Wie vielen bekannt ist, sind die Umlaute historisch dadurch entstanden, dass man in gebrochenen Schriften das e vermehrt über statt hinter die Vokale a, o und u schrieb. (siehe auch: Überkewl, Umlaute in Übersee)
Diese Schreibung war allerdings über sehr lange Zeit eine reine Kleinbuchstabenform. Erschien der Umlaut am Wortanfang, wurde er weiterhin in seine ursprünglichen Bestandteile (Aa/Oe/Ue) zerlegt – auch in ein und derselben Drucksache. Nachfolgend ein Beispiel aus dem Teutschen Merkur von 1774.
Wann also kam es zur Bildung der uns heute vertrauten Großbuchstaben-Umlaute? Googles so genannter Ngram Viewer ermöglicht die gezielte Recherche nach bestimmten Wörtern, Phrasen und Schreibungen im riesigen gescannten Buchbestand von Google Books. Auf diese Weise lässt sich leicht überprüfen, zu welcher Zeit man noch Aepfel und ab wann man Äpfel schrieb. Hier eine Beispielsuche nach einem Satzanfang mit »Über« beziehungsweise »Ueber«:
Das Ergebnis ist auch bei verschiedenen Suchbegriffen eindeutig. Um 1900 erfolgte der Umschwung – die Großbuchstaben-Umlaute waren geboren und die getrennte Schreibung ging schlagartig zurück. Der Zeitpunkt ist nicht zufällig. 1903 wurden die Beschlüsse einer Kommission der Buchdruckerei- und Schriftgießereibesitzer in der Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker (Nr. 27) veröffentlicht. Darin heißt es:
Heute erscheint es uns selbstverständlich, dass zu jedem Kleinbuchstaben-Umlaut auch ein entsprechender Großbuchstabe existiert. Doch es ist kaum mehr als 100 Jahre her, dass diese Schreibung üblich wurde. Wenn man der Meinung ist, dass Herr Müller auch in Versalien Herr MÜLLER und nicht Herr MUELLER heißen soll, dann muss man sich zwangsläufig auch mit dem Gedanken anfreunden, dass auch Herr Meißner eine unveränderte und eindeutige Schreibung in Versalien verdient. Der einzige Unterschied zwischen den Versal-Umlauten und dem Versal-Eszett ist, dass erstere ihre Übergangsphase zur allgemeinen Verbreitung bereits hinter sich haben – die des Versal-Eszetts aber gerade erst beginnt.
(Danke an Joshua K. für das Zitat aus der Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker.)