder -abnahme. Man kann ziemlich pauschal sagen, daß eine Statistik, die mit der eigenen Wahrnehmung nicht übereinstimmt, genauer untersucht werden sollte, sofern man die eigene Wahrnehmung gelassen prüfen kann. Ich glaube deshalb heute, ich kann eine Statistik ein ganz klein wenig lesen. Und diese Studie, die du da als Quelle angibst, ist Käse. Was sie ja im Vorwort selbst sagt, nur etwas feiner formuliert. Sie stimmt darin mit ihrem aufgeblasenen und schwer lesbaren Entwurf und den massenhaften Schreibfehlern kongenial überein. By the way: Nennt man alles, was Studenten schreiben, universitär? Auf Deutsch ist die FHTW wohl keine Universität.

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Phoibos
Ein Lektor liest anders als ein Klempner.

Spielt auf der Autobahn keine Rolle. Und ansonsten möchtest Du wohl Apotheker zum Maßstab nehmen, da diese absolut alles (ausgehend von Arztschriften) lesen können?

Und der Rant gegen die BA-Arbeit empfinde ich als unnötig. Ohne zu wissen, welchen Abschnitt das PDF im Abgabe-Prozess abbildet, ist die Aussage "legasthenische Darbietung" mehr als unhöflich und ziemlich verletzend für alle, die an dieser Behinderung leiden.

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Phoibos
Auf Deutsch ist die FHTW wohl keine Universität.

Willkommen im 21. Jahrhundert, es gibt so gut wie keine Fachhochschulen mehr. Nur noch Hochschulen, die wiederum synonym mit Universitäten (viel mehr als Eigenbezeichnung ist das nun auch wieder nicht) sind.

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Sieht eher nach Durchwinken aus.

Da du die betreffenden Personen nicht kennst und auch nicht dabei warst, solltest du nicht pauschal solche Urteile fällen. Du sagst hier nichts anderes, dass bestimmte Hochschulprofessoren ihre Arbeit nicht richtig machen, ohne diese je getroffen zu haben. Das finde ich ziemlich anmaßend.

Du wolltest mir das Gegenteil mit einer Bachelor-Arbeit beweisen, die in der Einleitung darauf hinweist, daß ihre Ergebnisse nicht verallgemeinerbar sind

Das war nur ein Beispiel, als Antwort auf deine Infragestellung von Theorie/Lösung/Überprüfung meiner Aussagen. Hier wurde eine Schrift mit einem ganz konkreten wissenschaftliche Methoden entwickelt und anschließend von unabhängiger Seite überprüft. Das zeigt, dass diese Verknüpfung von Schriftdesign und Wissenschaft scheinbar möglich ist. Ich kenne ansonsten auch niemand, der das anzweifeln würde. Es tut sich erfreulicherweise auch gerade sehr viel in diesem Bereich. Also ausdrücklich in Kooperation von Designer und Wissenschaftlern. So kann jede Seite die Fehler des anderen ausmerzen.

Wenn in deiner Arbeit wissenschaftliche Leserlichkeitaspekte keine Rolle spielen, ist das auch in Ordnung. Ich würde mir aber etwas mehr Respekt vor der Arbeit anderen wünschen, die diesen Weg gehen. Wenn eine Studie nicht nach ihrem Versuchsaufbau, sondern nach dem Ort der Entstehung oder der Gestaltung ihrer Dokumentation beurteilt wird, dann ist das äußerst unsachlich. Wir sind hier schließlich nicht am Stammtisch, sondern du spricht hier öffentlich. Der Beitrag hat dauerhaften Bestand und wird gegebenenfalls auch von den beteiligten der Studie gelesen.

Hast du noch was Handfestes?

Sicher. Aber gemessen am Stil deiner letzten Beiträge, kann ich kein ernsthaftes Interesse an einer inhaltlichen Auseindersetzung mit diesem Thema erkennen. Insofern werde ich davon absehen, weitere Belege vorzulegen.

Der Sehtest ist nötig, um die Probanden gleicher zu machen.

Und warum sollte man das tun? Sollen die auch alle gleich alt, gleich gebildet, gleich belesen usw. sein? Diese Gleichheit gibt es nicht, und wenn man sie hätte, würde das Ergebnis ja wieder nur für diese kleine Gruppe, nicht für den Durchschnitt gelten.

Denn letzteres ist das interessante Ergebnis. Man kann für alle erfassten Daten natürlich auch die Ergebnisse einzeln ausrechnen. Also gibt es für Männer/Frauen, ältere, weitsichtige/kurzsichtige, Stadtbewohner/Landbewohner, gebildete/ungebildete, Linkshänder/Rechtshänder usw. signifikante Abweichen vom Durchschnitt. Teilweise wurde das auch gemacht. Das ist auch alles möglich und interessant, aber es macht die Frage nach dem Durchschnittsergebnis aller Teilnehmer nicht obsolet. Ganz im Gegenteil.

Weil es bei der Beschilderung im Raum (und darum ging es in der Studie), nicht um Sonderlösungen geht. Es gibt in der U-Bahn keine verschiedenen Beschilderungen für verschiedene Sehstärken, sondern ein Schild, dem sich der Betrachter nähert, bis er es lesen kann. Genau dies wurde getestet und der Versuchsaufbau spiegelt das hervorragend wieder.

Ob sich bei unterschiedlichen Sehstärken bestimmte Tendenzen ergeben würden, wäre eine interessante Zusatzstudie, aber ich streite es vehement ab, dass hier ein Mangel im Versuchsaufbau vorliegt, weil keine Gleichheit der Sehstärke garantiert wurde.

Der größte Effekt, der sich durch die unterschiedliche Sehstärke einstellt, ist ein unterschiedlicher maximaler Leseabstand und genau dessen Wert pro Proband wurde ja hier explizit gemessen. Und dabei kamen klare Ergebnisse bezüglich der benutzen Schriftarten heraus. Genau das war das Ziel und genau hier liegt das relevante Ergebnis.

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Wrzlprmft

Ich habe mir das Dokument auch mal zur Gemüte geführt und mich gefragt, ob das wirklich die abgegebene Bachelorarbeit ist oder eher eine Art Präsentationsmappe für welchen Zweck auch immer. Auch abgesehen davon finde ich die Präsentation der Ergebnisse ziemlich dürftig: Praktisch nichts wird motiviert, viele Diagramme sind mühsam zu lesen bis schlicht unlesbar, usw. Zumindest in meinem Fachbereich ließe sich davon kaum auf die Qualität der Forschung schließen, aber angesichts des vorliegenden Fachbereichs finde ich die Skepsis schon berechtigt. So weit es durchschimmert, scheint die Forschung aber durchaus vernünftig durchgeführt worden zu sein.

Ganz vorn steht aber schon, daß die Ergebnisse auch hätten gewürfelt werden können: "Die Ergebnisse können auf Grund der Rahmenbedingungen nur die Erkenntnisse des Versuches wiederspiegeln und können nicht verallgemeinert werden. Jedoch zeigen sie eine Tendenz, die wissenschaftlich untersucht werden sollte."

Diese Floskel¹ wurde vermutlich eingeworfen, da eine statistische Auswertung fehlt (was angesichts der verschiedensten Tests auch im Rahmen einer Bachelorarbeit nicht drin wäre). Aber dass die Ergebnisse auch gewürfelt sein könnten, steht da beim schlechtesten Willen nicht. Ansonsten sind explorative Untersuchungen etwas völlig normales in der Wissenschaft.

Ich sehe das Problem im Umgang mit den Sehstärken auch nicht. Da anscheinend alle Probanden auf alle Sehtests gleichermaßen losgelassen wurden, hat die Sehstärke eines einzelnen keinerlei verzerrenden Effekt.

An der Stelle muss ich auch mal anmerken, dass ich von der Vorgehensweise, die zur Wayfinding Sans geführt hat, so weit ich davon mitbekommen habe, gerade aufgrund ihrer Wissenschaftlichkeit ziemlich begeistert bin.

¹ Die vermutlich (leider) nicht auf die Studie zugeschnitten wurde.

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Phoibos
Diese Floskel¹ wurde vermutlich eingeworfen
Weil folgendes immer gilt:
Der Versuchsaufbau ist entscheidend.

Schließlich ist die Katze tot. Oder lebt.

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Martin Z. Schröder
Ich sehe das Problem im Umgang mit den Sehstärken auch nicht. Da anscheinend alle Probanden auf alle Sehtests gleichermaßen losgelassen wurden, hat die Sehstärke eines einzelnen keinerlei verzerrenden Effekt.

Warum sind die Angaben zu Geschlecht, Alter und eben Sehkraft dann gemacht worden?

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Dieter Stockert
Ich habe mal Sozialarbeit und Sozialpädagogik an der FH auf Diplom studiert. Das ist an sich Pillepalle und ich habe es größtenteils nebenberuflich erledigt, weil man da nur gut schwafeln können muß.

Entweder das ist ernst gemeint, dann hast Du offensichtlich nicht viel davon verstanden. Oder es ist Polemik, dann tut’s aber Deiner Argumentation gar nicht gut.

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Martin Z. Schröder

Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich dich getroffen habe. Ich habe ganz großartige Sozialarbeiter in der Praxis (Kinderschutz, Gefängnis und Haftentlassenenhilfe) kennengelernt. Nur was die Wissenschaft angeht: Ich hab für die Berufsausübung von Dickens mehr gelernt als in der Hochschule. Und halte es mit Siegfried Bernfelds "Grenzen der Erziehung".

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Dieter Stockert
Ich bitte um Entschuldigung

Das ist nicht nötig, ich bin nicht beleidigt. (Und wenn ich’s wäre, wär’s mein Problem, nicht Deins.) Aber Du drückst Dich um die Frage, ob’s ernst gemeint war oder Polemik.

Ergänzung: Den Hinweis auf Dickens kann ich eigentlich nur als Polemik verstehen.

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Martin Z. Schröder
Das ist nicht nötig, ich bin nicht beleidigt. (Und wenn ich’s wäre, wär’s mein Problem, nicht Deins.) Aber Du drückst Dich um die Frage, ob’s ernst gemeint war oder Polemik.

Ergänzung: Den Hinweis auf Dickens kann ich eigentlich nur als Polemik verstehen.

Das gehört nicht in diese Diskussion, meine kleine Randbemerkung. Aber wenn du auf Erklärung beharrst, gern: Ich bin gewissermaßen Antipädagoge, so halb Braunmühl, halb Anhänger der dialogischen Erziehung nach Herzka. Ich habe Anfang der 90er Jahre einen kinderrechtlichen Kongreß in Berlin veranstaltet. Der 1992 zuerst erschienene Kongreß-Band ist nach wie vor lieferbar. In der Tat halte ich Betsey Trotwood aus "David Copperfield" für ein Vorbild für Pädagogen. Gemütsbildung und die Fähigkeit zur klugen Zuwendung, Hilfe zur Selbsthilfe leisten, das sind Prämissen, die in der Wissenschaft kaum eine Rolle spielen, in der täglichen Praxis der Sozialarbeit aber hilfreicher sind als wichtig klingende Theorien. Meine Diplomarbeit handelte von der Schädlichkeit und Unrechtmäßigkeit des Erziehungsgedankens in der Jugenduntersuchungshaft. Eingegangen sind diese Erwägungen in mein 2002 erschienenes Buch. Ich hoffe, diese Anmerkungen sind erschöpfend.

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Mueck

Ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich den ersten Rechtschreibfehler entdeckt habe. Ein typischer für nachträgliche Umstellungen Plural <--> Singular. Danach wurde die Fehlerdichte etwas dichter, als es zur Besprechung der einzelnen Schriften kam. Zeitmangel gegen Ende? Hmmm ... Von Fehlern übersät oder gar unleserlich dadurch ist sei aber nicht gerade zu bezeichnen ...

Werbung für die Sache sind die Fehler oder die kontrastarme Darstellung sicher nicht. Das sie den Inhalt aber völlig diskreditieren täten, fände ich übertrieben ...

Bzgl. Brille ja/nein:

Ich gehe davon aus, dass die meisten Menschen, wenn möglich, ihre Sehstärke für den Alltagsgebrauch hinreichend gut ausgleichen durch Sehhilfen. Brille ja/nein ist daher erst mal nur ein Indiz, dass man sich nicht auf eine Gruppe beschränkt hat (nach dem Motto "ohne Brille können die Leute besser gucken" oder so, was vermutlich falsch wäre, weil bei den Nichtbrillenträgern vermutlich paar unentdeckte Sehschwächen oder Eitelkeiten lauern ...) Insofern wird hier der Querschnitt durch den Bevölkerungsteil abgebildet, der meint, alltagstauglich gut genug sehen zu können.

Alter wäre ein interessantes Kriterium, weil irgendwann die Sehschwächen kommen, die nicht mit Sehhilfe auszugleichen sind. Grauer Star und so ...

Wenn man da aber tiefer einsteigen wollte, wäre aber eine Studie mit Sehbehinderten sinnvoller, wo man die Lesbarkeit nach diesem Muster untersucht in Abhängigkeit von Art der Sehstörung und verbliebener Sehstärke.

Oder auch interessant: in Abhängigkeit von der Helligkeit, weil mit nachlassender Helligkeit kommen Sehschwächen stärker zum Vorschein, insbes. im Alter *auseigenererfahrungsprech* *tatter* ;-) (das Absetzen der Fernbrille reicht nicht mehr immer, eine Taschenlampe parat zu haben kann inzwischen Vorteile haben ;-) )

Letzteres wäre für Wegweisungen im Autoverkehr interessant, Ersteres für Wegweisungen im Fußverkehr.

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Wrzlprmft
Warum sind die Angaben zu Geschlecht, Alter und eben Sehkraft dann gemacht worden?

Um darzulegen, dass die Probandengruppe einigermaßen repräsentativ ist. Es kann ja zum Beispiel sein, dass man durch die Art der Probandengewinnung aus Versehen überwiegend Sehgeschädigte angeheuert hat¹. Und ein Test mit solchen wäre halt nicht unbedingt das Gelbe vom Ei.

Ich selber hätte übrigens als allererstes die Abhängigkeit von Leseentfernung (ohne Sehhilfen) zur Sehstärke untersucht, da hier eine deutliche Abhängigkeit zu erwarten ist und damit das Studiendesign überprüft werden kann.

Anscheinend handelt es sich bei dem verlinkten Dokument übrigens um den »praktischen Teil« der Bachelorarbeit, zu dem sich noch ein »theoretischer Teil« gesellt, der dann auch als wirkliche wissenschaftliche Arbeit daherkommt. (Siehe hier die beiden Dokumente von Sebastian Langer.)

¹ Weil man zum Beispiel die einzige Ausschreibung bei einem Augenarzt ausgehängt hat, um ein krasses Beispiel zu geben.

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  • 4 Wochen später...
Joshua K.
Fakt ist aber: der besondere Stil der gebrochenen Schriften – also ihre Schmalheit und ihre Brechung – entstanden als bewusstes Stilmittel der Zeit. Sie sollten weder der Leserlichkeit dienen – ganz im Gegenteil! – noch waren sie irgendwie mit der Anwendung in deutschen Texten verbunden. Zu dieser Zeit der Entstehung wurden hauptsächlich sakrale und aristokratische Texte geschrieben bzw. später gedruckt und der Stil sollte dementsprechende Wirkung entfalten. […]

Für die lateinische Schrift gilt dasselbe: Auch sie hatte ursprünglich ganz andere Anwendungsbereiche als heute und mußte sich erst zur jetzigen Form entwickeln. Die Herkunft ist jedoch für die Lesbarkeit unerheblich — es kommt schließlich darauf an, was daraus geworden ist, aus welchen Gründen auch immer!

 

Gebrochene Schriften waren anfangs extrem dekorativ und auch wenn sie diese Eigenschaft mit der Zeit immer mehr verloren, blieb es strukturell (im Buchstabenskelett) dabei und dies führte zwangsläufig zu den vielen Unterscheidbarkeitsproblemen.

Erkläre das bitte genauer. Wie kommst Du darauf, das Buchstabenskelett der Fraktur führe zwangsläufig zu vielen Unterscheidbarkeitsproblemen? Meinst Du damit die „Probleme“, die Du im Typojournal vorgestellt hast? Ein Beispiel für eine Fraktur, in der die Buchstaben sehr gut unterschieden sind, ist die Euler-Fraktur (PDF-Muster). Daran wird deutlich, daß die vielen von Dir im Typojournal vorgestellten Unterscheidbarkeitsprobleme kein Problem des grundsätzlichen Aufbaus der Frakturbuchstaben sind, sondern nur ein Problem der Gestaltung einzelner Schriften. Es ist bei der Fraktur eben wie bei der Antiqua auch: es gibt besser und schlechter lesbare Vertreter.

 

Dass schmale Schriften für deutsche Texte besser geeignet werden stimmt natürlich auch nicht. Das müsste dann ja für schmale Antiqua-Schriften genauso gelten. Schließlich wird ja ausschließlich die Schmalheit als Parameter für diesen Effekt genannt.

Warum soll das „natürlich“ nicht stimmen? Weil es Deiner Meinung widerspricht? Und ja, für die Antiqua gilt das genauso: Ich halte für einen deutschen Text eine schmälere Antiqua wie beispielsweise die Times für besser geeignet als eine breitere wie beispielsweise die Linotype-Palatino.

 

Warum wird nie ein deutscher Roman in irgendeiner Antiqua Condensed gesetzt, wenn da doch so viel mehr Buchstaben ins Sichtfeld passen und wo es doch so viele schmalere Antiquas gibt? Weil es Unsinn ist. Das weiß jeder Gestalter schon instinktiv, selbst wenn man nicht genau sagen kann warum.

Oder liegt es vielleicht doch nur an der Gewohnheit? Der Gestalter erkennt lediglich instinktiv, daß etwas der gewohnten Antiqua-Tradition nicht entspricht. Er hält eine Garamond für geeignet, weil er gewohnt ist, daß Romane aus einer Garamond gesetzt werden. Begehe nicht den Irrtum, die Antiquatradition für besser zu halten als die Frakturtradition, nur weil Du sie gewohnt bist. (Wirfst Du nicht gerade das den Frakturfreunden vor?)

 

Es ist aber auch nicht schwer zu entschlüsseln: was passiert denn bei der Verschmälerung von Schriften? […] In der Summe entsteht ein wunderschöner Lattenzaun (»Textura« kommt nicht von ungefähr), bei dem der Leser dann mühselig entschlüsseln muss, ob und wo diese Stämme überhaupt verbunden sind. Das kann man lesen, aber es ist mit Sicherheit nicht besser lesbar.

Was Du beschreibst, passiert, wenn eine Schrift zu schmal ist. Genauso gibt es auch zu breite Schriften. Die beste Breite befindet sich irgendwo in der Mitte zwischen den Extremen — und ich behaupte lediglich, daß die Frakturschriften im Durchschnitt näher an diesem Optimum liegen als die Antiquaschriften. Nicht, daß man derart schmale Schriften benutzen sollte, daß ein Lattenzaun entsteht. Und Dir ist sicher nicht entgangen, daß die Textura aus gutem Grund von Fraktur und Schwabacher als Textschrift abgelöst worden ist?

 

Ganz sozialdarwinistisch gesagt, hat die Fraktur nicht den Test der Zeit bestanden. Fragen sich eigentlich Frakturbefürworter nicht, warum die Gebrochenen weder am Anfang, noch am Ende (also heute) der Schriftentwicklung standen, sondern nur mitten drin eine Modeerscheinung waren?

Du glaubst wohl auch an den Weihnachtsmann, wenn Du glaubst, jede Entwicklung führe zum Besseren. In der Schriftgeschichte haben viele Faktoren eine Rolle gespielt — die Lesbarkeit ist nur eine davon.

 

Ich bin aber übrigens sehr wohl der Meinung, dass man Leserlichkeit objektiv bewerten kann. Es gibt nicht umsonst unsere DIN-Norm zur Leserlichkeit. Unter welchen Grundvoraussetzungen ein Buchstabe lesbar ist, ist ein Wahrnehmungsphänomen und damit objektiv beschreibbar. Für die Unterscheidbarkeit von Buchstaben gilt das gleiche.

Ja, jedoch steht die Forschung noch ziemlich am Anfang. Angesichts des Erkenntnisstandes zu behaupten, die endgültige Wahrheit (die es meistens gar nicht gibt) gefunden zu haben, ist reichlich vermessen.

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Die Herkunft ist jedoch für die Lesbarkeit unerheblich

 

Ganz im Gegenteil. Alle gebrochenen Schriften tragen ihr Erbe mit sich - sonst könnte man sie ja gar nicht dieser Gruppe zuordnen. Sie sind vereint in einem bestimmten Gestaltungskanon. Das muss ja auch so sein, sonst könnte der Frakturleser ja gar nicht verschiedene Schriften lesen. Die gebrochenen Schriften kommen aus einer Gestaltungstradition, die ursprünglich auf Dekor, statt Leserlichkeit aus war und auch wenn eine spätere Schwabacher es etwas besser macht, mildert sie allenfalls die Probleme. Du hast jetzt nach Jahren(?) Diskussion endlich mal die Schwäche von ſ/f zugegeben. Sollen wir das Spiel jetzt wirklich weitere Jahre für r/x, n/y usw. fortführen? 

Ich bin ja für die Abkürzung und den Kompromiss, dass wir gemeinsam erklären, dass die gebrochenen ein tolles Stück typografischer Zeitgeschichte sind, dass in klassischer oder moderner Anwendung gern noch Anwendung finden soll - nur eben besser lesbar sind’se nich. 

 

Warum soll das „natürlich“ nicht stimmen? Weil es Deiner Meinung widerspricht?

 

Das zeigen 500 Jahr Drucktradition. Wir wissen nach 500 Jahren Antiqua-Satz genau, wie Strichstärken, Zeilenlängen- und Abstände ausfallen müssen, um zu einem optimalen Ergebnis zu kommen. Das ist der Erfahrungsschatz eines gesamten Berufsstandes. Willst du wirklich behaupten, die heutige Durchschnittsantiqua hat eine »falsche« Breite für deutsche Texte und alle deutschen Gestalter greifen dann auch noch immer zu den bösen breiten Schriften, weil sie es nicht besser wüssten? 

 

Begehe nicht den Irrtum, die Antiquatradition für besser zu halten als die Frakturtradition, nur weil Du sie gewohnt bist.

 

Dazu besteht kein Grund. Ich lese auch Fraktur fließend und auch gerne.

 

… und ich behaupte lediglich, daß die Frakturschriften im Durchschnitt näher an diesem Optimum liegen als die Antiquaschriften.

 

… was nach einer nachträglichen Interpretation zur Rechtfertigung der Fraktur klingt, wie oben schon gesagt. Die Schmalheit hat vor allem historische Gründe. Der heutige typische Antiqua-Satz, der diesen historischen Ballast nicht hat und auch im Deutschen nicht zur Schmalheit strebt, zeigt mir keinerlei Gründe auf, warum Schmalheit eine erstrebenswerte Eigenschaft von Leseschriften wäre. 

 

Angesichts des Erkenntnisstandes zu behaupten, die endgültige Wahrheit (die es meistens gar nicht gibt) gefunden zu haben, ist reichlich vermessen.

 

Nana! Du zitierst da eine Textstelle, wo ich lediglich sage, dass man Leserlichkeit objektiv beschreiben kann, nicht dass alle Wahrheiten bereits gefunden wären oder dass ich diese für meine Aussagen beanspruche. 

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Joshua K.

Ganz im Gegenteil. Alle gebrochenen Schriften tragen ihr Erbe mit sich - sonst könnte man sie ja gar nicht dieser Gruppe zuordnen.

Sicher. Das gilt für alle Schriften — für die Antiqua wie für die Fraktur.

 

Die gebrochenen Schriften kommen aus einer Gestaltungstradition, die ursprünglich auf Dekor, statt Leserlichkeit aus war und auch wenn eine spätere Schwabacher es etwas besser macht, mildert sie allenfalls die Probleme.

Wie gesagt: entscheidend ist doch, was am Ende dabei herauskommt, nicht warum es sich dahin entwickelt hat. Hindert Dich vielleicht die Vergangenheit unserer lateinischen Großbuchstaben als in Stein gehauene Monumentalschrift (die nicht gerade auf Leserlichkeit aus war), sie zu ganz anderen Zwecken auf heutiges Papier zu drucken? Und nenne doch bitte mal die Probleme, die aus einer auf Dekor ausgerichteten Gestaltungstradition der Fraktur herrühren sollen. Umgekehrt behaupte ich: die frühere Verschnörkelung ist dafür verantwortlich, daß die Fraktur über einen größeren Formenschatz verfügt als die Antiqua! Diese muß mit weniger Formen auskommen, weshalb ihre Buchstaben sich schlechter voneinander unterscheiden. Es ist wie mit dem Erkennen von Gesichtern: hätten alle Menschen bloß ganz klar und schlicht aufgebaute Strichmännchen-Köpfe, fiele uns sehr schwer, sie auseinander zu halten. All die „Schnörkel“ in den Gesichtern, die vielen kleinen Merkmale, die wir uns oft gar nicht ins Gedächtnis rufen können, liefern unserem Gehirn Merkmale, anhand deren komplexen Musters es blitzschnell erkennt, wer da vor einem steht. Schlichtheit bedeutet keineswegs bessere Lesbarkeit.

 

Du hast jetzt nach Jahren(?) Diskussion endlich mal die Schwäche von ſ/f zugegeben. Sollen wir das Spiel jetzt wirklich weitere Jahre für r/x, n/y usw. fortführen?

Ich habe nie geleugnet, daß es ein Nachteil des ſ ist, daß es sich schlecht vom f unterscheidet. Jedoch höre ich bei dieser Feststellung nicht auf zu denken, sondern sehe, daß das ſ daneben auch einige Vorteile hat, die ich jetzt nicht schon wieder herunterbeten muß. An meiner Meinung hat sich also nichts geändert: ich halte die Unterscheidung von ſ und s nach wie vor für einen Vorteil der Fraktur. Was all die anderen Unterscheidungsprobleme angeht, unter denen die Fraktur Deiner Ansicht nach leidet, kann ich nur erneut empfehlen, einen Blick auf die Euler-Fraktur zu werfen.

 

Ich bin ja für die Abkürzung und den Kompromiss, dass wir gemeinsam erklären, dass die gebrochenen ein tolles Stück typografischer Zeitgeschichte sind, dass in klassischer oder moderner Anwendung gern noch Anwendung finden soll - nur eben besser lesbar sind’se nich.

Ich schätze sowohl die Fraktur, als auch die Antiqua als wertvolle Kulturleistungen. Nach langer Beschäftigung mit beiden Schriften und den Argumenten ihrer Anhänger bin ich aber davon überzeugt, daß die Fraktur die für die deutsche Sprache geeignetere Schrift ist. Deine Argumente haben das nicht ändern können. Du verstehst sicher, daß ich somit weiterhin nach bestem Wissen und Gewissen das vertrete, was ich für richtig halte.

 

Das zeigen 500 Jahr Drucktradition. Wir wissen nach 500 Jahren Antiqua-Satz genau, wie Strichstärken, Zeilenlängen- und Abstände ausfallen müssen, um zu einem optimalen Ergebnis zu kommen. Das ist der Erfahrungsschatz eines gesamten Berufsstandes.

Und was ist mit dem Erfahrungsschatz des gesamten Berufsstandes der Fraktursetzer? Ist die Antiquatradition alles, die Frakturtradition nichts? Die Antiqua wird in nennenswertem Ausmaß ja erst seit dem 19. Jahrhundert fürs Deutsche gebraucht, das sind bis heute nicht 500, sondern 200 Jahre Erfahrung. Die Fraktur dagegen ist seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts bis zum Schrifterlaß 1941 mehr als doppelt so lange für das Deutsche benutzt worden!

 

Willst du wirklich behaupten, die heutige Durchschnittsantiqua hat eine »falsche« Breite für deutsche Texte und alle deutschen Gestalter greifen dann auch noch immer zu den bösen breiten Schriften, weil sie es nicht besser wüssten?

Nein, nicht alle. Ich habe letztens erst einen aus der Life gesetzten, sehr gut lesbaren Roman gelesen. Und wir alle lesen täglich die Times New Roman, ohne daß uns dabei irgendwelche Effekte zu großer Schmalheit stören.

 

… was nach einer nachträglichen Interpretation zur Rechtfertigung der Fraktur klingt, wie oben schon gesagt. Die Schmalheit hat vor allem historische Gründe. Der heutige typische Antiqua-Satz, der diesen historischen Ballast nicht hat und auch im Deutschen nicht zur Schmalheit strebt, zeigt mir keinerlei Gründe auf, warum Schmalheit eine erstrebenswerte Eigenschaft von Leseschriften wäre. 

Auch die Form der Antiqua hat historische Gründe, und sie trägt genausoviel Geschichte („Ballast“) in sich wie die Fraktur.

 

Der heutige typische Antiqua-Satz […] zeigt mir keinerlei Gründe auf […]

Dann solltest Du endlich einmal über den Tellerrand hinausblicken, und nicht nur im heutigen typischen Antiqua-Satz, also in dem, was Du gewohnt bist und was für Dich einziger Maßstab zu sein scheint, nach Gründen suchen.

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Dann solltest Du endlich einmal über den Tellerrand hinausblicken, und nicht nur im heutigen typischen Antiqua-Satz, also in dem, was Du gewohnt bist und was für Dich einziger Maßstab zu sein scheint, nach Gründen suchen.

 

Das tue ich ja nicht. Ich spreche nicht umsonst immer von Erkennbarkeit von Buchstabenskeletten. Das ist ja gerade der zentrale Punkt, der sich abseits der Gewöhnung und abseits von Einzelschriftentwürfen als wesentlichen Unterscheidungsmerkmal verschiedener Schriftgattungen objektiv im Sinne der Wahrnehmung und Symbolverarbeitung beschreiben lässt. Und nichts anderes mache ich (soweit mir das als Designer möglich ist). Es lassen sich für alle typischen Frakturschriften Buchstabenpaare finden, die sich leicht(er) verwechseln lassen (warum diese Formen so entstanden, habe ich oben mehrfach schon erklärt). Die Antiqua hat solche Probleme deutlich weniger. Ich verstehe auch nicht, warum dies überhaupt immer wieder zur Debatte steht. Jede Fraktur-für-Einsteiger-Text erklärt diesen Mangel doch sogar immer als erstes. 

 

Aber schön, dass du den zentralen Punkt in diesem Zusammenhang hier selbst ansprichst …

die frühere Verschnörkelung ist dafür verantwortlich, daß die Fraktur über einen größeren Formenschatz verfügt als die Antiqua! Diese muß mit weniger Formen auskommen, weshalb ihre Buchstaben sich schlechter voneinander unterscheiden.

 

Das ist ein zentraler Irrtum. Erkennbarkeit von Buchstaben - oder jeglichen Symbolen - liegt nicht im »Formenreichtum« (→ Komplexität), sondern in der klaren Erkennbarkeit und Unterscheidung. Denke einfach mal an die Piktogramme von Verkehrszeichen. Sind da jene am leichtesten lesbar, die mit möglichst vielen Details eine möglichst naturgetreue und möglichst komplexe Darstellung (mit ganz vielen Falten im Gesicht) abgeben? Viel hilft viel? Eben gerade nicht! Die lesbarste Form ist die, die sowohl einfach - aber auch unverwechselbar ist. Warum haben wir heute DIN-Schrift und einfache Piktogramme, statt Fraktur und naturgetreue Illustrationen auf Schilder? Da ist doch die Leserlichkeit oberster Gebot! Nach deiner Aussage müssten die Schilder mit möglichst komplexem (formenreichen) Buchstaben und Bildern ausgestattet werden. Wer glaubt denn wirklich, dass das hilfreich wäre? Warum ist dann auf jedem Flughafen mit der Frutiger eine humanistische Antiqua im Einsatz und nirgendwo eine möglichst komplexe Schrift? Haben die Designer der Schilder auf aller Welt keine Ahnung wie man optimale Leserlichkeit von Text und Bild herstellt? 

 

Die lateinischen Großbuchstaben wurden schon vor 2000 Jahren nach diesem Prinzip der Einfachheit + Unterscheidbarkeit geschrieben. 

(Den abwertenden Hinweis, dass die Antiqua-Lettern ja eine Art gefühllose vom Meißel geprägte Schrift wären, las ich auch letztens erst bei Klingspor. Das ist natürlich glatt gelogen. Erstens wurden mit dem Meißel nur Formen in Stein gehauen, die vorher schwungvoll mit der Hand und Pinsel vorgezeichnet wurden und zweitens sind die Inschriften nur aus heutiger Sicht für uns das typische Schriftbild der Zeit, weil sie am besten überdauert haben. Natürlich war die Schriftform auch zu dieser Zeit ausnahmslos von der Handschrift geprägt. Die Inschrift war ein Abdruck, nicht der Ursprung der Form. Auch wieder ein typisches Beispiel, wo die Frakturfreunde aus Mittel zum Zweck Unsinn erzählen, dass sich die Balken biegen.)

 

Die gebrochenen Schriften haben den gleichen Ursprung, aber dann durchliefen sie eine Phase der extremen Dekorierung: Brechung, Schmalheit, Verschnörkelung. Aus rein dekorativen Gründen. Und genau da spalteten sich die Skelettformen von Antiqua und gebrochenen auf. Als die Formen am Ende wieder aus ihrem Dampfbad rauskamen und die Schriften wieder etwas in die Breite gingen und auch durchaus wieder etwas klarer und leserlicher wurden, behielten sie diese Grundelemente aber mehr oder weniger stark bei. Aber wo siehst du hier eine Steigerung der Leserlichkeit durch Formenreichtum? Man denke etwa an das y, dass das gleich Skelett wie das n hat, nur etwas längere Abstriche an zwei Stellen?

Genau so etwas gibt es in der Antiqua aber eben gerade nicht. Die Buchstaben unterscheiden sich auf elementarster Ebene in ihrer Skelettstruktur. Darauf kann dann je nach Schriftstil auch jede Menge Dekor sitzen, aber die Skelette sind in Leseschriften immer deutlich unterscheidbar. Daher verwundert so ein Satz …

 

… als die Antiqua! Diese muß mit weniger Formen auskommen, weshalb ihre Buchstaben sich schlechter voneinander unterscheiden.

 

Antiqua-Fraktur-Streit-Polemik aus dem Lehrbuch. Wo genau ist denn die schwere Unterscheidbarkeit? Die Formen sind so schön klar und unterscheidbar, dass man sie nicht klar erkennen und unterscheiden kann? Der Kreis (das O) ist so schön rund, ich kann den Kreis nicht sehen. Das ist doch an den Haaren herbeigezogen. Und auch wenn ich da nur ein interessierter Laie bin: Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich solche Aussagen auch nur ansatzweise mit der wissenschaftlichen Forschung decken, die sich mit Erkennung von Formen oder von mir aus auch Gesichtern beschäftigen. 

Dass einfache Symbole (Zeichen, Buchstaben, Handgesten, Grimassen, Töne oder was auch immer), wenn sie durch sich selbst klar und unmissverständlich sind, schlechter verständlich wären, als wenn man sie noch in komplexe »Dekoration« verpackt, halten ich für ausgemachten Unsinn. Und das sage ich bewusst auch ganz abstrakt und unabhängig von irgendwelchen Schriftdiskussionen. Zumal jedes Deko-Element der Fraktur ja auch nie nur einen einem Buchstaben benutzt wird und diesen dann vielleicht tatsächlich unterscheidbarer machen würde. Die besonderen Stilelemente wiederholen sich ja durch die Schrift hinweg und steigern damit die Unterscheidbarkeit eben gerade nicht. Sie sind ein aufgesetzes Stilmittel, keine Lesehilfe. 

 

Das sind alles Strohhalme, an die sich die Frakturfreunde seit ewigen Zeiten klammern. Man stelle sich als Gedankenexperiment mal vor, man fände einen Schriftgestalter, der noch nie etwas von Fraktur gehört hätte und bäte ihn, die Antiqua für’s Deutsche leserlicher zu machen. Er hätte völlig freie Hand und könnte einfach aus seiner Leseerfahrung in Antiqua heraus Änderungen vornehmen, wo er Optimierungsbedarf sieht. Wer glaubt denn wirklich, er würde jetzt im Sinne einer besseren Leserlichkeit anfangen, Brechungen einzubauen, die Schrift schmaler zeichnen, die besonderen Formen von x, w, y, k, usw. neu erfinden, Elefantenrüssel, V und W schließen und so weiter und so fort. 

All diese Dinge lassen sich ausschließlich historisch erklären, nicht aber als ein optimierte Fassung des deutschen Alphabets. Daher sollte man auch aufhören, sie so zu verkaufen. 

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Joshua K.

Ich spreche nicht umsonst immer von Erkennbarkeit von Buchstabenskeletten. Das ist ja gerade der zentrale Punkt, der sich abseits der Gewöhnung und abseits von Einzelschriftentwürfen als wesentlichen Unterscheidungsmerkmal verschiedener Schriftgattungen objektiv im Sinne der Wahrnehmung und Symbolverarbeitung beschreiben lässt.

Wenn Du vom Buchstabenskelett sprichst, meinst Du anscheinend die Grundform, also die allgemeine Vorstellung von einem Buchstaben, die hinsichtlich der endgültigen Gestaltung in einer bestimmten Schriftart noch nicht festgelegt ist. Den Ausdruck Buchstabenskelett finde ich insofern ungünstig, weil ich darunter die Linien verstehe, entlang derer die einzelnen Buchstabenteile angeordnet sind — und dieses Skelett eines Buchstabens ist ja bereits in einer bestimmten Weise geformt und erlaubt deshalb unterschiedliche Ausgestaltungen nur in engen Grenzen.

 

Ich habe schon mehrmals darauf hingewiesen, daß die von Dir und anderen immer wieder angeprangerten angeblich allgemeinen, also alle Frakturschriften betreffenden, Unterscheidungsprobleme keinesfalls zwingend aus den Grundformen der Fraktur hervorgehen, sondern in der konkreten Gestaltung einzelner Schriften begründet sind. Es gibt eben, wie bei der Antiqua auch, besser und schlechter lesbare Frakturschriften. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war nun einmal angesagt, Schriften möglichst einheitlich wirken zu lassen, indem die Buchstaben aneinander angeglichen worden sind. Nicht anders als bei Frakturschriften aus dieser Zeit leidet darunter auch die Lesbarkeit damaliger Antiquaschriften (klassizistische Antiqua), u. a. durch geschlossene Punzen. Hier nur ein Beispiel von zwei Buchstaben, um zu zeigen, welche Rolle deren Gestaltung (im Unterschied zu ihrer Grundform) für die Verwechselbarkeit spielt (links die Mars-Fraktur, rechts die Euler-Fraktur mit besser unterschiedenen Buchstaben):

 

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Das ist ein zentraler Irrtum. Erkennbarkeit von Buchstaben - oder jeglichen Symbolen - liegt nicht im »Formenreichtum« (→ Komplexität), sondern in der klaren Erkennbarkeit und Unterscheidung. Denke einfach mal an die Piktogramme von Verkehrszeichen. Sind da jene am leichtesten lesbar, die mit möglichst vielen Details eine möglichst naturgetreue und möglichst komplexe Darstellung (mit ganz vielen Falten im Gesicht) abgeben?

Nicht ich bin hier im Irrtum, sondern Du. Die alten Argumente der Antiquajünger, die Du so unbedarft nachbetest, beruhen auf völlig falschen Vorstellungen.

 

Der Gedanke an einen Gegenstand ist nichts anderes als die gleichzeitige Aktivierung eines hochkomplexen, über verschiedene Bereiche unseres Gehirns verteilten Netzes aus Nervenzellen. Dieses Netz besteht wiederum aus einer Kombination kleinerer Netze, die für einzelne Eigenschaften/Bestandteile stehen, die in unserem Gehirn mit dem betreffenden Gegenstand verknüpft sind. Eingehende Signale können diese Netze aktivieren. Die Eingangssignale, die alle miteinander verrechnet werden, müssen dazu jedoch insgesamt stark genug sein. Wenn wir einen Gegenstand sehen, läuft nun vereinfacht ausgedrückt folgendes ab: die Wahrnehmung einzelner Merkmale dieses Gegenstandes führt zu Signalen, die miteinander verrechnet werden und insgesamt stark genug sein müssen, um einen bestimmten Schwellenwert zu erreichen. Ist der Schwellenwert erreicht, wird das betreffende Nervenzellnetz aktiviert — wir haben den wahrgenommenen Gegenstand somit erkannt. Je mehr Eingangssignale erzeugt werden, desto sicherer und schneller wird der Schwellenwert erreicht, d. h. desto sicherer und schneller wird ein Gegenstand erkannt. Selbst wenn eine Kombination wahrgenommener Eigenschaften bereits ausreicht, um etwas sicher zu erkennen, wird durch zusätzliche Eigenschaften die Erkennungsgeschwindigkeit erhöht. Das ist als Redundanzeffekt bekannt. Weiterführende Informationen findet man dazu unter den Stichworten „redundant stimuli/target effect“, „Signalintegration“ und „Koaktivierung“. Eine im Netz verfügbare Studie dazu gibt es hier:

 

Mordkoff, J. T., & Danek, R. H. (2011). Dividing attention between color and shape revisited: Redundant targets coactivate only when parts of the same perceptual object. Attention, Perception, & Psychophysics, 73, 103-112.

http://www.psychology.uiowa.edu/faculty/mordkoff/pdfs/Mordkoff%20&%20Danek%202011%20(AP&P%2073).pdf

 

Ein Beispiel zu den von Dir angesprochenen Verkehrszeichen:

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Sieht man nur die achteckige Form (1), denkt man in der Regel noch nicht an ein Stop-Schild. Kommt die Aufschrift dazu (2), reichen die wahrgenommenen Eigenschaften aus, um das Stop-Schild sicher zu erkennen. Kommt dazu noch die rote Farbe als weitere Eigenschaft (3), kommt es zum Redundanzeffekt: das Stop-Schild wird noch schneller erkannt.

 

Antiqua-Fraktur-Streit-Polemik aus dem Lehrbuch. Wo genau ist denn die schwere Unterscheidbarkeit? Die Formen sind so schön klar und unterscheidbar, dass man sie nicht klar erkennen und unterscheiden kann? Der Kreis (das O) ist so schön rund, ich kann den Kreis nicht sehen. Das ist doch an den Haaren herbeigezogen.

Welche Buchstaben sind wohl besser zu erkennen und zu unterscheiden: Die schlichten, klaren, einfachen (links, Praxis) oder die komplexen, formenreichen (rechts, Kleist-Fraktur)?

 

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Phoibos

Das E der Praxis und das F der Kleist. Warum? Weil sie der schnellgeschriebenen Handschrift gleichen, die am ehesten eine Konditionierung des Gehirns ermöglicht durch das Ansprechen verschiedener Sinne (und das seit Jahrtausenden im Gegensatz zu der sehr kurzen Episode der gebrochenen Schriften, sofern man sich nicht auf den deutschen Raum beschränkt). Wenn wir diesem Strange folgen, landen wir auch bald bei der Diskussion um Schulausgangsschriften...

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Das sind für mich stilistische Unterschiede. Wo ist da ein entscheidender Lesbarkeitsunterschied? Die rechte ist etwas fließtexttauglicher als die Linke (wie eine Bodoni und eine Garamond in der Antiqua), aber in beiden Varianten sind die Buchstaben deutlich ähnlicher als die respektiven Antiqua-Buchstaben. Weiß also nicht, was du damit zeigen möchtest. 

 

 Die alten Argumente der Antiquajünger, die Du so unbedarft nachbetest

 

Da musste ich jetzt beim Lesen lachen. Ich sagte vor eine Weile schon mal, dass das Gegenteil von Dogmen nicht andere Dogmen sind. Wer sind denn die »Antiqua-Jünger«? Wie heißt der entsprechende heute eingetragene Verein? Welche Texte geben die heraus? Wo findet man die?

Diesen Verein gibt es nicht und ich bete demzufolge auch die Argumente von niemanden nach. Es gibt für mich kein »Lager« zu verteidigen und demzufolge auch keine Argumente, die nachzubeten wären. Ich hab noch nie ein ausgewiesenes »Pro-Antiqua-Buch« gelesen (gibt es eins?), noch nicht einmal einen entsprechenden Aufsatz.

Ich mache nichts anderes, als mir Aussagen Eurer »Religion« anzuhören und in Frage zu stellen, was mir unrealistisch erscheint (mache ich bei Christen und Esoterikern auch). Aber ich vertrete keine Gegenreligion, denn die existiert (heute) überhaupt nicht. Wozu auch? Welche Ziele sollte die haben? Die Antiqua als Gebrauchsschrift zu etablieren? ;-)

Dieses Feinbild namens Antiqua-Jünger gibt es nicht, denn Euren Beschuldigten fehlt das Motiv. Eurer Feind ist die Realität. Nichts sonst. 

 

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Jetzt in dieser Größe ohne konkrete Anwendung für Lesetext, Beschilderung etc. würde ich mich ehrlich gesagt nicht festlegen wollen. Die hier benutzten Buchstaben habe allesamt eindeutige Skelette. Da gibt es formal nix zu meckern. Weder für eine noch für andere Seite. Was die jeweiligen Betrachten dazu sagen, dürfte von der Gewöhnung beeinflusst sein, aber formal sehe ich da keine Probleme.

 

Ich widerspreche dir aber, dass gebrochene Schriften hier irgendwelche positiven »Resonanzeffekte« ausspielen. Das ist nachträglich hineininterpretiert, genau wie die Aussage, die gebrochenen Schriften hätten sich irgendwie mit dem Deutschen und für das Deutsche entwickelt. 

Wie ja schon hier im Strang besprochen wurde: die gebrochenen Schriften entwickelten sind nicht in Deutschland und nicht für die deutsche Sprache und nicht für optimale Leserlichkeit. Nicht mal die ſ/s-Unterscheidung wurde für das Deutsche erfunden, sondern als damalige Schreibkonvention auf verschiedenste Sprachen gleichermaßen angewendet. 

Wenn du also oben schreibst, dass die gebrochenen Schriften sich ja über Jahrhunderte mit dem Deutschen entwickeln konnten und daher ein optimierter Werkzeugkasten sind, um das Deutsche darzustellen, dann stimmt das schon historisch nicht. 

Die gebrochenen Schriften haben sich nicht auf das Deutsche zubewegt, sondern eine Sprache nach der anderen ist einen Schritt zurückgetreten, bis nur noch das Deutsche übrig war. Dann fanden freilich die meisten Anwendungen und Schriftgestaltungen im deutschen Raum statt, aber zu dieser Zeit waren schon mehrere Jahrhunderte Entwicklung der gebrochenen vergangen und der Grundcharakter längst manifestiert. Ab dieser Zeit schufen übrigens deutsche Schriftgestalter auch gleichsam Antiqua-Schriften explizit für den deutschen Leser. Warum waren die dann nicht auf’s Deutsche optimiert? Seltsam!

 

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Aber du kannst mir das ja gern an dem von Dir eingestellten Beispiel erklären. Zeige mir, wo da der Unterschied a) den Buchstaben irgendwie geeigneter fürs Deutsche macht und b) wo der Formenreichtum den Buchstaben leserlich macht.

 

Warum ist der kleine Schnipsel am k oder die Schlaufe besser für’s Deutsche geeignet? Wo ist da ein Formenreichtum, der es dem Antiqua-k überlegen macht. Warum sind die Stämme von t und k bis auf die Deko oben fast deckungsgleich in den gebrochenen, aber dies soll dennoch besser unterscheidbar und damit lesbar sein, als das Antiqua-k und Antiqua-t, die doch komplett unterschiedlich daherkommen. 

Warum haben B und V in deinem Beispiel praktisch die gleiche Außenform und unterscheiden sich nur in dem Detail, ob und wie weit der Bogen den Binnenraum schneidet? Was nützt da der »Formenreichtum« bezüglich der Leserlichkeit, wenn beide Buchstaben den gleichen »Formenreichtum« haben und daher eben deutlich schlechter zu unterscheiden sind als die respektiven Antiqua-Buchstaben?

(Hier zeigt sich übrigens, dass deine Verkehrsschild-Studie eher gegen die gebrochenen Schrift spricht. Der Witz an der Überlagerung ist ja gerade, dass alle Einzelteile für sich genommen eindeutig sind (Schildform, Farbe, Schriftzug) und in der Summe dann noch schneller erkannt werden — weil sich sich gegenseitig unterstützen. Wenn aber unterschiedliche Schilder ähnliche Außenformen und ähnliche Farben haben, dann erzeugt die Überlagerung der Merkmale natürlich eher Verwirrung als Hilfe. Und genau das passiert bei den gebrochenen Buchstaben, wenn  z.B. B und V die gleiche Außenform und den gleichen Elefantenrüssel haben. Die Buchstaben werden eben gerade nicht einfach erkannt, sondern entweder aus dem Zusammenhang oder indem man sich auf den kleinen Unterschied konzentriert. Der vermeintliche »Formenreichtum« hilft überhaupt nicht, weil er nicht eindeutig ist. Für ſ/f haben wir das ja bereits geklärt. Für unzählige weitere Paare gilt das Gleiche. Und du scheinst das auch zu wissen, wie man an der Auswahl der Buchstaben für dieses Bild sieht. )

 

Und wo wäre eigentlich in dem obigen Beispiel Raum für Kritik an der Leserlichkeit von B/V/k/t in der Antiqua? Was stimmt da nicht? Warum sollte man diese Buchstaben nicht problemlos lesen können? Wo ist da nur ein kleines Detail, was unbedingt optimiert werden müsste, weil es das Lesen deutscher Texte auch nur ansatzweise behindert? Ich finde einfach nichts! Du?

 

Man kann dieses Spiel für alle Buchstaben machen. Und natürlich auch die globalen Charakterzüge auf die Probe stellen.

Das Argument der Weite taugt heute sowieso nicht mehr. Es gibt über 20.000 Antiqua-Schriftfamilien in allen möglichen Breiten.  Jeder Nutzer hat freie Auswahl. Wie kann man weiter das hundert Jahre alte Argument bringen, dass nur die gebrochenen Schriften die »richtige« Breite für deutsche Texte haben. Absolut realitätsfern!

Auch die Brechung ansich lässt sich weder als besser geeignet für das Deutsche, noch im Sinne einer Steigerung des »Formenreichtums« sehen, der die Leserlichkeit verbessern könnte. Denn die Brechung wird ja generell angewendet und kann somit nicht die Erkennbarkeit der Einzelzeichen verbessern — wohl aber andere Unterscheidungsmerkmale (wie Diagonalen/Rundungen) schwächen. Erklären kann man Brechungen, Weiten, Deko-Formenreichtum problemlos in der historischen, dekorativ motivierten Entwicklung während der Entstehungszeit dieser besonderen Schriftgattung. Warum wird diese naheliegende Erklärung ignoriert? Das sind doch für jeden nachprüfbare Dinge und keine Erfindung der fiktiven Antiqua-Jünger.

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Joshua K.

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Das sind für mich stilistische Unterschiede. Wo ist da ein entscheidender Lesbarkeitsunterschied? Die rechte ist etwas fließtexttauglicher als die Linke (wie eine Bodoni und eine Garamond in der Antiqua), aber in beiden Varianten sind die Buchstaben deutlich ähnlicher als die respektiven Antiqua-Buchstaben. Weiß also nicht, was du damit zeigen möchtest.

Das linke k hat nur einen recht mickrigen Fortsatz oben rechts, das rechte dagegen eine nicht zu übersehende Schlaufe: ein ziemlich deutlicher Unterschied in meinen Augen. Zu dieser gut sichtbaren Schlaufe kommt, daß die Oberlänge gegabelt ist. Weder solch eine Schlaufe, noch solch eine Gabelung können beim t vorkommen, womit sich die Buchstaben eindeutig unterscheiden. Mag sein, daß jemand, der die Fraktur nicht gewohnt ist, das nicht erkennt, weil er diese Merkmale nicht verinnerlicht hat. Der Unterschied zwischen B und V entspricht ziemlich genau dem Unterschied zwischen B und D in der Antiqua. Und was nützt eine bessere Unterscheidung des B vom V, wenn es sich dafür dem D annähert? Was ich damit zeigen möchte ist also: (1) Die schlechte Unterscheidbarkeit gewisser Buchstaben in bestimmten Frakturen geht nicht zwingend aus der Grundform der Buchstaben hervor, sondern ist zum größten Teil durch die Gestaltung (d. h. durch die von Dir genannten stilistischen Unterschiede) bedingt. (2) Selbst bei diesen immer wieder bemühten Einzelbeispielen läßt sich höchstens ein sehr geringfügiger Vorteil der Antiqua feststellen.

 

Da musste ich jetzt beim Lesen lachen. Ich sagte vor eine Weile schon mal, dass das Gegenteil von Dogmen nicht andere Dogmen sind. Wer sind denn die »Antiqua-Jünger«? Wie heißt der entsprechende heute eingetragene Verein? Welche Texte geben die heraus? Wo findet man die?

 

Diesen Verein gibt es nicht und ich bete demzufolge auch die Argumente von niemanden nach.

Ich wiederhole manche Argumente, die schon damals im Fraktur-Antiqua-Streit von Frakturanhängern genannt worden sind, wenn ich sie für richtig halte — und Du wiederholst Argumente, die damals von Antiquaanhängern genannt worden sind (die Antiqua sei einfacher aufgebaut, deshalb besser lesbar). Was spielt es dafür für eine Rolle, ob es heute noch entsprechende Vereine gibt?

 

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Jetzt in dieser Größe ohne konkrete Anwendung für Lesetext, Beschilderung etc. würde ich mich ehrlich gesagt nicht festlegen wollen. Die hier benutzten Buchstaben habe allesamt eindeutige Skelette. Da gibt es formal nix zu meckern. Weder für eine noch für andere Seite. Was die jeweiligen Betrachten dazu sagen, dürfte von der Gewöhnung beeinflusst sein, aber formal sehe ich da keine Probleme.

Wie ich in meinem vorherigen Beitrag erklärt habe: Selbst wenn durch bestimmte Eigenschaften bereits ein Gegenstand eindeutig zu erkennen ist, wird die Erkennungsgeschwindigkeit durch zusätzliche Merkmale gesteigert (Redundanzeffekt). E und F unterscheiden sich in der Antiqua lediglich durch den zusätzlichen Balken am E. Bei der Fraktur sind es mehr Eigenschaften: die Rundung links beim E, der um den Stamm geschwungene obere Balken beim F, die Unterlänge des F …

 

Wie ja schon hier im Strang besprochen wurde: die gebrochenen Schriften entwickelten sind nicht in Deutschland und nicht für die deutsche Sprache […]

Du kannst noch so oft auf der Geschichte herumreiten, die Antwort darauf ist weiterhin: All unsere heute benutzten Schriften sind aus älteren Schriften hervorgegangen, die wir von anderen Völkern übernommen haben. Es ist mir völlig schnuppe, ob bestimmte Eigenschaften sich aus einem ursprünglich dekorativen Charakter entwickelt haben, und wo etwas entstanden ist. Mir kommt’s darauf an, was dabei herausgekommen ist, warum auch immer. Ich beurteile das Ergebnis der Entwicklung!

 

Wenn du also oben schreibst, dass die gebrochenen Schriften sich ja über Jahrhunderte mit dem Deutschen entwickeln konnten und daher ein optimierter Werkzeugkasten sind, um das Deutsche darzustellen, dann stimmt das schon historisch nicht.

Ach ja? Du weißt schon, daß sich unsere heutige Schriftsprache zu einer Zeit entwickelte, als man für das Deutsche nur gebrochene Schriften benutzte? Unsere Schriftsprache hat sich deshalb sehr wohl zusammen mit der gebrochenen Schrift entwickelt. Und selbstverständlich haben sich Schrift und Schriftsprache dabei gegenseitig beeinflußt (siehe zum Beispiel das Eszett).

 

Die gebrochenen Schriften haben sich nicht auf das Deutsche zubewegt, sondern eine Sprache nach der anderen ist einen Schritt zurückgetreten, bis nur noch das Deutsche übrig war. Dann fanden freilich die meisten Anwendungen und Schriftgestaltungen im deutschen Raum statt, aber zu dieser Zeit waren schon mehrere Jahrhunderte Entwicklung der gebrochenen vergangen und der Grundcharakter längst manifestiert.

Die gebrochenen Schriften haben sich gerade mit der Entwicklung von Fraktur und Schwabacher erheblich verändert. Aber wie schon gesagt: ob diese Entwicklung der gebrochenen Schriften in der Vergangenheit nun eine Rolle spielt oder nicht — es kommt auf das Ergebnis der Entwicklung an.

 

(Beitrag aufgeteilt wegen Anzahl der Zitate)

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Joshua K.

Aber du kannst mir das ja gern an dem von Dir eingestellten Beispiel erklären. Zeige mir, wo da der Unterschied a) den Buchstaben irgendwie geeigneter fürs Deutsche macht und b) wo der Formenreichtum den Buchstaben leserlich macht.

a) Alle hier besprochenen Vorteile der Fraktur beziehen sich auf das Deutsche. Sie mögen zum Teil auch für andere Sprachen gelten, in denen ich mich aber zu wenig auskenne, um mir ein Urteil zu erlauben. Ein besonders für das Deutsche geltender Vorteil der Fraktur ist jedenfalls deren Schmalheit, da eine deutsche Sprechsilbe vergleichsweise viele Buchstaben enthält.

 

b) Zu E und F habe ich mich schon geäußert. Ich liefere aber gerne noch ein Beispiel:

 

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In der Antiqua unterscheiden sich b, d, p und q im wesentlichen nur dadurch, wie die Bestandteile Gerade und Kreis zusammengesetzt sind. Dank ihres Formenreichtums hat die Fraktur deutlich mehr Erkennungsmerkmale zu bieten: die gegabelte Oberlänge des b, die geschwungene Oberlänge des d, die Flamme des p, das Dach des q …

 

(Hier zeigt sich übrigens, dass deine Verkehrsschild-Studie eher gegen die gebrochenen Schrift spricht. Der Witz an der Überlagerung ist ja gerade, dass alle Einzelteile für sich genommen eindeutig sind (Schildform, Farbe, Schriftzug) und in der Summe dann noch schneller erkannt werden — weil sich sich gegenseitig unterstützen.

Dein Versuch, die für die Fraktur sprechenden Tatsachen ins Gegenteil umzukehren, ist lächerlich. Eindeutig müssen die jeweiligen Merkmale nicht sein, was ja auch aus dem von mir gezeigten Beispiel mit dem Stop-Schild hervorgeht: So ist die achteckige Form genausowenig wie die rote Farbe und das Wort „Stop“ eindeutig (da diese einzelnen Merkmale selbstverständlich außer bei einem Stop-Schild in unzähligen weiteren Fällen vorkommen), entsprechend reichen sie auch für sich alleine nicht aus, um an ein Stop-Schild zu denken.

 

Wenn aber unterschiedliche Schilder ähnliche Außenformen und ähnliche Farben haben, dann erzeugt die Überlagerung der Merkmale natürlich eher Verwirrung als Hilfe. Und genau das passiert bei den gebrochenen Buchstaben, wenn  z.B. B und V die gleiche Außenform und den gleichen Elefantenrüssel haben.

Sicher wiederholen sich die Bestandteile zwischen Buchstaben. Für die Antiqua gilt das aber in erheblich größerem Ausmaß, da sie im wesentlichen nur aus Geraden und Kreissegmenten aufgebaut ist! Der Fraktur stehen dagegen wesentlich mehr Formen zur Verfügung, sodaß sich die meisten Buchstaben in der Summe stärker voneinander unterscheiden. Der Elefantenrüssel beispielsweise ist in der Fraktur bei 11 Großbuchstaben üblich, sodaß er ein zusätzliches Merkmal darstellt, das diese Buchstaben von den restlichen unterscheidet.

 

Und wo wäre eigentlich in dem obigen Beispiel Raum für Kritik an der Leserlichkeit von B/V/k/t in der Antiqua? Was stimmt da nicht? Warum sollte man diese Buchstaben nicht problemlos lesen können? Wo ist da nur ein kleines Detail, was unbedingt optimiert werden müsste, weil es das Lesen deutscher Texte auch nur ansatzweise behindert? Ich finde einfach nichts! Du?

Habe ich gesagt, die Antiqua behindere das Lesen deutscher Texte? Was ich sage, ist, daß die Fraktur einfach noch besser geeignet ist! An einem grauen Stop-Schild gibt es ja auch nichts auszusetzen. Aber das farbige ist eben noch besser.

 

Das Argument der Weite taugt heute sowieso nicht mehr. Es gibt über 20.000 Antiqua-Schriftfamilien in allen möglichen Breiten. Jeder Nutzer hat freie Auswahl.

Es ist schön, daß es mittlerweile viele schmälere Lateinschriften gibt (und diese auch sehr beliebt sind). Die Antiqua hat sich damit etwas der Fraktur angenähert und ist so etwas besser für das Deutsche geeignet. Es ist doch bezeichnend, daß die Antiqua nur deshalb heute überhaupt als für das Deutsche geeignet betrachtet werden kann, weil sie immer wieder Eigenschaften der Fraktur übernommen hat.

 

Auch die Brechung ansich lässt sich weder als besser geeignet für das Deutsche, noch im Sinne einer Steigerung des »Formenreichtums« sehen, der die Leserlichkeit verbessern könnte. Denn die Brechung wird ja generell angewendet und kann somit nicht die Erkennbarkeit der Einzelzeichen verbessern — wohl aber andere Unterscheidungsmerkmale (wie Diagonalen/Rundungen) schwächen.

Das gilt für die Textura, jedoch nicht für die Fraktur. In der Fraktur wechseln sich Brechungen und Rundungen ab, sodaß sich für die einzelnen Buchstaben charakteristische Brechungsmuster ergeben, siehe beispielsweise a, e und o (Walbaum-Fraktur):

 

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Erklären kann man Brechungen, Weiten, Deko-Formenreichtum problemlos in der historischen, dekorativ motivierten Entwicklung während der Entstehungszeit dieser besonderen Schriftgattung. Warum wird diese naheliegende Erklärung ignoriert? Das sind doch für jeden nachprüfbare Dinge und keine Erfindung der fiktiven Antiqua-Jünger.

Wie schon mehrmals gesagt: entscheidend ist für mich das Ergebnis der Entwicklung, nicht warum sich etwas in einer bestimmten Weise entwickelt hat. Ich werfe ja auch nicht der Antiqua vor, daß ihre Kleinbuchstaben durch unsorgfältiges, schnelles Schreiben der Kapitalis-Buchstaben entstanden! Das war auch eine Entwicklung, für die Lesbarkeit keine große Rolle spielte, und dennoch ist das Ergebnis dieser Entwicklung lesefreundlicher als die früheren Buchstabenformen.

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 Selbst bei diesen immer wieder bemühten Einzelbeispielen läßt sich höchstens ein sehr geringfügiger Vorteil der Antiqua feststellen.

 

Danke, das reicht mir. 

Können wir dann also bitte damit aufhören zu behaupten, die gebrochenen Schriften hätten generell eine bessere Leserlichkeit?

Ja? Prima. Danke. Sag es bitte Deinen Frakturfreunde-Kollegen weiter. 

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Mir kommt’s darauf an, was dabei herausgekommen ist, warum auch immer. Ich beurteile das Ergebnis der Entwicklung!

 

Prima! Das Ergebnis der Entwicklung ist, dass die Gebrochenen von der Antiqua verdrängt wurden. Weltweit. Ende Gelände. Aus die Maus. Wäre wirklich prima, wenn man dieses Ergebnis mal akzeptiert und nicht weiter so diskutiert, als wären wir gerade in den 1930ern. 

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Phoibos

Und dieser pure Zufall soll Grund für diesen Streit sein? Wie würden die Positionen wohl aussehen, wenn die Schriftsprache zu Bauhauszeiten entstanden wäre? [irgendwie mag der Editor Opera nicht so recht, deswegen folgt das Zitat]

Du weißt schon, daß sich unsere heutige Schriftsprache zu einer Zeit entwickelte, als man für das Deutsche nur gebrochene Schriften benutzte? Unsere Schriftsprache hat sich deshalb sehr wohl zusammen mit der gebrochenen Schrift entwickelt. Und selbstverständlich haben sich Schrift und Schriftsprache dabei gegenseitig beeinflußt (siehe zum Beispiel das Eszett).

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