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Langes s in heutigen Texten in gebrochener Schrift – notwendig, möglich oder unsinnig?

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Þorsten

Ich versuche es mal radikal zu verkürzen, damit ich noch hinterher komme.¹

 

M: Die (große?) Mehrheit der heute gelesenen Fraktur-Texte folgt den in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts üblichen Konventionen.²

R: Die (große?) Mehrheit der heute produzierten Fraktur-Texte folgt modernen Konventionen.

 

Meine Zwischenfrage: Schließen sich diese beiden Thesen notwendigerweise aus?³

 

Ableitend aus diesen Thesen scheint M zu empfehlen, auch heute produzierte Fraktur-Texte nach den Konventionen zwischen 1901 und 1950 zu setzen⁴. R hinterfragt diese Empfehlung und verteidigt zumindest die Legitimität von Anwendungen wie auf dem Spiegel-Titel und bei Gasthaus-Schildern.

 

Soweit alle(s) richtig verstanden? :-?

 

__________________

1. Wenn ihr meint, missverstanden worden zu sein, korrigiert mich. Aber bitte so knapp wie möglich!

2. weil Frakturtexte heutzutage überwiegend in damals veröffentlichten Büchern gelesen werden, die heutige Leser in heimischen/elterlichen Bücherregalen, Antiquariaten und Bibliotheken finden

3. Darüber, ob sie richtig oder falsch sind, könnt ihr ja streiten. Ich habe meine Vermutungen, wüsste aber nicht, wie man das einfach und verlässlich testen könnte. Aber ist das überhaupt wichtig? Beides (Fraktur produzieren und Fraktur lesen) sind winzig kleine Nischen.

4. weil das der Erwartungshaltung der (großen?) Mehrheit der Frakturleser entspräche und daher am wenigsten stören würde

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catfonts

Und ich würde folgendes Vorgehen empfehlen:

 

Möchte ich eine klassische Frakturschrift, welche auch die für viele, die es nicht gewöhnt sind, Fraktur zu lesen, schwierigen Buchstaben A, H, K, S, Z, k  und x enthält, würde ich auch das ſ verwenden, besonders wenn das s dieses Schwänzchen aufweist. Trotzdem würde ich eben moderne Rechtschreibung anwenden, und für ss am Wortende dieses nicht durch ß sondern durch ſs ersetzen.

 

Richte ich mich jedoch an Leser, die keinerlei oder nur sehr wenig Fraktur-Erfahrung mitbringen (oder einem gemischten Kreis, bei dem diese die Mehrzahl darstellen), würde ich nicht einfach nur auf das ſ verzichten, sondern so eine "Stilmöbel-Fraktur" wie die 21er Version der Unifraktur Maguntis verwenden, bei der es an Stelle des ſ ein schwanzloses s gibt. (es gibt übrigens auch bei den älteren Frakturschriften durchaus verschiedene, die schon die entsprechenden Buchstabenvarianten enthalten.

 

Wobei ich allerdings sagen muss, das mir in vielen dieser Modern-Frakturen die ersetzten Buchstaben nicht wirklich überzeugen

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pürsti

Hab das Gefühl der Strang ist lamgsam einer für den Esoterikparagraphen. Wenn die Fraktion, die Sympathie empfindet für die „traditionelle“ Satzweise aber eben auch jene nicht als blöd oder ungebildet abstempeln mag, die zeitgemäßen Satz für bestimmte Anwendungen nicht asuschließen mag und für letzteres auch gute Gründe anführt, wenn die also durch permanente Fehlinterpratationen genötigt wird, wieder und wieder Unterstellungen, Mißinterpretationen und Verdrehungen zu berichtigen, dann sind wir ja eh weit weg von einer fachlichen Diskussion, dann ist das eher eine Frage der Toleranzfähigkeit. Ralf plädiert hier nicht für die Ausrottung des lang-s. Er mag aber eben auch nicht jene pauschal als blöd hingestellt wissen, die, weil fachfremd, solche Nischendetails einfach nicht parat haben (können). Wenn man sich dann selber als Elite präsentiert weil man in seinem ureigenstem Metier einen jetzt gar nicht mal so wahnsinnig weltbewegenden Wissensvorsprung gegenüber Menschen anderer Profession hat, dann ist das für mich endgültig keine fachliche sondern eben eine charakterliche Frage.

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Martin Z. Schröder

Ich antworte direkt auf Þorstens Fragen:

Zitat: »M: Die (große?) Mehrheit der heute gelesenen Fraktur-Texte folgt den in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts üblichen Konventionen.²«

 

Das ist inklusive Fußnote richtig.

 

Zur Zwischenfrage: Ich bestreite, daß es heute eine solche Übereinkunft gibt. Das druckfrische Büchlein »Wie ich Bücher gestalte« von Friedrich Forssman (Wallstein-Verlag) ist in alter Rechtschreibung gesetzt. Zeitungen und Verlage pflegen individuelle Hausrechtschreibungen oder überlassen die Rechtschreibungen ihren Autoren, die sich aus verschiedenen Rechtschreibregelwerken bedienen. Es gibt zur Zeit nicht eine Rechtschreibkonvention, sondern diverse.

Was den letzten Absatz (»Ableitend aus diesen Thesen (...)«) angeht, gibt auch er meine Position richtig wieder.

bearbeitet von Martin Z. Schröder
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Þorsten

Zur Zwischenfrage: Ich bestreite, daß es heute eine solche Übereinkunft gibt.

Mir ist nicht ganz klar, welche »Übereinkunft« du meinst. (Mir war nicht bewusst, dass ich eine solche in den Raum gestellt hätte. :-?)

 

Glaubst du, dass die Mehrheit heutzutage produzierter Fraktur-Anwendungen den Konventionen von 1925 (±¼ Jh.) folgt?

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Martin Z. Schröder

1. Das bezieht sich auf die These von R.

 

2. Das kann ich nicht wissen, Fraktur sieht man ja kaum. Wie sollte man das zählen?

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austerlitz

@Ralf: Erstens habe ich nie behauptet, du gehörtest zu den Fraktur-Gegnern. Zweitens gehöre ich nicht zu den Fraktur-Befürwortern, die nur die Verwendung der Fraktur als einer Schrift (script) mit ihren eigenen typografischen Regeln für richtig erachten.
 

Der Konflikt liegt darin, dass einige an einem bestimmten historischen Konventionsstand festhalten möchten, in der Realität aber etwas anderes passiert. Dann gegen mich zu argumentieren ist sinnlos, weil ich diese Realität nur beschreibe und nicht beeinflusse. Ich könnte es auch gar nicht. Selbst wenn ich alle Typografie.info-Mitglieder schwören ließe, fortan gebrochene Schrift nur noch mit langem s zu setzen – es würde nichts ändern. Das ſ verschwindet dennoch aus der deutschsprachigen Fraktur.

 
Das ist deine Interpretation. Ich teile sie nicht. Es dünkt mich nicht hilfreich, dass du deine Interpretation mit grosser Emphase immer wieder als einzige Wahrheit und Realität verkaufst («gegen mich zu argumentieren ist sinnlos» o.ä.).
 
Ich bin völlig mit dir einverstanden, dass Frakturen heutzutage wenn überhaupt, dann meist als blosse Schriftarten (fonts) verwendet werden. Ich beobachte allerdings, dass daneben auch die Fraktur als Schrift (script) mit ihren eigenen typografischen Regeln immer noch verwendet wird. Soweit sind wir uns völlig einig.
 
Nicht einig sind wir uns bei der Interpretation. Du interpretierst die gegenwärtige Situation so, dass die seltene Verwendung der Fraktur als Schrift (script) ein tendenziell im Rückgang befindliches Relikt sei, das früher oder später zu Gunsten der Verwendung von Frakturen als Schriftarten (fonts) verschwinden werde. Man sehe dies etwa am Einhergehen mit der alten Rechtschreibung, am vergleichsweise seltenen Gebrauch oder an parallelen Entwicklungen in anderen Schriftraditionen. Für mich geht dies nicht auf, denn es gibt auch moderne Verwendungen der Fraktur als Schrift (script) mit neuer Rechtschreibung – vgl. etwa den neuen Rechtschreibe-Duden oder Unifraktur, das einer der ganz wenigen Websites in Fraktur zu sein scheint.
 
Ich interpretiere die gegenwärtige Situation so, dass die seltene Verwendung der Fraktur als Schrift (script) auf Leute zurückgeht, die sich besonders mit der Fraktur auseinandergesetzt haben, sozusagen auf Fraktur-Nerds, während die Verwendung von Frakturen als Schriftarten (fonts) meistens nicht auf Fraktur-Nerds zurückgeht, sondern auf Leute, die bloss einen Effekt erzielen wollen – sei er nun altmödisch, nationalsozialistisch oder komisch. Die Gruppe der Fraktur-Nerds ist klein, aber ich glaube nicht, dass sie am Abnehmen ist. Es ist einfach eine Gruppe mit einem Spezialinteresse. Viele Fraktur-Nerds mögen konservativ sein, aber nicht alle.
 

Warum könnt ihr problemlos akzeptieren, dass ein englischer Text in gebrochener Schrift oder ein deutscher Antiqua-Text kein ſ benutzt (obwohl jeweils historisch üblich), nur bei der deutschsprachigen Fraktur dürfe sich dieser schon so oft geschehene Wandlungsprozess nicht wiederholen und die historische Konvention müsse vor aktuellen Konventionen stehen.

 
Diese Frage ist unfair und suggestiv. Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass Frakturen als Schriftarten (fonts) mit Antiqua-Typografie eingesetzt werden. Daneben gibt es aber auch Verwendung der Fraktur als Schrift (script) mit eigenen typografischen Regeln (nicht nur das lange ſ, sondern auch das Sperren und die speziellen Glyphen für ch, ck, ſt, ſz und tz). Die Fraktur als Schrift (script) existiert mit gleichem Recht wie die gälische Schrift (script). Die angebliche Unvereinbarkeit mit aktuellen Konventionen ist eine Frage der Interpretation. Im Gegensatz zu dir denke ich, dass sich die amtlichen Rechtschreibregeln weder für Antiqua-Typografie noch für Fraktur-Typografie aussprechen. Dabei weiss ich die Dudenredaktion auf meiner Seite, denn sie hält offenbar die Fraktur-Typografie durchaus für vereinbar mit der aktuellen Rechtschreibung. Du siehst es halt anders.
 
Letztlich sind Schrift (script) und Schriftart (font) völlig unabhängig voneinander: Der übliche Fall heutzutage sind Antiqua-Schriftarten (fonts) nach den typografischen Regeln der Antiqua als Schrift (script). Fraktur-Schriftarten (fonts) kann man ebenfalls nach den typografischen Regeln der Antiqua als Schrift (script) verwenden, oder aber nach den typografischen Regeln der Fraktur als Schrift (script). Und auch eine Verwendung von Antiqua-Schriftarten (fonts) nach den typografischen Regeln der Fraktur als Schrift (script) ist möglich – das deutsche ß geht auf ein solches Crossover zurück.
 

Der Einsatz des ſ in aktuellen Texten tendiert gen Null.

 
Das ist eine reine Mutmassung. Ich denke eher, es ist der Einsatz von Fraktur, der in aktuellen Texten gegen Null tendiert. Unter den sehr seltenen Texten mit Fraktur wird es eine signifikante Anzahl von Texten mit langem ſ geben. Auch das ist nur eine Mutmassung, aber ich mutmasse mit gleichem Recht wie du.
 

Ein langes s ist aber kein subtiles Signal und auch nicht vergleichbar mit typografischen Alternativzeichen oder optionalen Ligaturen. Das ſ ist ein eigenständiges Zeichen, dass man lernen und durch Lesen beträchtlicher Textmengen als (dann nicht mehr störenden) Teil der eigenen Lesekonvention verinnerlichen muss.

 
Auch das ist keine Wahrheit, sondern lediglich deine Interpretation. Es gibt auch andere Interpretationen, die hier schon zur Genüge genannt worden sind.

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Þorsten

Fraktur sieht man ja kaum.

Das ist zumindest für mich der springende Punkt.

Aktueller Fraktur-Konsum stellt so eine kleine Nische dar, die allermeisten Leser werden so wenig mit ihr konfrontiert, dass sie über Fraktur-Texte erst mal stolpern werden, und wenn es nur ein bisschen ist. Daher ist für mich schwer nachvollziehbar, inwieweit Fragen der besseren oder schlechteren Lesbarkeit hier relevant sein können. Wer Fraktur für aktuelle Texte¹ einsetzt, macht das nicht, um die Lesbarkeit zu erhöhen, sondern um eine besondere (i.a.R. historisierende) Wirkung zu erzielen. Der Leser soll erst mal ein bisschen stolpern. Ist es dann wirklich wichtig, ob er wegen des Vorhandenseins (oder Fehlens!) des ſ noch ein wenig mehr oder eher ein bisschen weniger stolpert?

 

Klar, bei Marken-Redesigns spielen auch marginale Wirkungen eine Rolle und so wird man sich mal gegen das ſ entscheiden, wenn die Traditionsbetonung nicht zu weit gehen soll – oder bewusst dafür, wenn das Gegenteil beabsichtigt ist.² Aber daraus kann man m.E. kaum allgemeine Aussagen zur (fehlenden) Berechtigung des ſ ableiten.

 

Für alle anderen Anwendungen ist es wahrscheinlich schlicht egal. Der Spiegel-Titel hätte mit einem dunklen Deutſchland doch genauso funktioniert. Wer kann schon sagen, welche Minderheit der Leser winziger wäre: die, die das  Rund-s falsch fände oder die, die über das ſ stolperte? Die allermeisten Leser würde so oder so darüber hinweg lesen.

 

Ich kann mich zu dem Thema auch deshalb schlecht echauffieren, weil ich mir kaum vorstellen kann, Fraktur selbst sinnvoll einzusetzen.³ Fraktur für politische Botschaften zu missbrauchen, widerstrebt mir. Aber ließe sie sich wirklich neutral einsetzen?⁴ Da bin ich einigermaßen ratlos. :-?

 

______________

1. Restaurierungen und Faksimile-Ausgaben sind eine andere Geschichte.

2. Oder die Entscheidung wird nach visuellen Kriterien getroffen.

3. Von den m.E. außer Konkurrenz laufenden Redesigns und Restaurierungen abgesehen.

4. Abgesehen von Schriftmustertexten zu Digitalisierungen von Frakturschriften, die ich natürlich unterstütze. :biglove:

 

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Martin Z. Schröder

Alle Typografiefragen sind Fragen einer kleinen Gruppe von Spezialisten. Das typografische Detail interessiert sehr wenige Leute. Sogar alle Kulturthemen sind Minderheitenthemen. Niemand wird gezwungen, sich damit zu befassen. Manchmal ist das bedauerlich.

 

Ich setze Fraktur gelegentlich ein, etwa für Hochzeitseinladungen, für Lyrik, für Visitenkarten. Sie wird als schöne Schrift angesehen, wenn sie ausgesucht wird, weniger als Transportmittel von etwelchen Ansichten. Bei mir ist sie ausschließlich nach alter Rechtschreibung und Frakturregeln zu haben, wie sie bis zur Rechtschreibreform allgemein galten. Im Fremdsprachensatz ist das für mich schwieriger, da muß ich mich von Fall zu Fall informieren und entscheiden.

 

Das lange s setze ich nicht wegen der Lesbarkeit ein, sondern weil es Schriftbestandteil ist. Ich mache mir doch nicht über jeden Buchstaben Gedanken, ob er durch Austausch des Zeichens besser lesbar wäre. Dann müßte ich zuerst das große A problematisieren und mir eine Alternative überlegen.

Visitenkarte: Zentenar-Fraktur mit magerer Futura

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Fontane: Unger-Fraktur

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CRudolph

LOL, in diesem Zusammenhang kann ich mir gerade dieses Zitat nicht verkneifen (Original-Quelle ist im Artikel angegeben):

 

»It [the long s] ›rarely appears in good quality London printing after 1800, though it lingers provincially until 1824, and is found in handwriting into the second half of the nineteenth century‹«

 

Hervorhebung von mir. Deliziös! :hammer::party::biglove:

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Þorsten

Verwendete Frau Barnhagen :party: diese Karten nicht nur als Partygag, sondern tatsächlich im Alltag – also um sich Fremden vorzustellen – bezweifle ich, dass sie lange zufrieden wäre.

 

Und natürlich ist es legitim (und kann, wie hier, wunderschön sein), Fontane in Fraktur zu setzen. Aber mal zum Verständnis: würdest du, gäbe es hier Konflikte zwischen den Konventionen zu Fontanes Lebzeiten und denen des 20. Jahrhunderts, letzteren folgen? Denn schließlich sind es doch die, die heutige Frakturleser angeblich erwarten?

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Martin Z. Schröder

Die Karte »Varnhagen« habe ich genau deshalb gezeigt. Das lange s ist weniger schwierig als eine ganze Reihe anderer Buchstaben, die im Kontext weniger leicht auflösbar sind als das lange s. Die Leseschwierigkeit des langen s ist nicht praxisrelevant, ein Scheinargument.

Wie könnte ich dieser hypothetischen Frage folgen? Sie kann deinem Verständnis nicht helfen, denn diesen Konflikt kann es nicht geben. Wenn es ihn gäbe, etwas bei der Diskussion einer Fontane-Edition, wäre er anders geartet.

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catfonts

Ein kleiner Rückblick: Ich hatte vor einiher Zeit Fluſsſchiffahrt geschrieben, und bin berichtigt worden, dass ich doch dann bitte Fluſsſchifffahrt schreiben solle.
 
Der akltuellen reformierten Rechtschreibunf folgend, ist das richtig. Allerdings wurde ich hier ja auch aufgeklärt, dass die Verwendung des ſ der aktuellen Rechtschreibung widersprechen würde, obwohl die ſ/s-Regeln ja noch immer im Duden stehen, und in keinem halbwegs offiziellen Rechtschreib-Regelwerk ein Verbot der Nutzung dieser stellungsabhängigen allografischen Gestaltungsfürm des Graphems "s" zu finden ist.
 
Wenn man also sagt, ich würde mich mit dem ſ auch einer veralteten Orthografie bedienen, wie beispielsweise der 1895 erstals wirklich offiziellen preußischen Rechtschreibung, dann ist Fluſsſchiffahrt (bevor das ß überhaupt entgültig eingeführt wurde) tatsächlich sogar richtig:
 
 

 

Zusammentreffen dreier gleicher Konsonanten

Nach der preußischen Regel schreibt man:

    dennoch, Dritteil, Mittag, Brennessel, Schiffahrt

In allen übrigen Wörtern, in welchen durch Zusammensetzung drei gleiche Konsonanten zusammentreffen, behaupten alle drei ihren Platz.

    Beispiel: Betttuch, Schwimmmeister
 

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Rechtschreibung_im_späten_19._Jahrhundert

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Pachulke

Du machst Dir viel zu viele Gedanken. Du betreibst keine Schule. Du bist keine Behörde. Also ist die Reformschreibung für Dich schlicht irrelevant. Schreib einfach, wie Du es in der Schule gelernt hast.

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Kathrinvdm

Das ist doch mal ein pragmatischer Ansatz!  ;-)

 

Aber mal im Ernst: Manchmal könnte man hier im Forum schon die Lust am Schreiben oder Gestalten verlieren, wenn man sieht, wie knalleng Richtlinien gezurrt und ausgelegt werden. Wie Gulliver kann man sich da vorkommen – völlig bewegungsunfähig gemacht durch ein Gespinst von Vorschriften, Regeln und Animositäten, das einen fixiert und die Luft zum Atmen und Gestalten abschnürt. So manchen Anfängern in Sachen Gestaltung oder den interessierten Laien, die sich doch sehr erfreulicherweise in unser Forum trauen, schwinden vermutlich Sinne und Mut, wenn sie hier einige Threads mitlesen. 

 

Wir alle sind doch getragen vom Wunsch, die Welt schöner, verständlicher und besser zu gestalten durch unsere Tätigkeit. Aber wie bei den Wegen nach Rom gibt es auch hier viele Optionen, die zum Ziel führen. Es ist selbstverständlich gut, die alten Regeln zu kennen – aber wir müssen uns doch auch weiterentwickeln! Und neue Anforderungen erfordern eben manchmal neue Wege und Lösungen. Die finden wir ganz bestimmt nicht, wenn wir alle mit Scheuklappen und wie paralysiert auf das alte Regelwerk starren. Ich würde mir mehr Gelassenheit und Toleranz wünschen im Umgang mit neuen Konventionen, die sich entwickeln. So weit sich das bis jetzt abschätzen lässt, hat jedenfalls noch keine gestalterische Neuerung den Untergang des Abendlandes verursacht – manche Neuerfindung hat es aber positiv vorangebracht.  

 

So, Verzeihung, das musste gerade mal raus. Jetzt könnt Ihr weitermachen!  :-D

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Thomas Kunz

Ich würde gerne wissen, ob sich jemand hinsichtlich der Typographie kritisch zu Wort gemeldet hätte, wenn der Spiegel-Titel

 

Helles Deutschdorf | Dunkles Deutſchdorf

 

gelautet hätte. Wahrscheinlich hätte niemand etwas einzuwenden gehabt. Oder hätte wirklich jemand darüber gespöttelt, dass der Spiegel nach dem o in dorf kein Rund-r gesetzt hat? Das war früher™ auch mal üblich.

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Du machst Dir viel zu viele Gedanken. Du betreibst keine Schule. Du bist keine Behörde. Also ist die Reformschreibung für Dich schlicht irrelevant. 

 

Ein Traum! Ein Lehrbuchbeispiel für eben jene Denke, dich in anprangere und die sich hier wie ein roter Faden durch die Diskussion zieht. Du merkst wirklich nicht, wie absurd diese Aussage gerade eben im Zuge dieser Diskussion ist, oder? (Die Gefällt-mir-Drücker dürfen sich auch angesprochen fühlen.)

 

Eine Gruppe von Leute pocht hier in der Diskussion auf alten, außer Gebrauch geratenen oder geratenden Konventionen. Warum? Weil sie eben mal so üblich und festgeschrieben waren. Aber konfrontiert mit dem, was heute so üblich und festgeschrieben ist, behauptet man im nächsten Atemzug genau das Gegenteil, also dass das doch schlicht »irrelevant« wäre. Wow! Nicht mal irgendwie eingeschränkt wie »kritisch zu betrachten« oder »in der Entwicklung abzuwarten«, nein »irrelevant«. Der komplette Nutzen von Konventionen und Regelwerken wird damit von eben jenen mit einem Schlag hinweggefegt, die mehr als alle anderen gerade eben auf solche Regel pochen – aber zufälligerweise immer nur jenen Regeln, die der eigenen Konditionierung entsprechen. So ein Zufall aber auch! 

 

Damit man mich nicht falsch versteht: ich kann mich von dieser Denke auch nicht gänzlich freisprechen – sie ist allzu menschlich. Und bevor jemand ein Reductio ad absurdum versucht: ich behaupte auch nicht, dass man jeden Konventionswandel aus Prinzip mitmachen sollte. Aber es sollte doch zumindest möglich sein zu erkennen, wann diese Denke wieder einmal mehr oder weniger beteiligt ist – insbesondere wenn man noch mit der Nase darauf gestoßen wird. Würde man das öfter mal erkennen, könnten wir uns viele Diskussion um vermeintlich richtige Frakturkonventionen, Rechtschreibregeln, Wortbedeutungen oder gar vermeintlich richtigen Eszett-Formen (wie im Strang nebenan) sparen und vor allem müssten wir dann nicht mehr wie hier im Strang diese zähen Detailschlachten um vorgeschobenen Rationalisierungsversuche führen. 

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Wrzlprmft

gäbe es hier Konflikte zwischen den Konventionen zu Fontanes Lebzeiten und denen des 20. Jahrhunderts

Da muss man gar nicht hypothetisch werden; da gab es tatsächlich Konflikte. Zu Fontanes Lebzeiten schrieb man eher Jgel, Aepfel, Oel, Uebel, ꝛc., gegen Ende der Frakturzeit eher Igel, Äpfel, Öl, Übel, etc.

 

Ich hatte vor einiher Zeit Fluſsſchiffahrt geschrieben, und bin berichtigt worden, dass ich doch dann bitte Fluſsſchifffahrt schreiben solle.

 

Der akltuellen reformierten Rechtschreibunf folgend, ist das richtig. Allerdings wurde ich hier ja auch aufgeklärt, dass die Verwendung des ſ der aktuellen Rechtschreibung widersprechen würde, obwohl die ſ/s-Regeln ja noch immer im Duden stehen, und in keinem halbwegs offiziellen Rechtschreib-Regelwerk ein Verbot der Nutzung dieser stellungsabhängigen allografischen Gestaltungsfürm des Graphems "s" zu finden ist.

Der Zusammenhang ist nicht richtig dargestellt. Du hattest behauptet:

 

Ich kann also durchaus "daſs" und "Fluſsſchiffahrt" schreiben, ohne dadurch gegen aktuelle amtliche orthografische Regeln zu verstoßen.

Woraufhin ich schrieb:

 

Wenn überhaupt, dann Fluſsſchifffahrt.

Oder mit anderen Worten: Über das ſs kann man eventuell noch streiten, über das fff nicht (unter den getroffenen Annahmen).

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catfonts

Sagte ja, dass das fff unter der gemachten Aussage "neue Rechtschreibung" schon unstrittig ist und hier zurecht angemahnt wurde, sondern wollte nur darauf hinweisen, das ich das dritte f in der Schifffahrt wohl übersehen hatte, weil gerade hier die alte Regel keine 3 gleichen Konsonant-Schriftzeichen hintereinander) zu tief ins Hirn gebrannt war, Das Fluſs aber eben ohne Fortfall eines ſ per preußischer Rechtschreibung mit 3 s (auf die ich mich wegen rund und lang ja mehr konzentriert hatte, und es so hier eben auch keine 3 identischen Glyphen mehr sind) schon einmal bleiben durfte

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catfonts

ok, aber auch die Sauerstoffflasche, fetttriefende Auspuffflamme, Baletttruppe und immer folgt auf die 3 noch ein weiterer Konsonant. (R104 in Duden 1980)

 

Träfe das auch auf Vollllanero zu?

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Pachulke

Ein Lehrbuchbeispiel für eben jene Denke, dich in anprangere …

 

Prangere nur an, aber das ist nun halt die Rechtslage: Wenn Du weder verbeamtet noch im Öffentlichen Diest tätig bist, ist die Reforrmschreibung ein unverbindliches Gimmick, das Du getrost ignorieren darfst, und ich erinnere noch einmal daran, daß die Reform nur mit dieser (de facto natürlich völlig absurden) Begründung, daß das Volk damit nicht behelligt würde, das BVerfG passieren konnte. Für sinnvoll halte ich das auch nicht, weil man dadurch eine Volks- und eine konkurrierende Staatsschreibung hat, aber so ist es nun einmal formaljuristisch.

 

 

Du merkst wirklich nicht, wie absurd diese Aussage gerade eben im Zuge dieser Diskussion ist, oder?

 

Nein. Ich habe mich aus dieser Diskussion bisher weitgehend herausgehalten und sie nur noch überflogen. Aber als Catfonts sich mit den schweren Sauerstoffffffffllllllllaschen abgeplagt hat, wollte ich halt kurz mal zugreifen und helfen.

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catfonts

Na gut, langsam blicke ich nicht mehr so richtig durch, also stelle ich mal ein paar Fragen:

 

1. Stimmt es, das die Regeln für den Fraktursatz, welche auch die Anwendung des ſ regeln auch noch in der aktuellen Ausgabe des Duden enthalten sind?

 

2. Gibt es irgend ein halbwegs offiziellenb Regelbuch, das diese Regeln eindeutig außer kraft setzt, also eindeutig klärt, das die Verwendung des ſ auch im Fraktursatz nicht mehr obligatorisch ist?

 

3. Wenn es nur aus der Beobachtung, dass viele neue Frakturanwendungen auf das ſ verzichten, daraus die Regel abgeleitet wird, das dies allein duch die häufige Praxis jetzt (und vielleicht im Gegensatz zu im Duden stehenden Regeln) jetzt auch richtig ist, warum ist ein anderer Verstoß gegen Duden-Regeln dann nicht ebenso richtig werdender Schreibgebrauch, wenn dies in hinrechtend großer Zahl heute zur gängigen Praxis wird, wie z.B. Konstruktionen mit Apostroph, wie Heidi's Imbiss, oder das Auflösen von Komposita in Einzelworte ohne Bindestrich-Duchkopplung, wie, um erstes wieder mit auf zu nehmen "Heidi's Nagel Design Studio". Schließlich sind diese Regelbrüche, wenn sie es überhaupt noch sind, welche sich zur aktuellen Schreibpraxis entwickeln und sowohl von Laien, als auch von ausgebildeten Mediengestaltern gemacht werden deutlich öfter zu sehen, als überhaupt eine Fraktur-Anwendung, incl. derer, die Fraktur in klassischer Art mit ſ schreiben?

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Þorsten

Wenn Du weder verbeamtet noch im Öffentlichen Diest tätig bist, ist die Reforrmschreibung ein unverbindliches Gimmick, das Du getrost ignorieren darfst

Was ist das denn für ein absurder Strohmann? Wer hat hier etwas anderes behauptet? Und wie sollten Rechtschreibregeln, die man nicht »ignorieren darf«, eigentlich konkret funktionieren? Ein Heer von, :-?, Orthotessen überprüft alles Geschriebene und verteilt Knöllchen für Verstöße? Vielleicht 5 Cent pro »daß«?

 

Für sinnvoll halte ich das auch nicht, weil man dadurch eine Volks- und eine konkurrierende Staatsschreibung hat

  1. Esoterik! Der böse, böse, willkürliche Staat mal wieder, der sich mit dem Volk (und seinem per se gesunden Empfinden) anlegt. Ist es wirklich so schwer zu verstehen, dass du in einem demokratisch verfassten Staat für diesen genauso viel Verantwortung trägst wie Ralf? Oder ich? Oder jeder andere?
  2. Es gibt also eine Volksschreibung? :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:
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