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Schriftmuster Tannenberg

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Zitat

Ich glaube nach wie vor, daß die Form und der dieser Form zugedachte Inhalt im Einklang stehen und die SSG die ureigenen Schriften des Nationalsozialismus waren und sind.

 

Berthold Wolpe, Sohn Jüdischer Eltern und Schüler von Rudolf Koch. darf man wikipedia glauben, so musste er 1935 deutschland verlassen und emigrierte nach london. er erschuff die SSG 'Bismarck Schrift' — 1936. diese brachte Monotype 1937 unter dem namen 'Sachsenwald'  auf den Markt.

 

https://bigjumppress.wordpress.com/2014/04/17/adventures-in-the-monotype-archive-the-sad-story-of-sachsenwald/

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Gotenburg, entworfen von Friedrich Heinrichsen war ebenfalls Schüler von Koch. Schaut man sich Schriften von Koch (Wallau, Maximillian) an so haben diese teilweise auch schon erste eindrücke von SSG.

Thannhäuser der die SSG Werbedeutsch und Großdeutsch entwarf würde ich rückblickend auch nicht als unbedeutenden Typedesigner bezeichnen, aber das hatten wir schonmal.

 

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Die »Sachsenwald«-Geschichte ist interessant, danke dafür! Wenn ich das richtig lese, wollte sie in England niemand haben?

 

Der Rang der Schriftentwerfer ist sicherlich ein Nebenaspekt. Aber wie erklärst du dir, daß die erstrangigen Entwerfer keine solche Schrift sondern andere gemacht haben? Thannhaeuser ist sicherlich keiner aus den hinteren Reihen. Gibt es von ihm eigentlich eine ausführliche Biografie? So in beiden Regimes obenauf zu sein, war keine Ausnahme, aber genauer wüßte man es doch schon gern, um sich eine Meinung über ihn zu bilden. Seine Erler-Versalien und natürlich seine Garamond verwende ich häufiger im Bleisatz, auch die Gravira.

vor 27 Minuten schrieb RobertMichael:

ich verbinde ja auch die SSG mit dem nationalsozialismus, jedoch empfinde ich sie deshalb nicht als entwürfe 'aus der dritten Reihe'

Nein, nicht »deshalb«. Und meinst du, man kann die SSG unbefangen verwenden oder hindert dich diese Verbindung daran? Ich finde sie zudem häßlich, die einen mehr, die anderen weniger.

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ich finde, wenn ich jetzt mal wirklich den Inhalt der Form weglasse, die einzige Parallele zum konstruktivistischen Stil besitzen die Schaftstiefel in den Geraden und Parallelen.

Die Winkel sind alles andere als konstruktivistisch, genauso fehlen Ansätze von sämtlichen anderen geometrischen Figuren (z.B. Kreis).

 

Im Grunde wäre das jetzt auch, überspitzt gesagt, einfach zu beahupten, dass die Tannenberg eine Steinerschrift sei, weil die Winkel nie rechtwinklig sind.

 

Vom monumentalen Ausdruck her bilden Schaftstiefel und Speers Architektur in meinen Augen eine bessere Einheit.

 

Es mag evtl. einen »konstruktivistischen« Einfluss bei den SSG gegeben haben, betrachte ich aber parallel die damals propagierte Kunst, Architektur und Bildersprache, so kann ich dort leider diesen Einfluss, nichtmal im Ansatz erkennen.

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zur sachsenwald: ich les das so raus, das die foundry der schrift in england aufgrund der politischen lage und dem aussehen der schrift keine chance auf dem englischen markt gegeben hat und man sich darum auf den deutschen markt eingeschossen hat.

 

viel ist ja von den SSG-designer nicht bekannt, ich könnte mir vorstellen das die politische lage nach 1936 vieles dazu beigetragen hat, das sie keine weiteren schriften mehr entworfen haben. vielleicht auch deshalb weil man deren SSG-schriften nach dem krieg mit dem nationalsozialismus in verbindung gebracht hat und somit von ihnen nichts mehr sehen wollte?

 

natürlich hindert mich die verbindung zum nationalsozialsmus die schriften heute unbefangen zu verwenden und ich erwische mich auch dabei diese schriften nur auf basis von provokation zu verwenden. geht anderen ja auch so, siehe arbeiten für rammstein, laibach, rummelsnuff, marilyn manson usw. gerne würde ich sie ungelöst verwenden, als hässlich empfinde ich sie keineswegs.

 

 

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vor 16 Minuten schrieb Martin Z. Schröder:

Aber wie erklärst du dir, daß die erstrangigen Entwerfer keine solche Schrift sondern andere gemacht haben?

achso, jetzt habe ich deine frage falsch beantwortet.

warum das so ist — keine ahnung.

vielleicht war es nicht deren stil? ähnlich wie ein spiekermann keine typische skriptfonts machen würde, welche man heute überall sieht? vielleich woltten sie bei den wurzeln bleiben und konnten mit den 'modernen' frakturen nichts anfangen? ich weiss es nicht.

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vor 10 Minuten schrieb CLMNZ:

Vom monumentalen Ausdruck her bilden Schaftstiefel und Speers Architektur in meinen Augen eine bessere Einheit.

Speer (und Breker, weil du ja auch die bildende Kunst ansprichst) haben einem ins Gigantische verzerrten Antikenkitsch gehuldigt, mit allem, was man an Pseudo-Historismus und falsch verstandenem Naturalismus so finden kann. Das ist in Zitat und Proportion totalitäre Kunst, man kennt das auch vom sozialistischen Realismus und stalinistischen Zucklerbäckerbauten. Wo siehst du da einen Formzusammenhang zu den reduzierten Frakturelementen der SSG? Ich finde weder das eine noch das andere besonders schön, aber ähnlich sind sich beide trotzdem nicht.

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ja, aber Vereinfachung der Ursprungsform ist auch nicht unbedingt Bauhaus.

 

Aber ich denke wir verstehen uns schon und den Gedanken der Vereinfachung im Hinblick auf den Zeitgeist finde ich ja auch nicht verkehrt. Ich wollte das einfach nur noch einmal etwas reflektieren.

 

@Norbert: ich denke da eher an die Kolossalität und ich habe auch nicht geschrieben eine »gute«, sondern nur eine bessere Einheit als SSG und Bauhaus

 

ich denke wenn man mit den SSG heutzutage arbeiten möchte müsste man viele Register ziehen um sie auch nur annähernd aus dem Kontext zu ziehen. Ich denke da an die Wahl des Mediums, die Farbwahl, evtl. wird die Schrift beschnitten, mit Bildmaterial in neuen Kontext gesetzt usw. – das Risiko bleibt aber in meinen Augen, dass eine ungewollte Assoziation bestehen bleibt.

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So kahl war das Bauzeugs gar nicht, das strotzte oft nur so vor Kitsch. Konnte man aber oft gar nicht erkennen, weil die Proportionen so überdimensioniert sind. Das Frösteln, das wir heute bei der Betrachtung haben, ist ein Rezeptionsfrösteln - man sieht nur, was man weiß ...

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Kitsch sind nicht nur Hummelfiguren. Aber vielleicht haben wir da ja unterschiedliche Definitionen. Für mich ist Kitsch die auf reinen Effekt ausgerichtete, aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgebrochene und "leer" wiederholte Form. Um es mal verkürzt zu sagen. Postmoderne z.B. kann ganz schnell kitschig sein.

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vor 13 Minuten schrieb Norbert P:

weil die Proportionen so überdimensioniert sind

genau, die größe der bauten lässt sie für mich kahl und kühl wirken. dazu noch die strenge und heroischen skulpturen von breker — irgendwo spiegelt sich da auch eine SSG wieder, ich seh das ähnlich. man könnte jetzt auch riefenstahl rufen, die in ihren propaganda filmen gerne mal auf marschierende stiefel und die SS-massen hält, dass wirkt ebenfalls kühl, streng und kalt. ich glaube sie hat das eher aufgrund der ästetik  getan bzw. weil sie versuchte neue arten der kameraperspektive zu finden aber das ist ein anderes thema.

 

vor 9 Minuten schrieb Norbert P:

Für mich ist Kitsch die auf reinen Effekt ausgerichtete

 

für mich ist kitsch überladenes beiwerk, welches größtenteils der zierde dient und keinen weiteren aufgaben erfüllt.

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Diese entpersonalisierten Massen, die sich nur noch durch "Strukturen" darstellen: Fackeln, Lanzen, Stiefel ... darin erkenne ich auch die SSG-Form. Aber dieses ganze Monumentalgeprotze ... das ist nach meinem Gefühl doch eher Antiqua, solch ein Flächenmaß traue ich Gebrochenen intuitiv nicht zu, ich seh die dann vorm geistigen Auge immer von der Wand fallen, weil zu schwer. Aber das ist individuelles emotionales Assoziieren.

 

Ob du's glaubst, oder nicht: Auch eine nüchterne, den Bauhausstil irgendwie imitierende Architektur kann ich als kitschig empfinden, solange sie nur "falsch" genug ist.

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Kitsch* ist überall zu Hause, und zwar immer da, wo er dem Betrachter einfache Lösungen vormacht. Dabei verwendet er oft Elemente vorangegangener Kunst (-werke), die zwar in der Rückschau eine bestimmte Wertigkeit haben, aber ursprünglich nie allein dafür standen. Denn Kunst ist stets der Komplexität ihrer umgebenden Zeit verhaftet, sie ist reflektierend und damit interpretierbar. Kitsch nicht. 

 

*) so wie ich ihn verstehe.

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So wie sich keine allgemeingültige Definition für Kunst und Kitsch finden läßt, scheint auch jeder für sich zu entscheiden, welche Schriften zu den SSG zählen.

 

Man liest hier, die SSG seien von Schriftentwerfern der zweiten oder dritten Reihe entworfen worden.

 

Was ist mit der Wallau? (1924–1930) von Rudolf Koch entworfen.

 

Diese Schrift zählt laut Wikipedia zu den SSG.

 

Die Wallau wurde ja auch von den Nazis verwendet.

 

Sicher auch bei Wikipedia eine subjektive Sichtweise.

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Es ist vielleicht nicht völlig subjektiv, aber natürlich eine Definitionsfrage und die daraus entstehende Einteilung nicht randscharf. Aber das ist ja nichts neues. Wir sehen auch bei »humanistische« und »geometrische« Antiqua einen ganz bestimmten Stil vor dem geistigen Auge und könnten typische Vertreter benennen – aber kann man diese Stile wirklich ganz genau definieren und alle betroffenen Schriften eindeutig in eines der beiden Lager stecken? Eher nicht. Die Übergänge sind – verteilt über verschiedenste Parameter – fließend und in Details womöglich gar widersprüchlich. 

Und so ist es mit SSG und herkömmlichen gebrochenen Schriften auch. Man kann den SSG bestimmte typische Eigenschaften zuschreiben und je mehr davon bei einer Schrift in den Vordergrund treten, umso eindeutig passt die Schrift in diese Kategorie. Aber nirgends findet sich eine wirklich eindeutige Grenze und die Gruppe kann so mal 5, mal 30 Schriften umfassen. Und genau aus dieser Perspektive heraus finde ich es ja auch seltsam, dass dieser Kategorie dann generelle Makel anhaften sollen. Allein formalgestalterisch  lässt sich das schwer begründen, wie wir gesehen haben. 

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Hallo,

 

Am 13.5.2016 um 11:49 schrieb RobertMichael:

als 'urdeutsche schrift' mit einer gewissen deutschtümelei wurden die gebrochenen in den 30er jahren und auch davor oft beworben.

Das ist doch nur Marketing. Ich muss bei so was immer an einen Kunstprofessor denken. Der beschwerte sich immer über eine Demoschallplatte von Kurzweil über das Synclavier. Kurzweil kündigte diese unter dem Stichwort elektronische Musik an. Das wäre keine elektronische Musik und so ... Hmmm ... mein erster Gedanke war damals auch: „Eine Schaufensterauslage ist ja auch keine Bildhauerei!“ Nun ja ...

 

MfG

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vor 4 Stunden schrieb Uwe Borchert:
  Am 13.5.2016 um 11:49 schrieb RobertMichael:

als 'urdeutsche schrift' mit einer gewissen deutschtümelei wurden die gebrochenen in den 30er jahren und auch davor oft beworben.

Das ist doch nur Marketing.

 

vor 22 Stunden schrieb Martin Z. Schröder:

Daß die gebrochenen Schriften in der Werbung immer einen Bezug zur deutschen Geschichte herstellen, liegt in ihrer Natur.

 

:oops:

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Was die Abgrenzung der SSG angeht, sehe ich es so wie Ralf. Ein bekanntes Beispiel für die Schwierigkeit der Klassifikation ist die Caslon, die Merkmale von Übergangsantiqua und später Renaissance-Antiqua vereint.

Hilfreich wären Äußerungen der Schriftgestalter der SSG, die den Anspruch ihrer Schriften erklären, aber so etwas haben wir leider nicht.

 

Zur Bauhaus-Typografie finde ich zufällig in Kaprs »Schriftkunst«: »Die Schriftformen des Bauhauses gingen von den technischen Beschränktheiten der Maschinen aus. Sie wandten sich bewußt gegen nationale Form und Variation der Schrift und führten durch Übertragung der Fließbandmethode und der Rationalisierung auf die Kunst die Typografie in eine Sackgasse. Doch glücklicherweise distanzierten sich die Buchkünstler bald von dieser Richtung, und die schöpferische Schriftentwicklung nahm wenig Notiz von den Theorien des Bauhauses, die eher in der Akzidenz-Typografie Eingang fanden.« (1959, S. 78)

 

Nach der Würdigung der Zentenar-Fraktur (»überraschend einfallsreich und voller Lebendigkeit«, »mit die geistvollste aller neueren Frakturschriften«) schreibt Kapr: »In den Jahren des Faschismus blieb leider auch die Schrift nicht von verderblichen Einflüssen verschont. In der Zeit ihrer Agitation um die kleinbürgerlichen Wählerstimmen machten sich die Faschisten zu Fürsprechern der Fraktur und Gotisch, die sie als »arteigene deutsche« Schriften bezeichneten, während die Antiqua als glatt und fremdländisch abgetan wurde. Viele deutsche Schriftkünstler wurden nach der Machtergreifung gemaßregelt oder nicht mehr beachtet. Lediglich die Fraktur- und die gotischen Schriften von Rudolf Koch erlangten Beliebtheit. Daneben aber züchtete man eine neue Form der Gotisch, bei der mit militaristischem Stumpfsinn die Figuren gleichgeschaltet wurden, daß so mechanische, abstoßende Formen wie die Tannenberg, Element, National, Gotenburg u.a. entstanden. – Wieder war es soweit, daß das mangelnde Interesse an der Volksbildung einen Zerfall der Schrift zur Folge hatte. Im Angesicht der Scheiterhaufem, auf denen die humanistische Literatur von den faschistischen Kulturbarbaren verbrannt wurde, versiegte die Schöpferkraft der Schriftkünstler.« (S. 79)

 

Im nächsten Kapitel fragt Kapr, ob es eine nationale Form der Antiqua gibt und antwortet: »Gefühlsmäßig möchte man diese Frage unbedingt bejahen, aber es fällt schwer, solche subtile Besonderheiten in Worten zu fixieren.« Er kommt auf die Walbaum zu sprechen und ihren Vorzug in Deutschland vor Bodoni und Didot; er nennt die Schriften von Zapf und Trump mit ihren weniger vordrängenden Versalien, von denen die deutsche Schriftsprache reicher ist als andere. Dabei beläßt er es und meint, diese Frage müsse in wissenschaftlicher Untersuchung geklärt werden. Mir fiel nur auf: In der Antiqua mögen wir es weniger streng, die Walbaum gilt als vermittelnder als Bodoni und Didot. Was wäre dann an der Schroffheit der SSG eigentlich deutsch?

 

Interessant dann auch seine, Kaprs, Ausführungen zur Lesbarkeit und Schönheit der Schrift. »Lesbarkeit, Schönheit und werkzeuggerechte Durchführung ergeben aber noch nicht alle Bedingungen einer guten Schrift. Unsere ästhetischen Anschauungen verlangen auch eine hohe Ausdruckskraft. Sie entsprechen unserer Welt- und Lebensanschauung und sind bedingt durch die Gesellschaft, in der wir leben. Die Schriftgeschichte bietet unzählige Beweise für die Bindung der Schriftform an die Weltanschauung bestimmter Menschengruppen. Jede gute Schriftform erweckt Gefühlswerte: die Unziale erscheint uns weihevoll, die Textur sakral, die Renaissance-Kursiv heiter, die Kanzlei kraus und überladen, bei der klassizistischen Antiqua empfinden wir eine strenge Harmonie, und die Grotesk vermittelt kalte Sachlichkeit. Doch nicht nur die epochalen Schriften lassen sich gefühlsmäßig auslegen, selbst die Schriftkünstler und jede einzelne ihrer Schriftformen kann man nach ihrem emotionalen Gehalt differenzieren. Die Weiß-Schriften als klassisch, kraftvoll und doch etwas distinguiert, die Kochschriften dagegen als religiös gebunden zu betrachten ist durchaus möglich, wenn solche Urteile auch abhängig sind von der Person des Betrachters.« (S. 83) Bei Google kann man in der 1. Auflage weiterlesen.

 

Wie Kapr die SSG sah, habe ich zitiert. Welche Sichtweise könnte man dieser entgegenstellen? Auch unter Berücksichtigung der Erklärungen Bodonis, was eine schöne Schrift sei:

 

Die Schönheit von Schrift haben Bodoni, Johnston, Kapr und sicherlich auch andere ähnlich zu definieren versucht. So spricht Bodoni von »der Auswahl der besten Formen auf Grund des guten Geschmacks und aus dem Geiste der Nation und des Jahrhun­derts heraus. Denn wie überall, so herrscht auch in der Schrift die Mode und gibt ihr Gesetze, vernünftige und unvernünftige. Wo indessen ein gesunder Sinn sich nicht an diese Gesetze gebunden fühlt und wo die Mode, minder tyrannisch, ihm einige Freiheit läßt, da hält sich der gute Ge­schmack an eine gepflegte Einfachheit, die nicht etwa so zu verstehen ist, daß die Buchstaben überall gleichstarken Duktus aufweisen sollen, sondern die in zarter und anmutiger Weise den schönen Gegensatz von Licht und Schatten, wenn ich so sagen darf, zur Geltung kommen läßt, wie ihn eine gut geschnittene Feder und Hand­haltung der Schrift verleiht. Dies alles wird noch klarer, wenn man erwägt, daß es nicht eine wesentliche metaphysische Überle­genheit des Einfachen über das Kompli­zierte ist, derzufolge man beim Buchdruck jenem den Vorzug gibt. Vielmehr ist der Druck, da er ja dazu erfunden wurde, die Handschrift zu ersetzen, um so vollkom­mener, je ähnlicher er den schönsten Ma­nuskripten ist; in diesen aber verurteilt der Ernst der Gelehrten jedes ermüdende Übermaß und jede Spielerei, freilich so, daß der Anschein der Armseligkeit vermie­den wird. Anmut heißte das vierte und letzte Erfordernis zur Schönheit des Druckes. Je­der weiß, wie schwer es sich sagen läßt, worin dieses feine, liebliche, gefällige Et­was besteht, das wir Anmut nennen. Eines scheint gewiß: sie muß natürlich und an­geboren sein. Von Künstelei und Gezwun­genheit ist sie soweit entfernt, daß wir nicht fehlgehen, wenn wir sie unter den selte­nen und vollkommenen Dingen suchen, in denen das lautere Geschenk Gottes mit der Glückseligkeit der Natur sich berührt. Gewiß ist sie auch oft das Ergebnis langer Übung und Gewöhnung, durch die ja die schwierigsten Dinge leicht werden, so daß sie schließlich ohne viel Nachdenken aufs beste gelingen. Die Anmut einer Schrift beruht denn auch mehr als sonst irgend­wo auf einer gewissen Ungezwungenheit der Linien, auf ihrer Freiheit, Kühnheit und Geläufigkeit. Doch müssen sie trotzdem in der Form exakt, in der Stärke gut abge­stuft sein, sodaß auch der Neid nichts zu verbessern findet. Man geht vielleicht am sichersten, wenn man einfach sagt: Die Buchstaben haben dann Anmut, wenn sie nicht mit Unlust und Hast, auch nicht mit Mühe und Fleiß, sondern mit Lust und Lie­be geschrieben sind.« (aus dem Vorwort zum Manuale Tipografico)

 

Johnston und Kapr weniger ausführlich aber ähnlich. Lassen die SSG in zarter und anmutiger Weise den schönen Gegensatz von Licht und Schatten zur Geltung kommen? So fett wie sie ist, die Deutsche Anzeigenschrift von Koch durchaus. Und sie ist sicherlich auch mit Lust und Liebe geschrieben, während die SSG ...

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